Die historische Region Palästina an der südöstlichen Küste des Mittelmeeres bezeichnet ein Gebiet, auf dem sich heute der Staat Israel, der Gazastreifen, das Westjordanland, Jordanien (das Ostjordanland), Teile Syriens und des Libanon befinden.
VON ANDREA SCHURIAN, DANIELLE SPERA UND MARTIN ENGELBERG
Gegen Ende des 13. Jahrhunderts v. d. Z. ist erstmals von „Hebräern“, einer frühen Bezeichnung für Angehörige des Volkes Israel, die Rede. Im Verlauf des 12. Jahrhunderts v. d. Z. tauchen die aus dem ägäischen Raum stammenden Philister auf. Danach regierten die Israeliten, die Assyrer, die Babylonier und die Perser das Land. Etwa 600 v. d. Z. wurde der erste Tempel, das Hauptheiligtum des Königreichs Juda, bei der Eroberung Jerusalems 587/586 durch die Neubabylonier zerstört. Damit verlor die jüdische Religion ihren Mittelpunkt. Große Teile der Bevölkerung wurden ins babylonische Exil deportiert. In der Region folgten Alexander der Große, die Ptolemäer, die Seleukiden, die Römer. Nach der Rückkehr aus dem Exil erbauten die Judäer den Tempel neu, bis dieser bei der Eroberung Jerusalems durch römische Truppen im Jahr 70 v. d. Z. wiederum zerstört wurde. Der jüdische Prediger Joshua, Jesus, wurde für seine Anhänger zum Messias, die christliche Religion entstand. Juden flüchteten nach Asien und Europa.
Unter den verschiedenen Dynastien der muslimischen Araber breitete sich der Islam aus, 700 n. d. Z. wurde auf dem Tempelberg / Haram al-Scharif in Jerusalem der Felsendom errichtet. Seit diesem Zeitpunkt gilt Jerusalem für drei Religionen als heilige Stätte. Es folgte weitere Flucht von Juden aus dem Land. Mit dem Beginn der Kreuzzüge am Ende des 11. Jahrhunderts wurden in Palästina vier christliche Kreuzfahrerstaaten errichtet. Dem fielen viele Jüdinnen und Juden zum Opfer. 1187 besiegten Sunniten die Kreuzfahrer, besetzten das Land und eroberten Jerusalem. Seit 1291 beherrschten mamelukische Dynastien Palästina. 1516 besiegten osmanische Türken die Mameluken und gliederten es in das Osmanische Reich ein. Mit dem steigenden Antisemitismus im 19. Jahrhundert begann die Auswanderung nach Palästina.
Mit Hilfe wohlhabender jüdischer Familien aus Europa und den USA wurde arabischen Großgrundbesitzern karges Land in Palästina abgekauft. Felder wurden bebaut, landwirtschaftliche Kollektive und Ortschaften gegründet. In Jerusalem lebten um 1870 11.000 Juden und 7.000 Muslime. In Europa entstand unter dem Eindruck des Antisemitismus und der Verfolgungen der Zionismus. 1901 wurde der Jüdische Nationalfonds geschaffen, der für die Bepflanzung des Landes sorgt (250 Mio. Bäume bis heute). Theodor Herzl starb 1904.
Britisches Mandat über Palästina 1923
Der Erste Weltkrieg besiegelte das Ende des Osmanischen Reichs, der Nahe Osten wurde aufgeteilt, hauptsächlich unter den Briten und Franzosen. Palästina wurde britisches Mandatsgebiet, bestätigt durch den Völkerbund im Juli 1922. Im Jahr 1917 erklärte Großbritannien mit der BalfourDeklaration seine Absicht, in Palästina eine „nationale Heimstätte“ für das jüdische Volk zu errichten. Im Laufe der britischen Mandatsherrschaft über Palästina verschärften sich die jüdisch-arabischen Auseinandersetzungen unter der arabischen Führerschaft des Großmuftis von Jerusalem, Amin Al-Husseini, eines Sympathisanten des NS-Regimes. Nachdem immer mehr Jüdinnen und Juden sich im Land ansiedelten, limitierten die Briten daraufhin deren Einwanderung. Es kam zum Untergrundkampf gegen die Briten. Während des Zweiten Weltkriegs flüchteten immer mehr Juden nach Palästina. Die Briten kündigten an, das Mandat für Palästina an die Vereinten Nationen zu übergeben. Am 29. November 1947 beschloss die UN-Generalversammlung, Palästina in einen arabischen und einen jüdischen Staat zwischen dem Jordan und Mittelmeer zu teilen. Alle westlichen Staaten sowie jüdische Vertretungen stimmten für diese Teilung, alle arabischen Staaten dagegen. Am 14. Mai verließen die letzten Truppen Palästina. David Ben-Gurion, der designierte israelische Ministerpräsident, rief am gleichen Tag den unabhängigen souveränen Staat Israel aus, die Weltmächte USA und Sowjetunion erkannten den Staat Israel diplomatisch an.
