Vor 40 Jahren starb der beliebte Schauspieler Hans Moser. Bis zuletzt lebte er mit seiner Ehefrau Blanca, die er abgöttisch liebte, in Wien. Die Geschichte der Jüdin Blanca Moser beleuchtet auch die unbekannte, tragische Facette der Karriere von Hans Moser während der Nazizeit.
Von Saskia Schwaiger
Hans Moser war schon dreißig Jahre alt, als er Blanca Hirschler kennen lernte. Er war knapp 1,58 Meter groß, nuschelte und hatte so gar nichts von der äußeren Erscheinung eines Clark Gable. Von einem Theaterengagement im böhmischen Kurort Teplitz-Schönau als „jugendlicher Liebhaber mit Tanz- und Chorverpflichtung“ kehrte er damals gerade auf Heimurlaub nach Wien zurück. Blanca war die Schwester zweier Schauspielkollegen, deren Familie er Grüße übermitteln sollte. In der Wiener Pressgasse, wo Moser bei Mama Hirschler vorstellig wurde, traf er erstmals die zwanzigjährige Blanca. Es war, wie beide später erzählten, „Liebe auf den ersten Blick“.
Sie heirateten ein Jahr später, 1911. Zwei Jahre darauf wurde die einzige Tochter, Grete, geboren. Moser war bis dahin ein Hallodri gewesen: war von einer Bühne zur nächsten getingelt, spielte an Wanderbühnen und Provinztheatern, konnte wohl mehr schlecht als recht von seinem Einkommen leben und hatte oft seine Gage noch am Abend der Aufführung in Cafés und Nachtlokalen verjubelt.
Blanca Hirschler nahm fortan Leben und Karriere des jungen Schauspielers in die Hand: Sie war Ehefrau, Gefährtin und nicht zuletzt Finanzministerin, führte penibel Buch über Ein- und Ausgaben, teilte ihm sein Taschengeld zu und begleitete ihn zu Vorstellungsgesprächen. Moser vergötterte seine Frau, obwohl sie zum Teil wohl auch dem Bild jener starken, dominanten Frauen entsprach, die er in seinen Filmen so gern persiflierte.
Mosers Aufstieg zum Komiker begann mit Sketches auf Wiener Kabarettbühnen, wo er unter anderem jene traurig-komische Figur entwickelte, für die er später so berühmt und beliebt wurde: der Dienstmann. Der Sketch wurde erstmals 1928 auf Zelluloid gebannt, 1951 folgte der Spielfilm „Hallo Dienstmann“ von Franz Antel. Moser verkörpert schon sehr früh den unterdrückten „kleinen Mann“, den ewigen Nörgler und Raunzer, der immer wieder durch die Herrschenden gedemütigt wird und letztlich – irgendwie doch zufrieden und glücklich – auf seinen angestammten Platz verwiesen wird. Er bleibt dabei immer genügsam, hilft den noch Schwächeren, den Frauen, den Kindern.
Den Sprung vom Bühnenkomiker zum Filmdarsteller schafft Moser mühelos und im Wien der 1930er Jahre war Moser in der Öffentlichkeit bald zu einer populären Figur geworden.
Auch während des Nationalsozialismus wird Moser als Filmstar gefeiert und wirkt in mehreren Unterhaltungsfilmen mit. Seine Position ist klar und widersprüchlich zugleich: Er ist ein Star, ein Publikumsliebling, auf den auch die Nazi-Propagandamaschinerie nicht verzichten kann. Dass er bereits 1924 in einem Stummfilm („Eine Stadt ohne Juden“) einen antisemitischen Abgeordneten bis zur Lächerlichkeit karikiert hat, schränkt offenbar seine Nutzbarkeit für das NS-Regime nicht ein. Problematischer ist seine Ehe zu Blanca, denn Blanca ist Jüdin. Der Filmstar Hans Moser erhält wie auch einige andere, für die Nazis „brauchbare“ Künstler eine Sondergenehmigung des Reichskulturministeriums in Berlin. Diese – vor der Öffentlichkeit geheim zu haltende – Liste vermerkt die „rassische“ Zugehörigkeit der Ehepartner dieser Künstler und gestattet ihnen trotz dieses „Makels“ weiterzuarbeiten.
Tatsächlich wurde auch Moser immer wieder nahe gelegt, sich scheiden zu lassen, was nach damaliger Rechtsauffassung ohne weitere Angabe von Gründen möglich gewesen wäre. Er verweigert. Es folgt eine dramatische Zeit für Moser, ständig getrieben von der Angst, seine Frau zu verlieren.
Ganz zu Anfang nehmen die beiden die Gefahr allerdings noch nicht wirklich ernst: Moser schickt Frau und Tochter zunächst für einige Wochen in den noblen italienischen Badeort Rimini. Seine Tochter wandert noch im selben Jahr mit ihrem Mann nach Argentinien aus. Im selben Sommer lässt sich Blanca in der Pfarre von Unter St. Veit katholisch taufen – eine völlige Fehleinschätzung, denn die Sondergesetze der Nazis betrafen „Jüdischstämmige“, also auch Blanca, die ab Oktober 1938 den Vermerk „J“ in ihrem Pass tragen muss.
Ohne ihr Wissen verfasst Hans Moser am 4. Oktober 1938 ein Gnadengesuch an Adolf Hitler (siehe Faksimile), in dem er „meinen Führer“ bittet, die Sondergesetze für seine Frau zu erlassen – der Brief erfüllt seinen Zweck, Blanca Moser werden als so genannter „Ehrenarierin“ vorläufig die Sonderbestimmungen erlassen.
