Die Albin Egger-Lienz-Ausstellung im Leopoldmuseum sorgt für Empörung, weil dort Bilder gezeigt werden, die Juden abgepresst worden sein sollen. Dabei sind das längst nicht die einzigen Fälle. Ein Dossier zum Thema Raubkunst.
Von Sophie Lillie
Als „wahrscheinlich größte Präsentation von Raubkunst in Österreich seit vielen Jahren“ bezeichnet Wolfgang Zinggl, Kultursprecher der Grünen im Nationalrat, die Retrospektive von Werken des Tiroler Meisters Albin Egger-Lienz, die am 15. Februar im Leopold Museum eröffnet wurde. Die Israelitische Kultusgemeinde hakte nach, und präsentierte Anfang März ein von ihr beauftragtes Rechtsgutachten des Salzburger Juristen Georg Graf, das den rechtlichen Rahmen für Restitutionsansprüche gegen das Museum ausloten sollte. Das Graf- Gutachten nennt elf Bilder, darunter Egon Schieles „Wally“ und „Häuser am Meer“, von denen Leopold „wusste oder wissen musste“, dass es sich um ursprünglich entzogene Gegenstände handelt.
Andreas Nödl, der Anwalt des Museumsgründers Rudolf Leopold und einer von acht Vorstandmitgliedern der Leopold Museum- Privatstiftung, sprach sich in einer ersten Reaktion gegen die Anwendung des Kunstrückgabegesetzes auf die Sammlung Leopold aus: dies käme einer „Enteignung“ gleich. Diese wäre aber unzulässig, da der Kunstrückgabebeirat kein faires Verfahren garantiere und die sachliche Rechtfertigung „zumindest sehr zweifelhaft“ sei. Zudem könne der Bund nicht entschädigungslos in Eigentumsverhältnisse Dritter eingreifen. Eine institutionelle Verantwortung zur Rückgabe wies Nödl kategorisch zurück: Es gäbe „keine moralische Verpflichtung, Sachen zu verschenken.“
Dass es Rückstellungswerbern „nur ums Geld“ ginge, hatte Leopold zuvor im Interview mit der Wochenzeitung „Falter“ behauptet: „Kaum hat die Familie Rothschild die Kunstwerke bekommen, sind sie sofort bei Christie’s versteigert worden“, so der Kunstkenner. Aussagen wie diese will die Privatstiftung lediglich als Zeichen der „Emotionalität“ des um „seine“ Bilder bangenden Sammlers verstanden wissen. IKGPräsident Ariel Muzicant aber sprach von einer „Verhöhnung der Opfer“ und verlangte die Schließung des Leopold Museums bis zur Klärung von Restitutionsansprüchen – eine Forderung, die Anwalt Nödl als „rechtsgrundlos“ und „grobschlächtig“ zurückwies.
„Leopolds verkrampfte Vehemenz gibt kund, dass an den Anschuldigungen etwas dran ist,“ behauptet Zinggl. Er ist sich sicher, dass Leopolds mediale Auftritte der eigenen Sache schaden. Die Einladung zu einem Gespräch mit NU lehnte Rudolf Leopold ab; das Museum teilte auf Anfrage mit, den Medien nicht zur Verfügung zu stehen. Die Tageszeitung „Die Presse“ konnte den Sammler dennoch zu einem Interview überzeugen. Dort sagte er: „Es gibt keinen von Muzicant vorgebrachten Fall, der stimmt“
Auf den eigentlichen Vorwurf, das Museum stelle „Raubkunst“ aus, hat das Museum bislang inhaltlich nicht reagiert. Zwölf der insgesamt vierzehn von Zinggl als „Raubkunst“ titulierten Bilder sind Leihgaben – und für deren Provenienzen seien alleine die Leihgeber verantwortlich, heißt es dazu aus dem Leopold Museum.
