Die Feinde Israels

© KURIER/Gerhard Deutsch

Der Schabbat vor Purim hat eine besondere Toralesung, in der wir an ein geschichtliches Ereignis erinnert werden. Es war nach dem Auszug aus Ägypten, als die Israeliten durch die Wüste wanderten und von einem Volk Amalek angegriffen wurden. In der biblischen Erzählung sucht man einen Grund für diesen Überfall. Mein seliger Vater, Oberrabbiner Akiba Eisenberg, erklärte mir, dass es eigentlich keinen Grund für diesen Angriff gab und dieses Volk eigentlich aus reinem bösen Willen die Israeliten verfolgt habe. Man findet nur in der Beschreibung verhüllte Gründe, die eigentlich keine sind. Ein Grund für eine Attacke findet man oft in territorialen Interessen. Der erste Vers dieser Geschichte beweist, dass dies hier nicht der Fall war. Es heißt hier in der Devarim 25: „Gedenke was dir Amalek getan auf dem Wege bei eurem Auszug aus Mizraim (Ägypten).“

Wir hatten damals kein Land, wir waren auf dem Weg in der Wüste und ein Sieg bei diesem Angriff hätte den Angreifern kein Territorium gebracht. „Auf dem Wege … es schlug (das Volk) alle Schwachen in deinem Zug, du aber warst matt und müde.“ Hier kann ein Grund für diesen Überfall gefunden werden, dass sie nämlich glaubten, stärker und so dem jüdischen Volk überlegen zu sein. Dann heißt es: „Sie waren nicht gottesfürchtig.“ Hier sagen manche, dass sich dies auf die Amalekiten bezieht, aber andere meinen, dass dies ein dritter Grund für einen Angriff sei und es sich damals um die Israeliten handelte. Immerhin war dieser Angriff noch vor der Offenbarung am Berge Sinai, in der wir die zehn Gebote und die Tora erhalten haben, und man könnte dies auf folgende Weise erklären: Möglicherweise ist ein Glaubenskampf der Grund für einen Angriff, aber hier gab es den noch nicht. Die Stelle, die im fünften Buch Moses Devarim im Detail berichtet wird, endet mit einem strengen Wort des Ewigen. Es heißt da (Devarim 25): „Und es soll geschehen, wenn der Ewige dein Gott dir Ruhe schafft und all deinen Feinden ringsherum, in dem Lande, das der Ewige dir als Besitz gibt, sollst du das Gedächtnis Amaleks auslöschen.“ Dann heißt es noch „Vergiss nicht!“ Rabbiner Dr. Joseph Herz, Oberrabbiner von Großbritannien vor dem Zweiten Weltkrieg, beendet seine Auslegung mit den Worten: „Ein Volk so bar jeder natürlichen Religiosität, dass es Unbewaffnete ermordet, hat jedes Anrecht auf Gnade verwirkt.“ ‚Vergiss nicht‘ kann auch heißen, die anderen Völker werden es dich nicht vergessen lassen, dass du schwach und Angriffen ausgesetzt bist.

Wir Juden haben drei Stammväter, Abraham, Yitzhak und Yaakov. Der Dritte, der uns zeitlich am nächsten ist, war Yaakov, einer der beiden Söhne von Yitzhak und Rifka. Rifka war schwanger mit zwei Babys und die Tora sagt uns in Bereshit 6,22f (Übersetzung Oberrabbiner Herz): „Als aber die Kinder sich stießen in ihrem Leibe, und sie befürchtete, dass etwas passieren könnte, ging sie, um den Ewigen zu befragen und er sprach zu ihr: Zwei Völker sind in deinem Leibe … und zwei Stämme werden sich aus deinem Schoße kommen und ein Stamm wird mächtiger sein als der andere und der ältere wird dienen dem jüngeren.“ Danach kamen die beiden Kinder hintereinander zur Welt, der erste hieß Esav, und danach kam sein Bruder heraus und hielt sich an der Ferse Esavs fest und man nannte ihn Yaakov.

