Der deutsche Zeitungsverleger und Medienmanager Axel Springer (1912-1985) unterstützte Israel publizistisch und finanziell. Davor war er als Journalist für antisemitische Propaganda verantwortlich. Sein späterer unverbrüchlicher Einsatz für Israel setzt sich in den Springer-Medien fort.
Von Karin Müller
Axel Caesar Springer schuf ein Medienimperium mit eigener Verfassung. Die heute 18.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen fühlen sich noch immer den 1967 proklamierten Geboten des nach eigenen Angaben „sehr krassen Individualisten“ verpflichtet. Ob bei Bild oder Welt oder Politico, eine der Maximen, die es zu unterschreiben gilt, lautet „Wir unterstützen das jüdische Volk und das Existenzrecht des Staates Israel.“ Warum ist dem Norddeutschen Axel Springer im Laufe seines Lebens Israel so ans Herz gewachsen? Darauf gibt es keine einfache Antwort.
Der Philosemit
Der König der Massenpresse kennt bereits die halbe Welt, bevor er 1966 im Alter von 54 Jahren seine erste Reise nach Jerusalem antritt. Der Anstoß zu dieser Reise kommt von einer seiner zahlreichen Frauenbekanntschaften, von Barbara Taufar, Journalistin, Schriftstellerin und in der Kreisky-Ära Presseattaché Österreichs in Tel Aviv. Springer gesteht ihr, dass für ihn die Todesschreie der sechs Millionen Juden wie eine schwarze Wolke des Verhängnisses über Deutschland hängen. „Die Juden sagen, dass die Gerechten die Pfeiler sind, auf denen die Welt steht. Ich will einer der Gerechten sein. Ich muss etwas tun, sonst wird Deutschland zugrunde gehen.“
Beschäftigt man sich mit der Biografie des mächtigen Axel Caesar Springer fällt auf, dass der zielstrebige Geschäftsmann auch eine ziemlich esoterische, im Alter sogar tiefreligiöse Seite hat. Sein Biograf Hans-Peter Schwarz sieht in ihm ein Nest voller Widersprüche: „In seinen beiden letzten Jahrzehnten wird aus dem zuvor sehr lebenslustigen Springer ein frommer Mann, ein sehr frommer Mann sogar. Letzten Endes führt er seinen Antikommunismus, seine rückblickende Ablehnung des Nationalsozialismus und seine Liebe zu Israel mehr und mehr auf spirituelle Wirklichkeiten zurück, deren er sich in regelmäßigen Gebeten zu vergewissern sucht.“
Springer entdeckt in sich einen neuen Messias. Als solcher widmet er seine Mission der Wiedervereinigung Deutschlands und der bedingungslosen Unterstützung des Staates Israel. „Selbst bei einer flüchtigen Begegnung mit ihm wird sein bemerkenswertestes Attribut sofort klar: ein fast mystischer Glaube an die moralische Richtigkeit seiner eigenen Gedanken“, ist in einem Porträt Springers in der Washington Post zu lesen.
Der Verharmloser
Es gibt auch einen sehr persönlichen Grund, warum das Schicksal der Juden eine Herzensangelegenheit von Axel Springer wird: Seine erste Liebe, Ehefrau und Mutter seiner Tochter Barbara, Martha Meyer, gilt nach den Nürnberger Gesetzen als Halbjüdin. Ihre Mutter war nach Theresienstadt deportiert worden. Die Ehe hielt nur fünf Jahre, 1938 ließ sich Springer scheiden, in beiderseitigem Einverständnis. Martha „Baby“ Meyer hält fest: „Nach wie vor verbindet mich mit meinem früheren Manne die beste Kameradschaft, noch verstärkt dadurch, dass er mir auch nach der Scheidung zu jeder Stunde Schutz und Hilfe gegen Nazi-Nachstellungen angedeihen ließ.“
Springer selbst schafft es, sich wegen einer Erkrankung der Bauchspeicheldrüse dem Wehrdienst des Hitler-Regimes zu entziehen. Auf die Frage eines britischen Presseoffiziers, ob er auch im Dritten Reich verfolgt worden ist, antwortet er wahrheitsgetreu. „Eigentlich nur von den Frauen!“
Dennoch existiert ein kompromittierendes Foto von ihm, das ihm später sehr unangenehm ist: Es zeigt die Belegschaft der Bergedorfer Zeitung am 15. September 1933. Von den 38 Mitarbeitern der Redaktion tragen 36 Zivil. Die vordere Sitzreihe zeigt zwei Männer in Uniform mit Hakenkreuzarmbinden, einer von ihnen ist Axel Springer in der Uniform des Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps NSKK. Springers Erklärung: Er sei dem Rat eines Freundes gefolgt und als Autobesitzer und ADAC-Mitglied dem NSKK beigetreten, weil die Familie sonst überhaupt keine Beziehungen zur Partei gehabt hätte.