Nur zwei bedenkliche Exponate gehören tatsächlich der Privatstiftung: „Waldinneres“ und „Nach dem Friedenschluss“, beide stammend aus der Sammlung des 1942 in Auschwitz ermordeten Wiener Lederhändlers Georg Duschinsky. Um deren Wiederauffindung bemühte sich nach 1945 Duschinskys nach England geflüchteter Sohn Ernst, der als einziger den Holocaust überlebt hatte (Mutter Erna kam 1941 in Minsk um). Der Großteil der Gegenstände, die die Nationalsozialisten 1938 aus der Döblinger Villa sichergestellt hatten, blieb verschollen. Ein in der Salzburger Residenz eingelagertes Egger-Lienz-Bild, Vorfrühling, wurde 1949 rückgestellt und gelangte in den Kunsthandel (es ist als Leihgabe aus westösterreichischem Privatbesitz ebenfalls in der aktuellen Ausstellung zu sehen).
„Waldinneres“ und „Friedensschluss“ fanden sich in Besitz der Kärntner Landesregierung, gemeinsam mit einem dritten, „Totentanz“. Im Zuge des Rückstellungsprozesses 1952 geriet Duschinsky zunehmend unter Druck, die Bilder Kärnten zu überlassen. Noch während des laufenden Verfahrens unterbreitete Kärnten ein Kaufangebot. Gleichzeitig versuchte die Landesregierung, bei der Finanzlandesdirektion zu intervenieren, um das Verfahren bis nach Abschluss der Kaufverhandlungen aussetzen zu lassen. Um dem Angebot den nötigen Nachdruck zu geben – Kärnten bot 500 Schilling für „Waldinneres“, 2.000 für „Friedensschluss“ und 10.000 für den „Totentanz“ – stellte die Landesregierung ihrerseits Kostenersatz für Depotkosten von 3.000 Schilling in Rechung. Als Duschinsky die Bilder Mitte 1952 zugesprochen bekam, sah er sich mit einer Rückzahlung in der Höhe von einem Drittel des Schätzwertes der Bilder konfrontiert. Gleichzeitig hatte er keine Aussicht, für die Bilder eine Ausfuhrbewilligung aus Österreich zu erhalten.
Duschinsky hätte also sein Eigentum auslösen müssen, ohne darüber frei verfügen zu können. Für den Wiener Rechtsanwalt und Restitutionsexperten Alfred J. Noll, der die Duschinsky-Erben vertritt, ist der Fall eindeutig: „Für Duschinsky gab es keine andere Wahl, als die drei Bilder zu verkaufen.“ Totentanz befindet sich bis heute in der Schausammlung des Kärntner Landesmuseums. Waldinneres und Friedensschluss tauschte Kärnten später gegen ein Anton Kolig-Selbstporträt aus der Sammlung Leopold ein. Für das Leopold Museum ist diese Provenienz scheinbar unbedenklich: der aus dem Jahr 2003 stammende Provenienzdatenbankeintrag wurde für die Ausstellung nicht überarbeitet. Seit der New Yorker Beschlagnahme zweier Bilder aus der Sammlung Leopold, die 1998 Anlass für die Schaffung des Bundesgesetzes über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Bundesmuseen und öffentlichen Sammlungen gab, wurden immer wieder zweifelhafte Sammlungsbestände bekannt.
Zu den prominentesten Fällen gehört das Schiele-Bild „Häuser am Meer“ aus der ehemaligen Sammlung Jenny Steiner in Wien. Zwecks Einbringung der sogenannten „Reichsfluchtsteuer“ wurde das Bild 1938 vom Finanzamt gepfändet. 1940, bei der Zwangsversteigerung durch das Wiener Auktionshaus Dorotheum, fand das Bild vorerst keinen Käufer. Erst bei seiner neuerlichen Ausbietung 1941 wurde das Bild von einem gewissen Johann Ernst gekauft. Dessen Sohn verkaufte das Bild in den fünfziger Jahren an Leopold.
