Elektrische Träume

Ein israelischer Dotcom-Millionär will dem Elektroauto zum Durchbruch verhelfen. Autofahren soll wie Handytelefonieren werden. NU recherchierte die Hintergründe.
Von Michael Laczynski

Ist das Auto in Zeiten des Klimawandels, prekärer Arbeitsverhältnisse und eines Spritpreises jenseits der 1-Euro-Marke immer noch ein Blech gewordenes Stück persönlicher Freiheit oder ist es in der kollektiven Wahrnehmung zu einem kostspieligen Haushaltsgerät verkommen, einem Kühlschrank auf Rädern? Von der Antwort auf diese Frage hängt es ab, ob Shai Agassi mit seinem Projekt „Better Place“ Erfolg haben oder in die Annalen des technischen Fortschritts als einer jener Visionäre eingehen wird, die zur falschen Zeit am falschen Ort die prinzipiell richtige Idee hatten. Der 40-jährige aus Israel stammende Dotcom-Millionär, der sich sein Vermögen bei der Software- Schmiede SAP verdient hat, will nämlich dem Elektroauto zum Durchbruch verhelfen – weltweit, flächendeckend und zu einem, wie er sagt, vernünftigen Preis. Dabei geht Agassi von zwei Grundannahmen aus, die im Laufe der nächsten zwei Jahre auf ihre Richtigkeit getestet werden: Die Gesellschaft ist reif für den Wandel – und die Technik ebenso.

Zunächst einmal ist es das Geschäftsmodell, das stutzig, aber auch neugierig macht. Agassi will nämlich keine Fahrzeuge verkaufen, sondern Mobilität. Better Place, vor zwei Jahren im Silicon Valley mit einem Startkapital von 200 Millionen Dollar gegründet, soll nach dem Prinzip der Handynetzbetreiber funktionieren: das Auto als Abo, freie Kilometer statt Freiminuten. Der Kunde erwirbt individuell sein Vehikel, allerdings ohne die dazugehörige Batterie. Die kommt von Agassis Unternehmen, das zugleich eine flächendeckende Versorgung mit Ladestationen garantiert. Aufladen und Austausch der Akkus sind im Tarifvertrag inbegriffen. In ihrer Simplizität ist die Idee so brillant, dass neuerdings auch Fareed Zakaria im Newsweek und Thomas Friedman in der New York Times von dem ehemaligen Software-Experten als Messias eines ökologisch korrekten Zeitalters schwärmen. Doch mit dem emotional aufgeladenen Traumbild eines PS-starken Boliden, das der Automobilindustrie heutzutage als schlagendes Verkaufsargument dient, lässt sich ein Auto nach dem Nokia-Prinzip nur schwer vereinbaren. Und von dem Motto „freie Fahrt für freie Bürger“, wie es vor allem in den USA inbrünstig praktiziert wird, ist der nüchtern kalkulierte Abo-Ansatz meilenweit entfernt.

Apropos Meilen: Die maximale Reichweite der mehr als 200 Kilogramm schweren und rund 7.000 Euro teuren Batterie, die bei Better Place zum Einsatz kommen soll, wird mit 160 bis 200 Kilometern angegeben – „bei ausgeschalteter Klimaanlage“. Ob sich dieses Versprechen ohne Weiteres halten lässt, ist beim jetzigen Stand der Technik fraglich. Wie der „Spiegel“ unlängst berichtete, können Lithium- Ionen-Akkus, wie sie zum Beispiel der japanische Konzern Mitsubishi bei seinem neuesten Elektroauto iMiEV verwendet, gerade 16 Kilowattstunden Energie speichern – das entspricht in etwa dem Brennwert von zwei Litern Benzin. Auch Mitsubishi gibt die Reichweite des iMiEV mit 160 Kilometern an, allerdings nur bei einer sehr geringen Durchschnittsgeschwindigkeit. Wer schneller ans Ziel kommen will, bleibt nach höchstens 80 Kilometern stehen. In die Entwicklung neuer Batterien werden zwar rund um den Globus Millionenbeträge gesteckt, ein Quantensprung zeichnet sich aber derzeit nicht ab. Kein Wunder also, dass Toyota und Honda, die Pioniere des Hybridantriebs, die hundertprozentig elektrische Konkurrenz nicht sonderlich ernst nehmen und weiter auf die Kombination von Elektro- und Verbrennungsmotor setzen.

Das Problem der geringen Reichweite lässt sich aber umgehen. Man braucht nur ein geografisch überschaubares, dicht besiedeltes Gebiet, in dem die durchschnittlich zurückgelegten Entfernungen innerhalb der engen Limits des technologisch Machbaren liegen. Ein Gebiet wie Dänemark also, oder wie Israel – das obendrein einen zusätzlichen Vorteil aufweist: Den stark ausgeprägten und von allen politischen Gruppierungen geteilten Wunsch nach der Unabhängigkeit von Erdölproduzenten des Nahen und Mittleren Ostens. In diesen beiden Ländern hat Better Place Pilotprojekte gestartet, mit finanzieller Unterstützung wohlhabender Gönner und Investoren (darunter auch Ölkonzerne, wie das Unternehmen stolz betont). Noch heuer werden dort jeweils rund 50 Elektroautos unterwegs sein, als Fahrzeuglieferant konnte der französisch- japanische Konzern Renault-Nissan gewonnen werden. Zeitgleich sollen ähnliche Feldversuche in den USA erfolgen, rund um die progressive kalifornische Metropole San Francisco und auf Hawaii, der Heimat von Präsident Barack Obama. Und bis zum Ende des kommenden Jahres soll in Dänemark und Israel die flächendeckende Versorgung mit Infrastruktur zumindest ansatzweise vorhanden sein – Agassi geht dabei von je 100.000 Steckdosen und Ladestationen aus.

Und dann schlägt die Stunde der Wahrheit. 2011 soll das Prinzip Better Place dort der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Bis dahin muss die Technik einwand- und verlustfrei funktionieren. Und auch der Preis muss stimmen. Agassi verspricht, dass ein gefahrener Kilometer nicht mehr als fünf Cent kosten soll.

Auch hierzulande möchte Better Place aktiv werden. In Kitzbühel wurde unlängst eine kleine Dependance eröffnet, von der aus nach potenziellen Partnern Ausschau gehalten wird. „Österreich verfügt über einen hohen Anteil an erneuerbaren Energiequellen. Das gefällt uns“, sagt Büroleiter Amit Yudan. Den Investitionsbedarf für die erste Phase von Better Place in Österreich beziffert er mit „mehreren hundert Millionen Euro“. Und die aktuelle Wirtschaftskrise als Argument gegen derartig kostspielige Versuchsballons lässt Yudan nicht gelten: „Es geht um Investitionen in die Infrastruktur, die Arbeitsplätze bringen. Arbeitsplätze, die sich nicht ins Ausland verlagern lassen.“ Sind die Autofahrer reif für einen derartigen Paradigmenwechsel? Yudan sieht es pragmatisch. „Es ist wie im Supermarkt: Ich kann mich für herkömmliches Gemüse entscheiden, ich kann aber auch zu Bio-Produkten greifen.“

 

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