Der ueberfaellige Fuehrungswechsel in der Gemeinde ist faellig

Von Martin Engelberg

Die dieser Tage stattfindenden Beratungen ueber die Budgetvoranschlaege unserer Gemeinde fuer die Jahre 2001 und 2002 machen die Misere der I.K.G. wieder deutlich: Den Verantwortlichen entgleitet zunehmend die Kontrolle ueber das Budget. Die jaehrlichen Defizite von 10-15 Millionen (bis 1998 – der letzten I.K.G.-Wahl) sind auf nunmehr geplante rund 50 Millionen gestiegen. Dementsprechend wuerden die Schulden von derzeit etwa 630 Millionen weiter und zwar exponentiell, steigen und die I.K.G. endgueltig zu einem Sanierungsfall machen.

 

Wie ist das nur moeglich, wird doch Praesident Muzicant als erfolgreicher Kaufmann angesehen und war seine Partei „Atid“ bei den letzten Wahlen mit dem Anspruch angetreten, die I.K.G. erneuern zu wollen? Die Wahrheit ist jedoch, dass mit dem Wechsel des Praesidenten nicht der damit sonst uebliche „Fuehrungswechsel“ stattgefunden hat. Der Bruch der jahrezehntelangen Vorherrschaft des „Bundes“ im Jahr 1981 ging z.B. nicht nur mit einem Wechsel der Praesidenten (Dr. Hacker loeste HR Pick ab) sondern sehr grundlegenden und substantiellen Aenderungen in unserer Gemeinde einher: Juedische Kindergaerten und Schulen wurden gegruendet, das Gemeindezentrum gebaut, die orthodoxen Gruppen gleichgestellt und auch – mit tatkraeftiger Unterstuetzung von Dr. Muzicant – mit einer stark intensivierten Immobilienbewirtschaftung und -verwertung begonnen.

Der Wechsel von HR Grosz zu Dr. Muzicant brachte wohl eine Veraenderung im oeffentlichen Auftreten des Vertreters der I.K.G.. Die Medienpraesenz des Praesidenten der juedischen Gemeinde war noch nie so stark wie in den letzten zwei Jahren . Das oeffentliche Einfordern von juedischen Anliegen, das „Druckmachen“, war ein neuer Stil. Inwieweit das unsere Position in Oesterreich verbessert hat ist noch nicht abzusehen, aber jedenfalls stiess diese, durch Muzicant gepraegte, neue Handschrift der I.K.G. auch auf Zustimmung in unserer Gemeinde.

Allerdings hat sich in den Strukturen der I.K.G. nichts veraendert: Die I.K.G. konzentriert sich weiterhin auf immer neue Immobilienprojekte statt auf die Beduerfnisse der Mitglieder. Viele Mitglieder beklagen sich zurecht, dass ihre Anliegen unberuecksichtigt, oft ueberhaupt ungehoert bleiben. Dass die I.K.G. in ihren Entscheidungen immer wieder die noetige Sensibilitaet, das richtige „G’spuer“ vermissen laesst und schliesslich die Geschaeftstaetigkeit der I.K.G. weiterhin undurchsichtig und mit Faellen von Freunderlwirtschaft, Ineffizienz und Dilettantismus behaftet ist. Dr. Muzicant ist – wie er selbst immer wieder unterstreicht – seit 30 Jahren in unserer Gemeinde aktiv, seit 20 Jahren im Kultusvorstand, bzw. Vizepraesident. Dass da die zuendenden Ideen, das Gefuehl fuer die Beduerfnisse der Gemeindemitglieder, der freie Blick fuer eine Neuorientierung unserer Gemeinde fehlt, darf eigentlich gar nicht verwundern. So gibt es keine wirkliche Pflege des Kontaktes der Gemeindefuehrung zu ihren Mitgliedern, keinen Beitrag zur Schaffung eines Zusammengehoerigkeitsgefuehl es ausser durch staendig wiederkehrendes Einschwoeren gegen die aeusseren Feinde. Die Kultur- und politische Arbeit ist weiterhin visions- und trostlos, eine eigene Jugendarbeit der I.K.G. existiert nicht und ist das koschere Restaura nt nunmehr seit 3 Jahren geschlossen. Die Mitglieder von Muzicants Team (wie z. B. Vizepraesident Oskar Deutsch, die Vorsitzende der Immobilienkommission Judith Adler, die Vorsitzende der Kulturkommission Eleonor Haber) bewegen sich ebenso seit vielen Jahren in diesem System. Den Neuzugaengen (wie z.B. der Listenfuehrerin des „Bundes“ und Vorsitzende der Finanzkommission Renate Erbst oder dem „Misrachi“-Mandatar und Vorsitzenden der Jugendkommission Janki Gruenberger) fehlten entweder von vornherein visionaere Ideen oder sie gingen im Trott der I.K.G. unter. Die Erneuerer hatten also eher die Aura einer Partei wie der mexikanischen „P.R.I.“, der Partei der institutionalisierten Revolution, die aber seit 60 Jahren an der Macht war.

 

Was waere aber zu tun und wer waere n die Personen? Die finanzielle Situation der I.K.G. bietet ein gutes Beispiel: Es gehoerten saemtliche Ausgaben der I.K.G. genau hinterfragt: Wieviele Bethaeuser, Rabbiner, Kantoren usw. kann sich unsere Gemeinde leisten, wie viele juedische Schulen, wieviel Sicherheitsaufwand? Wie effizient ist die Verwaltung der I.K.G., ist uns die Zeitung „Gemeinde“ so viel Geld wert, muessen wir unsere soziale Leistungen reduzieren? Fuer dieses Projekt muessten alle Ressourcen unserer Gemeinde genutzt werden: Die Ideen und den Einsatz auch jener Kultusvorsteher auf deren Mitarbeit bisher weitgehend verzichtet wurde.

Genauso wichtig waere jedoch die Einbeziehung jener zahlreichen Persoenlichkeiten unserer Gemeinde, die mit viel Wissen und Ideen zu den Veraenderungen beitragen koennten, aber bislang abseits standen oder gehalten wurden. Darueber hinaus scheint eine umfassende Sanierung der I.K.G. ohne professionelle Unterstuetzung von aussen, von Unternehmensberatern, Wirtschaftspruefern usw. nicht moeglich.

Was aber tun, angesichts der Tatsache, dass die Probleme der I.K.G. sehr draengend sind und die naechsten regulaeren Wahlen in der I.K.G. erst in zwei Jahren stattfinden?

In Gespraechen mit Mitarbeitern von NU und Menschen, die dieser Gruppe nahestehen, hat sich einerseits ein grosses Potential an hervorragenden Ideen und Erneuerungsvorschlaegen fuer unsere Gemeinde gezeigt doch auch eine Bereitschaft – unter entsprechenden Bedingungen – dies einzubringen. Das hat uns ermutigt einer Initiative von Peter Teichner („Atid“) zur Bildung gemeinsamer Arbeitsgruppen, anhand ganz bestimmter Projekte (wie z.B. der Sanierung der prekaeren Finanzsituation) zuzustimmen, die diese ueberfaellige Erneuerungsarbeit, jenseits der „Parteigrenzen“ und zum Wohle unser aller Gemeinde, anzugehen versucht.

Moege das Experiment gelingen.

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