„Ein Anspruch auf Rückstellung besteht nicht“ sagt Anwalt Nödl. „Die Tochter von Jenny Steiner hat im Übrigen nach dem Krieg eine Rückstellung dieses Bildes nicht begehrt“ schreibt Robert Holzbauer, Provenienzforscher des Leopold Museums, Anfang März in einem Kommentar in den „Salzburger Nachrichten“. Ein Vorwurf, den Nödl in einem Presse-Interview am 10. März wiederholt: „Frau Steiner forderte nach dem Krieg u. a. einen Degas züruck. Den hat sie auch bekommen. Das Schiele-Bild aber ließ sie liegen, sie wollte keine Rückstellung.“ Nödl verschweigt aber, dass NS-Opfer in Österreich nur die Rückstellung solcher Gegenstände beantragen konnten, deren physischen Aufbewahrungsort sie kannten. Ein Antrag Steiner hätte nur gegen Ernst persönlich, nicht aber gegen unbekannt geltend gemacht werden können. Die Einräumung einer, wie er es nennt „zweiten Chance“ für NS-Opfer lehnt Nödl entschieden ab. „Sowohl sachlich wie auch in Anbetracht der Wertsteigerung“ wäre eine Neuaufrollung von Rückstellungsansprüchen nicht gerechtfertigt, ließ er im Rahmen einer Pressekonferenz Mitte März wissen.
Der Vorwurf eines fehlenden Rückstellungsantrages nennt Restitutionsexperte Noll ein „Scheinargument“, das am historischen Umstand des Diebstahls nichts ändere: „Leute, die nach 1945 zuwenig Zuversicht oder aufgrund der Rechtslage keine Möglichkeit hatten, um einen Rückstellungsantrag zu stellen, sollte man historisch nicht noch einmal bestrafen, indem man dies nachträglich als Verzicht auf ihr Eigentumsrecht wertet.“ Für Noll, der auch Jenny Steiners Enkelin als Mandantin vertritt, ist unzweifelhaft, dass das Schiele-Bild längst restituiert worden wäre, befände es sich nicht im Leopold, sondern in einem Bundesmuseum – einer Rechtsmeinung, dem sich das Graf- Gutachten anschließt. Noll verweist auf das ebenfalls aus der Sammlung Steiner stammende Klimt-Bild „Landhaus am Attersee“, das bereits 2001 vom Belvedere restituiert wurde.
Leopold hat wiederholt behauptet, nicht gewusst zu haben, dass es sich bei „Häuser am Meer“ um Raubkunst handelt, bzw. bei dessen Eigentümerin um eine „rassisch Verfolgte“ (Zitat Leopold). Gleichzeitig aber rühmt sich der Sammler seiner fast detektivischen Akribie im Aufspüren von Kunstgegenständen. Die Besitzangaben in dem 1930 erschienenen Schiele-Werksverzeichnis von Otto Kallir-Nirenstein bezeichnet Leopold in seiner Biographie als „halb mythologische Sammlung von Orakelsprüchen“, die ihn auf seiner Suche nach bedeutenden Gemälden stets begleitete.
Leopold gefällt sich in der Rolle des „Entdeckers“ Schieles. In seiner 1972 erschienenen Schiele-Monographie äußert er sich abschätzig über die frühen Mäzene des Künstlers. Oskar Reichel, einer der wichtigsten Sammler zeitgenössischer Kunst, beschreibt er als Millionär ohne großes „Gespür“, der nur zu Niedrigstpreisen kaufte. Unverständnis für Schieles expressive Motive sagt Leopold auch dem 1942 in Theresienstadt umgekommenen Zahnarzt Heinrich Rieger nach. Durch Riegers Entgegenkommen, sich von Künstler seine Arzthonorare in Bildern zahlen zu lassen, hatte es Rieger bis zu den dreißiger Jahren zu einer der größten Sammlungen moderner Kunst gebracht. Am unschmeichelhaftesten ist aber Leopolds Kritik an Schieles ersten Monographen Otto Kallir-Nirenstein. Dem 1938 nach New York geflüchteten Kunsthändler widmet Leopold in seiner Biografie ein eigenes Kapitel – bezeichnet als „Geschichte einer Feindschaft“.