Hier finden wir einen Ursprung für den Zwist zwischen Yaakovs Nachfolgern und denen von Esav. Esav wurde ein Jäger und Yaakov saß im Zelt, welches die Rabbiner des Midrasch auslegten, dass Yaakov im Zelt der Tora zum Studium blieb. Als Yitzhak alt wurde wollte er seine Söhne segnen und es kam zu dem bekannten Ereignis, dass Yitzhak Yaakov als ersten segnete. Vers 27, 41: „und Esav fasste einen Groll wie der Yaakov auf den erstgeborenen Segen und sprach in seinem Herzen: Es werden herankommen die Tage der Trauer um meinen Vater, dann will ich erschlagen Yaakov meinen Bruder.“ Um dies zu vermeiden, schickte Rifka Yaakov zu ihrem Bruder Lavan. Als Yaakov nach längerer Zeit mit Frauen und Kindern zurückkehrte, da wurde er in einer Nacht von einem Menschen (Engel) angegriffen, den er besiegte noch bevor er Esav begegnete. Nachdem er diesen überwunden hatte, sprach dieser zu ihm: „Nicht Yaakov heiße fortan dein Name, sondern Israel, denn du hast gekämpft mit himmlischen Wesen und mit Menschen und hast gesiegt.“ An dieser Stelle beenden wir die Vorgeschichte des jüdischen Volkes. Die beiden Namen, die unser Urvater erhielt, waren Yaakov, der die Ferse symbolisiert und Israel, der den siegreichen Kampf symbolisiert.

Als der Staat Israel gegründet wurde, war es noch nicht sicher, welchen Namen er tragen würde. Der erste Ministerpräsident Israels, entschied sich für den Namen Israel, weil er damit sagen wollte, dass der Ewige uns beschützen wird. Dies geschah bekanntlich nach der Schoa. Im Laufe der fast 2000-jährigen Diaspora war das jüdische Volk in vielen Ländern zwar den dortigen Herrschern loyal, aber immer wieder wurden sie mit falschen Beschuldigungen bezichtigt und verfolgt und oft auch aus dem Lande vertrieben oder sogar ermordet. Wir erinnern uns an die Kreuzzüge, die Inquisition, die Vertreibungen aus Spanien und Portugal, die Pogrome im Mittelalter, die Vertreibungen aus Österreich, die Massaker in Russland.  Der Höhepunkt der Verfolgung war vor 75 Jahren die Schoa, in der bekanntlich neben anderen Menschen 6 Millionen Juden ermordet wurden. 1948 erfolgte die großflächige Vertreibung von einer Million Jüdinnen und Juden aus den arabischen Ländern. Wenn auch Theodor Herzl der Prophet des jüdischen Staates vor der Schoa lebte, so befürchtete er doch eine massive Verfolgung der jüdischen Menschen, die dann leider auch passierte. Es ist daher kein Wunder, dass Juden in Israel aber auch in der Diaspora von dem grausamen Attentat am 7. Oktober 2023 erschüttert waren. Heute gibt es das Land Israel, das einzige demokratische Land im Nahen Osten, das über Verteidigungskräfte verfügt.

In einem Gebetbuch, welches ich vor etwa zehn Jahren zusammengestellt habe, habe ich das Gebet meines Vaters erwähnt, in dem es heißt: „Wir beten für die Republik Österreich, ihr Staatsoberhaupt und ihre Regierung. Mögen sie ihr verantwortungsvolles Amt zum Wohle des Volkes ausüben. Gewähre dem Heiligen Lande Israel und der ganzen Menschheit Deinen langersehnten Frieden. Wir wissen, Ewiger, dass auch wir aufgerufen sind, segensreich zu wirken, wie es in der Tora heißt: ‚Ich, der Ewige, werde dich segnen bei allem, was du tust.‘ Gewähre uns die Kraft, unserer Aufgabe gerecht zu werden und die Menschheit ihrer Erlösung näher zu führen. Du aber erfülle die prophetische Verheißung, den Krieg zu bannen und die Erlösung für Israel und die gesamte Menschheit zu bringen. Möge dies Dein Wille sein, Vater im Himmel, Amen.“

In diesem Sinne hoffen wir, dass unsere Geiseln möglichst bald befreit werden, wir den Krieg siegreich beenden können und dass uns Frieden beschieden wird.

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