Unabhängigkeitskrieg
Bereits am nächsten Tag griffen die Streitkräfte Ägyptens, Jordaniens, Syriens, des Libanon und des Irak Israel an, allesamt Staaten, die aus dem Osmanischen Reich künstlich gegründet worden waren. Dem soeben erst gegründeten Staat Israel gelang es, sich gegen die gewaltige Übermacht zu verteidigen und eroberte rund vierzig Prozent des Landes, das im Teilungsplan für einen arabisch-palästinensischen Staat vorgesehen war. Die Waffenstillstandslinien vom Frühjahr 1949 vergrößerten das israelische Territorium von 14.100 auf 20.700 Quadratkilometer – es gilt auch heute noch als Kernland Israels. Jordanien behielt die Kontrolle über das Westjordanland einschließlich Ost-Jerusalems. Der von ägyptischen Truppen besetzte Gazastreifen wurde unter ägyptische Verwaltung gestellt. Syrien machte einige Geländegewinne am Golan. Obwohl unter jordanischer bzw. ägyptischer Herrschaft, wurde weder im Westjordanland noch in Gaza ein arabisch-palästinensischer Staat errichtet, so wie er heute im Rahmen der Zweistaatenlösung gefordert wird. 750.000 Araber flüchteten – auch auf Anraten der arabischen Länder, die meinten, sie könnten wieder zurückkehren, wenn die Juden vertrieben worden seien, andere blieben und wurden vollwertige und gleichberechtigte Staatsbürger Israels.
Die Flüchtlinge wurden von den arabischen Nachbarländern jedoch nicht eingegliedert, sondern in Lagern untergebracht. Sie leben bis zum heutigen Tag in diesen inzwischen zu Städten gewordenen ehemaligen Flüchtlingslagern, oft schon in vierter und fünfter Generation. Diese Aufrechterhaltung eines Flüchtlingsstatus über Generationen ist in der Weltgeschichte einmalig. 1949 schlossen Israel und seine Nachbarstaaten unter Vermittlung der UNO bilaterale Waffenstillstandsabkommen, die das militärische Ergebnis im Prinzip bestätigten. Ein Friedensschluss erfolgte nicht, da die arabischen Staaten Verhandlungen mit Israel ablehnten. In dieser Zeit wurden fast eine Million Jüdinnen und Juden aus arabischen Ländern vertrieben, sie siedelten sich hauptsächlich in Israel an.
Sechstagekrieg 1967
Im Mai 1967 verkündete Ägypten eine Blockade der Meerenge von Tiran für israelische Schiffe. Syrien, Jordanien, der Irak und Saudi-Arabien wurden von Ägypten aufgefordert, ihre Truppen an Israels Grenzen zu stationieren. Der Krieg begann am 5. Juni 1967 mit einem Überraschungsangriff der israelischen Luftwaffe auf ägyptische und syrische Flughäfen, im Zuge dessen die meisten Militärflugzeuge und Startpisten Ägyptens und zwei Drittel der syrischen Luftwaffe zerstört wurden. Die Israelis rückten nach Ost-Jerusalem und auf das von Jordanien besetzte Westjordanland vor und besetzten die syrischen Golanhöhen. Aufgrund des Drucks der USA und der Sowjetunion wurde bereits am 11. Juni 1967 der Waffenstillstand unterzeichnet. Israel besetzte das Westjordanland, Ost-Jerusalem, die Golanhöhen, den Gazastreifen und die Sinai-Halbinsel.