Als „einzige Ratgeber“ nennt Leopold in seiner Biographie den Kunsthändler Franz Kieslinger, ehemals Schätzmeister der NSVermögensverkehrsstelle, und Bruno Grimschitz, den 1938 von den Nazis bestellten kommissarischen Leiter des Belvederes. Dass beide ehemalige Nationalsozialisten waren, soll Leopold „nur am Rande“ gestört haben: „Sie waren eben national eingestellt… aber lange nicht so borniert wie die üblichen Nazis.“ Auch die Entdeckung von Egger-Lienz führt Leopold zurück auf seine eigene Sammeltätigkeit als „wichtigster Kunstsammler Österreichs im zwanzigsten Jahrhundert“, wie er sich selbst im aktuellen Ausstellungskatalog beschreibt. Leopold: „Der erste Sammler war der Wiener Franz Hauer, der Wirt des ‚Griechenbeisl’, und der nächste Sammler, nach dem Zweiten Weltkrieg, das war ich selbst.“ Die vielen jüdischen Egger- Lienz-Sammler verschweigt Leopold. Ein Blick in das 1930 erschienene Egger-Lienz-Werkverzeichnis von Heinrich Hammer gibt ein differenzierteres Bild. Neben Duschinsky finden sich u a. die zahlreichen Werke des Strickwarenfabrikanten Bernhard Altmann bzw. des Wiener Architekten Oskar Neumann. Aus dessen Sammlung stammt etwa Mann und Weib – ein Hauptexponat der Leopold-Ausstellung – das 1939 als Leihgabe Adolf Hitlers an das Kärntner Landesmuseum ging.
Egger-Lienz tauchte seit 2001 immer wieder in Zusammenhang mit Rückstellungsansprüchen gegen das Leopold Museum auf. Damals wurde Leopold von der in Canada lebenden Tochter des Wiener Salamifabrikanten Moric Pick geklagt, die das Bild „Sensendengler“ als Eigentum ihres in Bergen-Belsen ermordeten Vaters zu erkennen meinte. Im Prozeß gab Leopold zu Protokoll, Egger-Lienz habe „nicht dem durchschnittlichen Geschmack von jüdischen Sammlern entsprochen, sie empfanden ihn als zu bäuerlich und zu derb“. Damals widmete Thomas Trenkler, Kulturredakteur der Tageszeitung „Der Standard“ und NU-Mitarbeiter, Leopolds Sager vom „durchschnittlichen jüdischen Geschmack“ ausführliche Recherchen („Das Gieren nach Albin Egger-Lienz“ erschien am 21. Oktober 2001). Leopolds Verleumdungsklage gegen Trenkler endete schließlich im Vergleich.
Trotz großer Publizität, die Egger- Lienz-Bilder in der Restitutionsdebatte immer wieder gehabt haben, fehlen im Ausstellungskatalog detaillierte Provenienzen zu den einzelnen Bildern. Somit bleibt auch die Geschichte solcher Gegenstände undokumentiert, die nach 1945 restituiert wurden. Etwa die Herkunft des Hauptwerkes „Die Mütter“ in der Sammlung Adolf Hochstim, dessen Zeitschriftenverlag „Österreichische Kunst“ Hitlers Leibfotograf Heinrich Hoffmann 1938 übernahm und als Kunst dem Volk bis 1944 weiterführte. Oder der Ursprung des Blattes Die Mutter des Künstlers, Maria Trojer in der Sammlung des Riemenfabrikanten Otto Brill. Nach dessen Restitution durch die Albertina kaufte Leopold das Bild 2006 im Auktionshaus „Im Kinsky“ um einen Rekordpreis.
