Von Erwin Javor
In den 50er Jahren sorgte in Israel die jiddische Variante der Farkas und- Waldbrunn-Doppelconférencen für Aufsehen. Schuhmacher, der blöde Gescheite, erklärte Dzigan, dem gescheiten Blöden, die Weltpolitik. Und so philosophierten sie über die Zustände im Nahen Osten und über Anthony Eden, den damaligen britischen Premierminister, der für eine besonders araberfreundliche Position bekannt war.
„Wenn ich nur Englisch könnte“, seufzte Dzigan aus tiefster Seele. „Wenn ich nur Englisch könnte!“
„Nu? Was wäre dann?“, drängte ein ungeduldiger Schuhmacher.
„Dann würde ich zum Eden gehen und ihm sagen: ‚Fe, fe, fe!“ (Pfui, pfui, pfui!)
In den letzten 50, 60 Jahren hat sich vieles verändert, sogar in Österreich: Wir haben faxen ge- und wieder verlernt, wir SMSen, MMSen, surfen, mailen, wir haben Satelliten und high definition Plasma-Fernseher. Die Lebenserwartung ist dramatisch gestiegen, Zweit- und Drittautos und -wohnsitze sind für viele selbstverständlich und Klo am Gang ist eine Seltenheit geworden.
Aber manches verändert sich in Österreich verlässlich nie: alte Nazis, neue Nazis, latente Nazis, Ausländerhasser, Antisemiten, die „Ich-bin-zwarnicht-gegen-Ausländer-aber“-Ideologen, die „Mir-san-mir“-Patrioten und der Schnürlregen im Salzkammergut haben immer einen hohen Stellenwert in unserem schönen Land.
Und darum ist der aktuelle Wahlkampf auch so langweilig. In den USA kann man zumindest damit rechnen, dass durch Polarisierung eine gewisse Spannung entsteht. Das Land ist tief gespalten in gleich starke Hälften, auf der einen Seite die fundamentalistisch-christlichen Republikaner, auf der anderen die demokratischen Weltverbesserer. Den Amerikanern bietet man immerhin die schwere Entscheidung, ob das geringere Übel eine starke Frau, ein intelligenter Schwarzer oder ein tapferer Greis ist.
Und in Österreich? Nichts Neues. Gähnende Langeweile. Weit und breit keine Überraschung.
Hans Dichand vergiftet seit Jahrzehnten die Herzen und Hirne der Bevölkerung und bleibt der Hauptverantwortliche für die provinzielle Atmosphäre im Land. Die „Krone“ und ihre Leserbriefschreiber sind immer noch Weltmeister im Hetzen, Verzerren, Angst machen, Kleinkaro bewahren und Auslöser für legitimierte Niedertracht. Faymann übertrifft sogar noch seine Vorbilder Klima und Schlögl im Dichand-Einschleimen und vermeidet es, sich klar gegen rechts auszusprechen: Er ist ja „nur“ gegen die Strache-FPÖ, und keiner seiner Kontrahenten und kein Journalist hinterfragt, gegen welche FPÖ er denn nicht wäre.
Molterer, wie Klaus ein „echter“ Österreicher, übt Rechtsüberholen von rechtsaußen und plakatiert das auch noch völlig ohne Scham.
Das dritte Lager, Alt-Haider und Neu-Strache, werden wieder einmal mit einem „sensiblen, differenzierten und sachlichen“ Feldzug für die „Anständigen und Fleißigen“ gegen die großkopferten Privilegienritter erfolgreich um Stimmen buhlen. Leider ist es auch überhaupt nicht unwahrscheinlich, dass sie gemeinsam die stärkste Kraft im Land werden.
Und so bleiben nur die Grünen und die Liberalen. Keine wirklich große Chance, aber wenigstens ein kleiner Hoffnungsschimmer am dunklen Himmel der österreichischen Innenpolitik. Kein Wunder. Wir leben in einem Land, wo ein vom Spargelessen mit Haider gestärkter Noch-Bundeskanzler Gusenbauer die Wehrmachtsspiele eines Strache vorsorglich als Jugendsünde abtut – und das hat ihm nicht einmal geschadet.
Wir haben einen öffentlich-rechtlichen Sender, mit einem Bildungsauftrag, der sich in vorauseilendem Gehorsam übt. Der Kotau des aktuellen Bundeskanzlers und seines wahrscheinlichen Nachfolgers in ängstlicher Duckhaltung gegenüber der „Krone“ wird sicherheitshalber nicht allzu sehr thematisiert.
Juden wählen typischerweise strategisch. Wir wählen so, wie wir glauben, dass die Wahlarithmetik das Schlimmste abwenden könnte. Diesmal lohnt sich das sicher nicht. Wir können genauso gut gleich die Partei wählen, deren Ideologie uns am nächsten steht, selbst wenn wir fürchten, dass wir damit unsere Stimme vergeuden. Denn so oder so wird der eine oder andere Kellernazi in der neuen Regierung nicht zu verhindern sein. Fe, fe, fe!