Israels Staatsgebiet war dreimal so groß wie vorher. Viele Palästinenser kamen im Westjordanland, in Jerusalem und im Gazastreifen unter israelische Militärverwaltung. Im November 1967 beschloss der UN-Sicherheitsrat die Resolution 242. Diese sieht den Rückzug Israels aus Gebieten vor, die im Zuge des Sechstagekriegs besetzt wurden. Israel war zu einem Tausch bereit: Rückgabe der Gebiete gegen Anerkennung Israels und Frieden. Doch die Arabische Liga betonte ihre unnachgiebige Haltung: kein Friede mit Israel, keine Anerkennung Israels, keine Verhandlungen mit Israel. Die Resolution 242 bedeutete eine Anerkennung der seit 1947 von den Israelis geschaffenen Fakten der Landaufteilung. Sie ist seitdem die Grundlage aller Friedensverhandlungen.
Jom-Kippur-Krieg 1973
Zu Jom Kippur, am 6. Oktober 1973, dem höchsten Feiertag des jüdischen Jahres, folgte erneut ein Krieg. Durch jahrelange sowjetische Rüstungshilfe starteten Ägypten am Suezkanal und Syrien auf den Golanhöhen einen Überraschungsangriff auf Israel. Die Hinweise auf Truppen- und Materialtransporte hatte Israel ignoriert. Die israelischen Verluste waren enorm, Waffen und Munition gingen aus. Erst eine Woche nach Kriegsanfang begannen die USA, Israel Nachschub an Material zu liefern. Israels Gegenoffensive gelang, doch mit hohen Opferzahlen. Als Reaktion auf den verlorenen Krieg verringerte die OPEC die Ölfördermenge und erhöhte den Ölpreis drastisch, um politischen Druck auszuüben. 1979 wurde auf Initiative des ägyptischen Präsidenten Sadat ein Friedensprozess in Gang gesetzt und der israelisch-ägyptische Friedensvertrag unterzeichnet, der unter anderem die Rückgabe des Sinai bis 1982 regelte. Der Friedensvertrag wurde 1979 in Washington von Israels Ministerpräsident Menachem Begin und Ägyptens Präsident Anwar as-Sadat unterzeichnet und führte zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und Ägypten.
Libanonkrieg
Auf die Ermordung seines Botschafters am 3. Juni 1982 in London und nach Feuerüberfällen der Palästinensische Befreiungsorganisation PLO auf israelische Siedlungen reagierte Israel am 4. Juni mit massiven Luftangriffen auf PLO-Stellungen im Libanon. Am 6. Juni startete Israel die Invasion des Libanon, sowie einen Überraschungsangriff auf syrische Verbände in der Bekaa-Ebene. Unter dem Druck der USA und der Sowjetunion bot Israel den Syrern den Waffenstillstand an, der auch auf die PLO ausgeweitet wurde. Nach einem Evakuierungsplan mussten 11.000 PLO- und andere palästinensische Kämpfer aus Beirut abziehen. 1983 beendete ein Friedensvertrag zwischen Libanon und Israel offiziell den Krieg.
Intifada
In den 1980er Jahren nahmen die Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern immer mehr zu, die 1987 in gewalttätigen Unruhen mündeten, der sogenannten Ersten Intifada (Aufstand). Die PLO beanspruchte das von Israel seit dem Junikrieg 1967 besetzte Westjordanland und den Gazastreifen mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt als Staatsgebiet. Da sich die PLO im tunesischen Exil befand, hatte dieser Akt zunächst symbolischen Charakter. Auslöser der Intifada war der Zusammenstoß eines israelischen Lastwagens mit zwei palästinensischen Taxis am 8. Dezember 1987. Dabei starben vier Palästinenser. Einen Tag später trafen sich palästinensische Muslimbrüder in Gaza und riefen mit Flugblättern die Bevölkerung des Gazastreifens zum „Widerstand gegen die israelische Besatzung“ auf, unterzeichnet von der Hamas, der „Bewegung des Islamischen Widerstands“, einem Arm der Muslimbruderschaft.
Oslo-Vertrag
Durch den Zusammenbruch der Sowjetunion verschob sich das Kräfteverhältnis in der gesamten Region. Israelisch-palästinensische Geheimverhandlungen führten am 13. September 1993 in Washington zur Unterzeichnung der Osloer Prinzipienerklärung in Anwesenheit des israelischen Ministerpräsidenten Rabin und PLO-Chef Arafat. Israel und die PLO erkannten sich im September 1993 gegenseitig an und einigten sich auf einen stufenweisen Abzug israelischer Truppen aus 1967 besetzten palästinensischen Gebieten. In einer fünfjährigen Übergangsperiode sollte eine Palästinensische Autonomiebehörde die palästinensischen Bevölkerungszentren verwalten und dort für Sicherheit sorgen. Die Errichtung einer palästinensischen politischen Struktur und die Selbstverwaltung der Palästinenser wurde ausgeweitet. Die Zone A – sie umfasst die großen Städte mit Ausnahme Hebrons – wird vollständig von den Palästinensern kontrolliert. Die Zone B steht unter gemeinsamer Regie. Die Zone C – jüdische Siedlungen und unbewohntes Gebiet mit Milit.rstützpunkten – steht unter dem Kommando Israels. Das Ziel von Oslo II: mehr Autonomie für die Palästinenser, mehr Sicherheit für die Israelis.