„Die Provenienzen der Werke des Leopold Museums sind im Internet nachzulesen, bei eventuellen Ansprüchen sind wir jederzeit bereit, darüber zu diskutieren“, schreibt Elisabeth Leopold, die Frau des Sammlers, in einem Kommentar in „Der Standard“. Die logische Konsequenz der Provenienzforschung hat das Museum bislang nicht wahrgenommen: innerhalb der letzten zehn Jahre hat das Museum kein einziges seiner rund 5.500 Objekte zählende Sammlung restituiert. Rund drei Millionen Euro kostete den Steuerzahler bis dato der seit 1998 dauernde Prozess um Schieles „Wally“, das von den Erben der ehemaligen Besitzerin der Galerie Würthle, Lea Bondi Jaray, beansprucht wird. Um die Frage der Einbeziehung des Leopold-Museums unter das Kunstrückgabegesetz zu überprüfen, beauftragte die Privatstiftung Gutachten der Juristen Theo Öhlinger und Helmut Koziol.
Kommentarlos entnimmt man der Provenienzdatenbank, dass zwei Anton Romako-Bilder, „Gräfin Kuefstein“ an der Staffelei und „Burg Greilleinstein“, aus der Sammlung Moriz Eisler 1941 durch die Gestapo in Brünn entzogenen wurden. Weitere drei Romakos, liest man, stammen aus der bereits erwähnten Sammlung des 1943 im Greisenheim der Israelitischen Kultusgemeinde verstorbenen Oskar Reichel. Diese Bilder, die Leopold vermutlich 1952 über den Kunsthändler Wolfgang Gurlitt erwarb, erwähnt Graf in seinem Gutachten: „Akt eines jungen Mädchens“, „Nike mit Kranz“ und „Die Quelle“.
Fragen wirft aber auch ein viertes Romako-Bild, „Faun mit Nymphe“, auf, das Leopold 1976 im Dorotheum kaufte. 1992 war dieses Bild im Belvedere ausgestellt, mit dem Hinweis, es handle sich um Nr. 258 des Romako-Werkverzeichnis von Fritz Novotny – und somit um ein Bild aus der Sammlung Reichel, das 1942 beim Dorotheum zur Zwangsversteigerung eingebracht, vor der Auktion aber zurückgezogen wurde, um dessen Erwerb durch das sogenannte „Führermuseum“ zu ermöglichen. 16 Jahre später gilt dieses Bild laut Darstellung des Leopold Museum aber nur mehr als „Variation“ von Nr. 258 – trotz frappierender Ähnlichkeit von Bildausführung und Maßen.
Der Fall Reichel zieht derzeit immer größere Kreise. Denn auch das Lentos Museum in Linz besitzt mehrere Reichel-Romakos, darunter die Bilder „Nächtlicher Kampf“ und „Mädchen mit Früchten“. Zu den über das Dorotheum zwangsversteigerten Reichel-Bildern gehört vermutlich auch das 1884 entstandene Bildnis einer Südfranzösischen Bäuerin in der Sammlung des Steirischen Landesmuseums Joanneum. Eine Forderung von Reichels Erbin auf Rückgabe des Oskar Kokoschka-Bildes „Tanzendes Paar“ besteht aktuell gegen das Bostoner Museum of Fine Arts. Ende Jänner klagte das Museum auf Feststellung seines Eigentumsrechts. Um Rückstellungsansprüche abzuwenden, enden immer mehr Fälle vor Gericht. Als Sotheby’s sich kürzlich weigerte, zwei Blätter aus Leopolds Privatsammlung zu verkaufen, da unklar war, ob diese aus der Sammlung Rieger stammen könnten, klagte Leopold das Auktionshaus.
„Mit jedem Tag, mit dem die Bundesministerin zuwartet, das richtige zu tun, untergräbt sie ihr öffentliches Ansehen“, meint Noll im Gespräch mit NU. Konkret fordert Noll die Erweiterung der Anwendung des Kunstrückgabegesetzes auf alle Institutionen, die maßgeblich durch Bundesmittel errichtet wurden. Um den Druck auf die Stiftung zu erhalten, empfiehlt der Wiener Anwalt, die Republik solle ihr Nominierungsrecht für den Stiftungsvorstand aussetzen und alle Zuwendungen für das Museum sistieren. Diese sollte sie erst dann wieder aufnehmen, wenn die Stiftung analog den Bestimmungen des Bundesrestitutionsgesetzes „für Ordnung im Haus sorgt“.
