Jüdische Wissenschaft ist kein Rätsel, kann aber zu einem werden. So wie bei Ronni Sinai und Nathan Spasić. Die haben in der Schule manchmal aufgepasst, kennen die wichtigsten Fragen und finden die Antworten immerhin im Internet.
Nathan: Ronni, seit unserem letzten vorletzten Wort hast du den olympischen Geist in mir geweckt.
Ronni: Na schau, magst du langsam den Corona-Speck loswerden?
Nathan: Sehr lustig. Ich finde es ja echt faszinierend, dass wir alle schon geimpft werden. Selman Abraham Waksman, Ernst Chain, Felix Bloch – weißt du, was alle gemeinsam haben?
Ronni: Mir scheint, es sind alles Juden!
Nathan: Richtig – und Nobelpreisträger! Spielen wir doch ein ähnliches Spiel wie beim letzten Mal. Einer wirft den Namen eines Nobelpreisträgers in den Raum, und der andere muss dessen Erfindung, Entdeckung oder Arbeit möglichst kurz und verständlich darstellen. Bist du dabei?
Ronni: Du bist echt leidensfähig. Na gut, obwohl du mir letztens den Sieg gestohlen hast. Ich fang an! Joshua Lederberg erhielt 1958 den Nobelpreis für den Nachweis der Transduktion. Viel Spaß dabei!
Nathan: Das ist tatsächlich nicht ganz einfach. Stell dir vor, du könntest mir deine DNA übertragen. Klingt unmöglich, doch genau das passiert bei der Transduktion. Dabei wird im Grunde Geninformation mithilfe eines Virus von einer Zelle auf die andere übertragen. Basierend auf den Forschungen seiner Frau Esther erhielt Joshua Lederberg für diese Erkenntnis 1958 den Nobelpreis. Im Übrigen wird Transduktion auch in der Gentherapie verwendet und könnte uns in Zukunft helfen, Erbkrankheiten zu behandeln.
Ronni: Nu, ich glaub nicht, dass du meine DNA willst. Aber spannend! 1:0 für dich.
Nathan: Jetzt du. Wofür erhielt Tadeus Reichstein 1950 den Nobelpreis?
Ronni: Na komm, ich bitte dich …
Nathan: Zu einfach?
Ronni: Na, das ist doch der Sohn von der Gusti-Mame. Du weißt schon.
Nathan: Du sprichst in Rätseln, wer ist die?
Ronni: Ich habe keine Ahnung. Steht in Wikipedia. Gustawa Brokmann war seine Mutter.
Aber ihretwegen hat er nicht den Nobelpreis gekriegt. Sondern wegen dem Cortison, er stellte Cortisol gegen mein Rheuma her und später Ascorbinsäure, besser gesagt, Vitamin C, welches dann vom Pharmaunternehmen Hoffmann-La Roche industriell erzeugt wurde. Weiters ist er für die Entwicklung des Wirkstoffes Desoxycorticosteronacetat verantwortlich. Wenn du diesen jetzt sofort korrekt wiedergeben kannst, bekommst du einen Zusatzpunkt.
Nathan: Desoxy… Desoxykastrat… geschenkt. 1:1. Deine nächste Frage?
Ronni: Hättest auch einfach „Percorten®“ sagen können. Egal. Was fällt dir zu Józef Rotblat ein. Nu?
Nathan: Polnischer Physiker „mit britischem Pass“, wie er immer zu sagen pflegte. Er war während des Zweiten Weltkriegs in den USA an der Entwicklung der ersten Atombombe beteiligt. Nach den Abwürfen über Hiroshima und Nagasaki widmete er sein Leben der atomaren Abrüstung und initiierte die Pugwash-Konferenzen. Pugwash, wörtlich übersetzt auf Deutsch „Mopswasch“, ist ein Fischerdorf in Kanada und zugleich Namensgeber der Tagungen, die etwa zum Atomwaffensperrvertrag führten. Spät, aber doch, erhielt Rotblat 1995 gemeinsam mit den Konferenzen den Friedensnobelpreis.
Ronni: Na schau, du hast in der Schule also nicht nur vor dich hin geschlummert. 2:1 für dich.
Nathan: Ich muss gestehen, meistens hab ich schon eher gedöst in der Schule. Ob du geschlafen hast, werden wir gleich herausfinden. Was sagt dir Rosalyn Yalow?
Ronni: Du meinst wohl die erste jüdische Nobelpreisträgerin für Medizin. Ich weiß ja nicht, welche Jeschiwe du besucht hast, aber von der haben wir in der Schule garantiert nix erfahren. Ist aber auch schon eine Ewigkeit her. Du kannst aber vorne im Heft in der Liste unserer Nobelpreisträger nachschlagen. Da lernst du was. Im Jahr 1977, als die Dame die Auszeichnung für ihre Hormonforschung bekam, maturierte ich und hatte meinen besten Schulschlaf bereits hinter mir. Damals quälte man uns bestenfalls mit Einstein, der so super war, dass man ihm nachsah, Jude gewesen zu sein. Nach Frau Yalow wurde übrigens 2002 ein Asteroid benannt, eine Ehre, von der ich wohl Lichtjahre entfernt zu sein scheine. Ich darf aber zumindest in unserem bescheidenen Mikrokosmos ein 2:2 verbuchen. Also weiter. Wer bekam 2016 den Nobelpreis für Literatur?
Nathan: Ich lebe nicht hinter dem Mond, mein Lieber. Ich zitiere: „Knock-knock-knockin’ on heaven’s door“. Robert Allen Zimmerman, auch Bob Dylan genannt, musikalischer Großmeister. Cool, dass er die Einladung zur Preisverleihung einfach ignorierte? Erst ein halbes Jahr später holte er die Auszeichnung ab – da war er nämlich sowieso auf Tour in Stockholm.
Ronni: Ja, scheint ein labiler Bursche zu sein. 1978 geriet er in eine psychische Krise und fiel in die Hände von Pastoren, woraufhin er 1979 zum Christentum konvertierte und die Taufe empfing. Hätt er doch einen Rebbe gefragt… However, knappe 3:2 Führung für dich.
Nathan: Aluhutträger kennen und fürchten seine Entdeckung. Die Rede ist von Arno Penzias.
Ronni: Penzias erhielt den Nobelpreis für eine Entdeckung, die er eigentlich nicht gesucht hatte, sondern im Gegenteil loswerden wollte. Die kosmische Hintergrundstrahlung, die den Physiker und Astronom durch ein konstantes Geräusch bei seiner experimentellen Arbeit behinderte. Unfair nur, dass ich für das Ertragen meines Ohrensausens nie ausgezeichnet wurde.
Nathan: 3:3. Schon wieder Unentschieden?!
Ronni: Weißt du, eigentlich ist unser Spiel für die Katz. Es kann einfach keinen Gewinner geben. Erstens, weil es zu viele jüdische Nobelpreisträger gibt, und zweitens, weil wir beide einen Internetzugang haben und jederzeit „recherchieren“ können.
Nathan: Ich bitte dich, sprich für dich!
Ronni: Nu, als ob du so g’scheit wärst.
Nathan: Stellst du dich etwa auch für den nächsten Nobelpreis an?
Ronni: Ich bin nobel und überlasse ihn anderen, obwohl ich mir einen als Fachmann verdient hätte.
Nathan: Bei allem Respekt, Fachmann wofür?
Ronni: Nu, frag meine Frau. Insbesondere aber für Zukunftsforschung.
Nathan: Nu?
Ronni: Ich hab es eh schon immer alles kommen gesehen.