Ein Klavier, ein Klavier!

Daniel Barenboim hat einen Flügel präsentiert, den der belgische Klavierbauer Chris Maene für ihn angefertigt hat. Das Klavier soll den Klang historischer Flügel mit moderner Klaviertechnik verbinden.
VON MARTIN RUMMEL (TEXT) UND
MILAGROS MARTÍNEZ-FLENER (FOTO)

Nach der – wenn man diversen Presseberichten Glauben schenken darf – mäßig erfolgreichen Gründung von „Peral Music“, einem nur auf iTunes beschränkten Digitallabel, ließ Starpianist und -dirigent Daniel Barenboim im Mai mit der Präsentation eines „neu“ konstruierten Flügels aufhorchen. Bei näherem Hinsehen ist der Flügel dann doch nicht so neu, denn es handelt sich um den Versuch, sich den Instrumenten des 19. Jahrhunderts wieder anzunähern.

Für Nichtpianisten sei zunächst erklärt, dass Steinway 1885 den Klavierbau dadurch revolutioniert hat, dass die Saiten anstatt parallel zueinander nun über Kreuz gespannt wurden. Zusätzlich hat man, um dem großen Zug, den die Saiten so erzeugen, Widerstand zu bieten, einen Stahlrahmen eingesetzt und das Holz des Resonanzbodens diagonal zur Maserung geschnitten. Einen Steinway- Konzertflügel mit einem historischen Pianoforte zu vergleichen, hat also etwas von den sprichwörtlichen Äpfeln und Birnen; der geneigte Leser verzeihe den Kalauer angesichts des Protagonisten.

Das Steinway-Konzept wurde fortan von allen Firmen übernommen, sodass sich in den folgenden hundert Jahren Musiker und Publikum an einen sehr lauten Einheitsklavierklang gewöhnt haben. Viel mehr noch: Klaviere, die nicht so klingen wie ein großer Steinway- Flügel, werden oft als „minderwertig“ abgetan. Immer mehr berühmte Pianisten suchen heute aber wieder die Individualität und wenden sich von diesem Massenideal ab; sei es, dass sie Instrumente von Fazioli, Yamaha, Bösendorfer oder Petrof spielen, oder sich eben gänzlich auf neue Wege begeben.

Franz Liszts Flügel als Inspiration

2011 spielte Daniel Barenboim in Siena auf Franz Liszts Flügel, einem Bechstein aus dem Jahr 1862. Ähnlich wie Sir András Schiff im Booklet-Text seiner jüngst bei ECM erschienenen Schubert-Doppel-CD seine „Konversion“ zum Hammerklavier- und Fortepianoliebhaber eindrücklich beschreibt, war Barenboim wohl von den Differenzierungsmöglichkeiten des alten Liszt-Flügels begeistert. Durch parallel gespannte Saiten nämlich entstehen für jedes Instrument individuelle Obertonschwingungen, die – ähnlich wie bei Streichinstrumenten – für charakteristische Klangfarben sorgen.

Barenboim, der Steinway-Künstler, wurde von seinem Klaviertechniker Michel Brandjes an den belgischen Klavierbauer und -restaurator Chris Maene vermittelt. Aus dieser Begegnung entstand ein Flügel, der nach eigener Beschreibung die Vorzüge der parallel besaiteten Instrumente des 19. Jahrhunderts mit jenen des Steinway DModells kombiniert: einzeln und parallel geführte Saiten, gerade Verstrebungen unter dem längs gemaserten Resonanzboden, Stahlrahmen, zwei Stege (statt dem heute üblichen einen), leicht abgewandelte Mechanik, Hämmer, Tastatur und Pedale.

Barenboim, der übrigens weiter auch für andere Labels als sein eigenes „Peral Music“ aufnimmt, geht es hier um „Abwechslung, um eine Alternative“. Der gute alte Steinway wird wohl weiter zum Einsatz kommen. Das Presse-Echo auf das Vorstellungskonzert des Barenboim- Maene-Steinway war durchaus gemischt: Der Unterschied zum herkömmlichen Flügel sei kaum zu hören, und für Schuberts Sonate D 664 sei er ohnehin zu laut … wohl aber erkenne man Barenboims Leidenschaft für seinen neuen Gefährten. Ob sich dieser angesichts des zu befürchtenden astronomischen Preises (es wird vom bis zu Dreifachen eines Steinway-D-Flügels gemunkelt, und der liegt bekanntlich schon weit im sechsstelligen Eurobereich) auch im Konzertleben verbreiten wird, bleibt abzuwarten.

 

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