Auch die Historikerin Eva Blimlinger, die seit Anfang März für die wissenschaftliche Koordination der Kommission für Provenienzforschung zuständig und Ersatzmitglied im Kunstrückgabebeirat ist, sieht die Möglichkeit, dass die Republik ihre Zahlungen an das Leopold Museum unterlässt, wenn durch diese „Prozesse finanziert werden, mit dem Ziel, nur ja nichts zurückzugeben.“ Die „radikalste Lösung“, so Blimlinger, wäre ein Gesetz, dass sämtliches ehemals entzogene Vermögen, das sich heute in Privateigentum befindet, für rückgabepflichtig erklärt. Eine derartige Regelung hätte den Vorteil, keine „Lex Leopold“, also ein alleine auf die Privatstiftung zugeschnittenes Anlassgesetz, zu sein.
In einer Novelle des Bundesgesetzes, so Blimlinger, sollten einzelne Tatbestände und der Gültigkeitsbereich des Bundesgesetzes ausgeweitet werden – z.B. um solche Objekte einzubeziehen, die zwar nicht unentgeltlich, dafür aber unter Bezahlung eines unverhältnismäßig niedrigen Betrages erworben wurden. Auch sollte das Gesetz auf alle in Bundeseigentum befindlichen Gegenstände ausgeweitet werden, statt die Rückgabepflicht auf Bundesmuseen zu beschränken. Präzedenzfall war ein Egger- Lienz-Bild aus der Sammlung Lothar Egger-Möllwald, dessen Rückgabe im Dezember 2007 empfohlen wurde, obwohl sich das Bild nicht in einem Bundesmuseum sondern im Finanzamt Hollabrunn befand. Schon damals argumentierte der Beirat, dass der Gesetzgeber größeres Gewicht darauf zu legen hätte, bestehendes Bundeseigentum an entzogenen Kunstgegenständen aufzuheben, als auf den konkreten Standort. „Hätte der Gesetzgeber Fälle, wie den hier vorliegenden bedacht, so hätte er mit Sicherheit eine umfassendere Formulierung für den derzeit gegebenen Unterbringungsort gewählt“, so das Beiratserkenntnis.
Ende März präsentierte Bundesministerin Schmied ein Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Restitution auf Bundesebene. Dieses zielt auf eine Novelle des Kunstrückgabegesetzes, eine Neustrukturierung der Aufgabenteilung zwischen Kulturministerium, Restitutionsbeirat und der Kommission für Provenienzforschung sowie eine Regelung der Restitutions-angelegenheiten des Leopold Museums. Schmied bestätigte ihr politisches Ziel, hinsichtlich der Privatstiftung „Klarheit zu schaffen“ und eine „Lösung zu erarbeiten“.Für Stiftungsvorstand Nödl ist ein Gesetz, das das Leopold Museum zur Restitution verpflichte „aus eigentumsund verfassungsrechtlichen Gründen problematisch“. „Sollte es aber zu einer höchstgerichtlichen Judikatur kommen, wird man sich dieser beugen“, so Nödl.
Eine von der Ministerin einberufene interministerielle Arbeitsgruppe soll bis Sommer erste konkrete Ergebnisse liefern. Gleichzeitig will die Ministerin zwei vom Bund bezahlte Provenienzforscher einsetzen, um in einem zwei-jährigen Verfahren die Museumsbestände einer unabhängigen Prüfung unterziehen. „Durch diesen wichtigen Schritt können wir eine Objektivierung der Debatte erreichen“, hofft Schmied. Auf dem von Schmied vorgezeichneten Weg einer „Versachlichung der Diskussion“, will Leopold „mitgehen“, verkündete er noch am gleichen Tag.