Bereits beim ersten Wienbesuch von Propagandaminister Joseph Goebbels bestürmt Moser ihn, seiner Frau Schutz zu gewähren, was Goebbels am 13. Juni 1938 in seinem Tagebuch vermerkt: „Mittags hinauf zum Cobenzl. Unten liegt dieses herrliche Wien. Wir verbringen Mittag und Nachmittag in lustiger Künstlergesellschaft … ich beruhige Hans Moser, den man hier viel gespielt hat. Er weint vor Freude … und dann sitzen wir im Künstlerkreis in Grinzing in einem Garten, der Mond steht über mir, laue Sommerluft, die Geigen schluchzen. Hans Moser singt Heurigenlieder. Es ist eine unbeschreibliche Romantik. Heller Tag, als ich ins Hotel zurückkehre.“
Goebbels schien für Moser nicht viel übrig zu haben, erkannte aber den Nutzen des populären Schauspielers für seine eigenen Interessen, denn der Unterhaltungsfilm spielte neben der Kriegspropaganda eine – mit Fortschreiten der Kriegsjahre nach 1939 – immer wichtigere Rolle. „Schließlich ist das Kino und das Theater doch das Einzige geblieben, das dem kleinen Mann zur Erholung zur Verfügung steht“ (Goebbels).
Seine Filmengagements erhielt Moser fast ausschließlich von der „Wien-Film“, die sich im Gegensatz zu anderen Filmstudios auf leichte Unterhaltung spezialisiert hatte und bis zu Kriegsende trotz strenger Zensur produzierte.
Dabei ist generell anzumerken, dass es während des NS-Regimes immer wieder schwarze und weiße Künstlerlisten gab. Bereits 1938 ließ Reichskulturminister Joseph Goebbels eine Liste erstellen, die Künstlern eine Steuerbegünstigung von 40 Prozent ihres Einkommens einräumte. Spätere UK-Listen („unabkömmlich“ = Wehrdiensterlass) zeigen, dass diese Listen nicht nur politische Sympathisanten begünstigten, sondern dass offenbar auch Darsteller „reiner“ Unterhaltung als systembewahrend und für das System als „schmückend“ eingestuft wurden – ein Kriterium war dabei ihr finanzieller Erfolg, das Jahreseinkommen lag dabei bei 100.000 Reichsmark.
Moser selbst war einer der Spitzenverdiener des deutschen Films. Auf einer der Präferenzlisten wird seine Tagesgage mit 2.000 Reichsmark angegeben, er wird dabei nur von Heinrich George und Eugen Klöpfer übertroffen. Einen Teil seiner Gage – das ließ er sich vertraglich festschreiben – überwies er jeweils an seine Frau, die inzwischen nach Budapest geflüchtet war. Dass Moser sehr unter der Trennung litt, belegen Briefe und Aussagen seiner Freunde. So berichtet sein Filmpartner Fritz Imhoff: „Am Abend nach den Filmaufnahmen sind wir in einem Restaurant am Kurfürstendamm gesessen. Der Hans hat immer wieder von seiner Blanca gesprochen, war furchtbar traurig, und plötzlich sind ihm die Tränen gekommen und er hat geweint.“ Immer wieder fährt er nach Budapest, um sie in dem kleinen Hotel zu treffen, in dem sie die Jahre verbringt.
Am 19. März 1944 schließlich soll in Ungarn eine deutsche Militärdiktatur errichtet werden, Adolf Eichmann reist persönlich nach Budapest, um die „größte und schnellste Einzelaktion“ der „Endlösung“ zu organisieren – eine halbe Million ungarischer Juden wird nach Auschwitz deportiert. Ein bemerkenswertes Dokument an das Auswärtige Amt Berlin vom 4. April 1944 stellt unter „Betrifft: Schauspieler Hans Moser“ fest: „Der Obengenannte gehört zu jenen Personen, die aufgrund allerhöchster Entscheidung vor allen möglichen beabsichtigten Maßnahmen zur weiteren Säuberung unseres Volkes von Angehörigen der jüdischen Rasse auszunehmen sind …“, die Botschaft daher angewiesen, „die zuständige ungarische Stelle in Kenntnis zu setzen, damit von dort aus gegen die Ehefrau des Genannten keine diesbezüglichen Schritte unternommen werden können“.
Im Oktober 1944 nimmt Moser nach fünfjähriger Trennung seine Frau an der ungarischen Grenze in Empfang. Moser lebt bis zu seinem Tod im Juni 1964 mit seiner Frau Blanca in Wien, Blanca stirbt zehn Jahre später. Mosers Filmkarriere geht nach dem Krieg unermüdlich weiter, er spielt in zahlreichen Filmen mit, wobei ihn kaum Drehbuch oder Regisseur interessiert. Er bringt es zwischen 1921 und 1963 auf insgesamt 150 Filme und zu einem nicht unbeträchtlichen Vermögen.
Freunde Mosers jedoch berichten, dass die Tragödie um Blanca, die fünf Jahre der Demütigung, Angst und Einsamkeit, Hans Moser innerlich gebrochen haben.
Literatur:
• Beckermann, Ruth/Blümlinger, Christa (Hg.): Ohne Untertitel – Fragmente einer Geschichte des österreichischen Kinos, Wien 1996
• Kresse, Dodo/Horvath, Michael: Nur ein Komödiant? Hans Moser in den Jahren 1938 bis 1945, Wien 1994
• Markus, Georg: Hans Moser – Der Nachlass, Wien 1989
• Rathkolb, Oliver: Führertreu und gottbegnadet – Künstlereliten im Dritten Reich, Wien 1991