Erster Selbstmordanschlag
Parallel dazu kam es im Oktober 1994 zum Abschluss eines Friedensvertrages zwischen Jordanien und Israel. Im November 1995 wurde Jitzchak Rabin von einem radikalen jüdischen Studenten erschossen. Die Hamas verübte den ersten Selbstmordanschlag in Israel, es folgten hunderte. Fast 400 Israelis wurden ermordet und mehr als 2.000 verletzt. Die im Juli 2000 in Camp David unter Vermittlung des US-Präsidenten Bill Clinton geführten Verhandlungen mit PLO-Chef Jassir Arafat und dem israelischen Premierminister Ehud Barak scheiterten, palästinensische Terroranschläge in Israel machten die Friedensbemühungen zunichte. 2001 wurde ein israelischer Minister von militanten Palästinensern getötet. Die israelische Armee reagierte mit Härte, die Palästinenser mit Anschlägen der Zweiten Intifada.
Die Auseinandersetzungen zwischen der israelischen Armee und Palästinensern griffen auf das gesamte Gebiet Israels und der palästinensischen Autonomiebehörde über. Radikale Palästinenser verübten unzählige Selbstmordanschläge. Israel reagierte mit dem Bau eines siebenhundert Kilometer langen Grenzzauns, an manchen Stellen einer Mauer. Im Februar 2005 verkündeten der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon und der palästinensische Präsident Mahmud Abbas eine Waffenruhe. In den palästinensischen Gebieten – Westjordanland, Ost-Jerusalem und Gazastreifen – leben 5,35 Millionen Menschen. Bei den ersten freien Wahlen 1996 wurde Jassir Arafat zum Präsidenten gewählt, seine Partei, die Fatah, errang die Mehrheit im Parlament. Nach Arafats Tod fanden 2005 erneut Präsidentschaftswahlen statt, die Mahmud Abbas gewann. Er wurde für eine vierjährige Amtszeit gewählt, ist nun aber bereits 18 Jahre im Amt. 2005 zog sich Israel komplett aus dem Gazastreifen zurück. Alle Siedlungen und landwirtschaftlichen Betriebe wurden den Palästinensern übergeben. Darüber hinaus leistete der Westen umfangreiche finanzielle Hilfen.
Gaza wird allerdings seit den Parlamentswahlen von 2006 von der radikalislamischen Terrororganisation Hamas kontrolliert, die nach einem blutigen internen Machtkampf die Fatah besiegte und deren ausdrückliches Ziel es ist, den Staat Israel zu vernichten und einen islamischen Staat zu errichten. Nach Angaben von Amnesty International kommt es in Gaza zu willkürlichen Festnahmen, Folterungen und Misshandlungen politischer Oppositioneller und queerer Personen. Die gewaltigen finanziellen Unterstützungen wurden zum Aufbau einer militärischen Struktur verwendet. Der Raketenbeschuss auf Israel nahm stetig zu. Israel antwortete mit Militärinterventionen, um die israelische Zivilbevölkerung vor den Raketenangriffen zu schützen. Die Aufrüstung der Hamas gipfelte dann mit dem Durchbruch aus dem Gazastreifen und den fürchterlichen Massakern an der israelischen Zivilbevölkerung am 7. Oktober 2023 mit mehr als 1.400 Ermordeten und rund 250 entführten Geiseln. Seit 2007 sind die palästinensischen Autonomiegebiete zweigeteilt: Die Hamas beherrscht den Gazastreifen, die Fatah von Mahmud Abbas regiert das Westjordanland und Ost- Jerusalem. Wahlen gibt es in Gaza seit 2006 nicht, sämtliche Versuche, eine gemeinsame palästinensische Einheitsregierung zu bilden, sind gescheitert.