US-amerikanische Universitäten und der Krieg zwischen Israel und Hamas.
Von Deborah Engelberg
Was sich derzeit an den amerikanischen Universitäten tut, kann man durchaus als dritte Front des Krieges zwischen der Hamas und Israel bezeichnen. An vielen Universitäten herrscht seit langem Skepsis gegenüber Israel vor. Die Brandeis University, an der ich studiere, war davon bisher zwar nicht ausgenommen, doch gab es kaum antiisraelische Stimmungsmache. Immerhin war sie 1948 als nichtkonfessionelle Universität mit Unterstützung der amerikanisch-jüdischen Gemeinschaft gegründet worden und erhielt den Titel der „Jewish Ivy-League” Universität.
Das Massaker an Israelis durch die Hamas offenbarte eine verstörende Wahrheit an amerikanischen Universitäten: Schweigen kann genauso ohrenbetäubend sein wie die lautesten Rufe nach Gerechtigkeit für Israel. Dieses Schweigen und die Rufe zugleich waren an meiner Universität, der Brandeis University, zu finden: Das Schweigen kam von der Studentenvereinigung, die Rufe von der Universitätsleitung. Am Tag des Massakers gab unser Präsident sofort eine Stellungnahme ab, in der er sich klar und offen im Namen der gesamten Universität auf die Seite Israels stellte.
Die Sitzung der Studierendenvereinigung (Senate) von Brandeis nahm jedoch eine ganz andere Wendung. Insgesamt 21 Senatoren, so heißen die Studentenvertreterinnen und -vertreter, trafen zusammen, um eine eigene Stellungnahme abzugeben. Es kam zu heftigen Debatten. Als „International Student Senator“ musste ich mitanhören, wie meine Kolleginnen und Kollegen aus der Studentenschaft (einschließlich Jüdinnen und Juden) die Verurteilung des Terrorismus unter anderem als „zu politisch“ bezeichneten. Die Mehrheit lehnte es ab, in einer Resolution das Massaker der Hamas an israelischen Zivilisten zu verurteilen: zehn waren dagegen, sechs waren dafür, fünf enthielten sich der Stimme. Ich erstarrte vor Schock, denn ich gehörte zur Minderheit. Als eine von sechs Senatoren hatte ich für die Resolution gestimmt. Sie hätte neben einer Verurteilung der Hamas und der Aufforderung zur Freilassung der mehr als 200 israelischen Geiseln ausdrücklich Empathie gegenüber der palästinensisch-islamischen Gemeinschaft ausgedrückt, sowie zu Toleranz und informierten Diskussionen zwischen allen Studierenden an der Universität aufgerufen.
Die Ablehnung der Resolution hat inzwischen für weltweite Schlagzeilen gesorgt, mittlerweile haben 1.600 Mitglieder von Brandeis in einem offenen Brief den Terror der Hamas verurteilt und die Ablehnung als moralische Beschmutzung bezeichnet.
Drei Gründe
Die Haltung unserer Studierendenvereinigung gleicht nun bedauerlicherweise der jeder anderen nicht-jüdischen Universität in ganz Amerika. Ich führe das auf drei Gründe zurück: die Woke-Ära, den impliziten Antisemitismus und den Konsum voreingenommener Medien. Beim Thema „Woke“ geht es oft darum, die am meisten unterdrückten Teile der Gesellschaft zu suchen. Hier wird die Behauptung aufgestellt, dass die Israelis durch ihre Politik gegenüber den Palästinensern selbst Schuld an dem Massaker tragen. Trotz der unvorstellbar brutalen Morde an 1.400 israelischen Zivilisten, Kindern, Frauen, Männern steht man an der Seite der Palästinenser, was an dem impliziten Antisemitismus liegt, der wiederum oft von einseitigen Medienquellen genährt wird, vor allem von sozialen Medien. Die Social-Media-Seiten, die Israel in der Woche des 7.Oktober schlecht dargestellt haben, sind dieselben, die Israel als Apartheid-oder Genozidstaat bezeichnen und häufig antisemitische Rhetorik gebrauchen. Hier herrscht der Slogan „From the river to the sea, palestine must be free“ vor, was bedeutet, dass Israel als Staat verschwinden und Jüdinnen und Juden dort keinen Platz mehr haben sollen.
Unterdrückende Worte
Universitäten in ganz Amerika werden immer mehr zu einem Umfeld der Überempfindlichkeit. Es herrscht eine Überwachung der Meinungsfreiheit aufgrund von Mikroaggressionen vor, aber Antizionismus und Antisemitismus gelten nicht als eines der Tabuthemen. Auf amerikanischen Universitäten, also auch auf Brandeis, ist es tabu, Ausdrücke wie „you guys“, oder „picnic“ zu verwenden, weil diese als „oppressive words“ (also als unterdrückende Worte) bezeichnet werden. Gleichzeitig bleibt die Bezeichnung Israels als Genozidstaat erlaubt.
Ich hatte das Privileg, in einem Umfeld aufzuwachsen und in eine Schule zu gehen, wo ich mir keine Sorgen um meine Meinungsfreiheit machen musste. Wo ich einen offenen Dialog zu politischen Themen führen und dadurch auch selbständig meine eigenen Meinungen bilden konnte. Hoffentlich werde ich auch hier in Amerika offene politische Diskussionen führen können, ohne auf dünnem Eis zu gehen. Bis dahin setzt sich der Kampf der dritten Front des Israel/Hamas Kriegs inmitten der Woke-Ära fort.