Seine Rolle als Journalist bei der Hamburger Neuesten Zeitung im Dritten Reich verharmlost Springer. „Sportredakteur sei er gewesen und Lückenbüßer für die verschiedenen Ressorts“, lässt er seine Kinder und Enkelkinder 1981 in einem Brief wissen. Als sogenannter Lückenbüßer ist er ab 1937 dem Ressort Politik und Wirtschaft zugeteilt. Bis zur Schließung der Zeitung im Mai 1941 wird er sogar als Schriftleiter angeführt. „Das stand ja nur auf dem Papier“, teilt er seinen Kindern mit.
Der Verleger
Zum politischen Zeitungsmacher wird Springer erst nach dem Krieg als Herausgeber seiner Flaggschiffe Bild und Die Welt. Höchstpersönlich will er Nikita Chruschtschow von der Wiedervereinigung Deutschlands überzeugen, was ihm nicht gelingt. Von da an sieht er im Kampf gegen den Sowjetkommunismus eine seiner Lebensaufgaben, schreibt Hans Peter Schwarz in seiner Axel Springer-Biografie. „Beim Blick aus dem Fenster seines Arbeitszimmers nach Ost-Berlin bekümmerte er sich täglich aufs Neue, dass „die roten Nachfolger der Braunen“ in Gestalt der DDR eine zweite Diktatur auf deutschem Boden installiert hatten. „Kommunisten seien rotlackierte Nazis“, so Springer.
Er führe eine „Kampfpresse“, wird ihm vorgeworfen. Springer gefällt der Begriff „Richtungszeitungen“ besser. „Die Medien sollen dem Bürger das Rüstzeug für seine politischen Entscheidungen geben, und das ist nur durch Klarheit zu erreichen und nicht durch eine Abstinenz von jedem politischen Bekenntnis. In allen großen und bewährten Demokratien sind die wichtigsten Blätter Zeitungen, die klare Standpunkte beziehen, das gilt für Amerika ebenso wie für die Schweiz, für England ebenso wie für die skandinavischen Länder“, belehrt er in einem langen Brief den Hamburger SPD-Senator Heinz Ruhnau. „Ich behaupte“, führt er im Frühjahr 1972 in einer Rede vor der Deutschen Atlantischen Gesellschaft aus, „dass wir zu einer Art letzten Schlacht für die Freiheit angetreten sind.“ Zum Jahresrückblick 1971 schreibt er: „Der politische Verfall der westlichen Welt scheint kaum noch aufzuhalten zu sein.“
Das Vermächtnis
Düstere Zukunftsgedanken begleiten Axel Springer besonders in seiner zweiten Lebenshälfte. Vor allem die Analogie der in linken pro-palästinensischen Kreisen verbreiteten Judenfeindlichkeit zum nationalsozialistischen Antisemitismus beschäftigt unablässig seine politische Vorstellungswelt. Jerusalem ist in Springers Augen noch wichtiger als Berlin: „Die Endschlacht ums Überleben der gesitteten Welt werde dort stattfinden“, schreibt er an seinen Chefredakteur Herbert Kremp. „Durchhalten im Kampf gegen den linken Zeitgeist. Fest an der Seite Israels!“
„Die verheerenden Zusammenstöße würden sich wahrscheinlich im Nahen Osten ereignen oder von dort ihren Ausgang nehmen“, prophezeit Springer. Gegen Ende seiner Tage beschäftigen ihn vor allem die Vorgänge im Heiligen Land und das Schicksal des „auserwählten Volkes“. 1975 wird bei einem Brandanschlag Springers Chalet in der Schweiz abgefackelt. Auf einer Gedenktafel schreibt er, was er im Deutschen Herbst 1977 zum Zustand der Staaten und des Terrorismus zu sagen hatte: „Was die Seele für den Körper ist, ist Gott für den Staat. Wenn die Seele den Körper verlässt, zerfällt er zu Staub. Ein Staat, aus welchem Gott verjagt wird, ist zum Untergang verurteilt.“
Springer lässt zwei Jahre vor seinem Tod nach seiner Entgegennahme der Auszeichnung „Bewahrer Jerusalems“ in der Bild am Sonntag veröffentlichen: „Für mich ist das Überleben des jüdischen Volkes und der Wiederaufbau des Staates Israel der Beweis, dass Gottes Versprechen in der Bibel sich erfüllen werden.“ Dieses Vermächtnis gilt nach wie vor auch beim neuen Vorsitzenden des Axel Springer-Verlags. Wer sich an einer gehissten Israel-Fahne vor der Berliner Zentrale störe, soll kündigen. Springer-Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner richtet einem Bericht der Jerusalem Post zufolge seinen Mitarbeitern aus: „Ich denke, und ich bin sehr offen zu Ihnen, eine Person, die ein Problem damit hat, dass hier eine Woche lang eine israelische Flagge gehisst wird, nachdem antisemitische Demonstrationen stattgefunden haben, sollte sich einen neuen Job suchen.“ So lebt der Geist des Dissenters weiter, ganz im Sinne seiner Grabinschrift: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe.“