„Als ich Spitzenkandidat im Bezirk Floridsdorf wurde, haben mich viele jüdische Freunde gefragt, ob sie mir eine Vorzugsstimme geben können.“
Von Nina Horaczek und Peter Regaud (Fotos)
Die Frage, die sich alle rundherum stellen, versteht David Lasar am allerwenigsten: Was macht ausgerechnet ein Jude in der FPÖ? Jener Partei, deren Vorgängerpartei VdU nach dem Zweiten Weltkrieg als Sammelbecken ehemaliger NSDAP-Mitglieder gegründet wurde und die bis heute Probleme hat, sich vom extrem rechten Rand des politischen Spektrums abzugrenzen. „Wo hätte ich denn sonst hingehen sollen?“, findet Lasar. „Die FPÖ ist doch die einzige Partei, die Politik im Sinne der Bürger macht.“
Der heute 56-Jährige hat durch den Holocaust fast die gesamte Familie verloren. Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen wurden von den Nazis in Konzentrationslagern ermordet. Nur der Vater und der Großvater überlebten. Benzion Lasar, sein Großvater, diente im Ersten Weltkrieg, wurde verwundet und war später Vorsitzender des Verbandes jüdischer Kriegsversehrter. Eine Funktion, die er auch nach Hitlers Machtübernahme ausübte. „Das hat ihm einen gewissen Schutz gegeben“, meint Lasar. Auch die Großmutter und seine Mutter – beide sind zum Judentum übergetreten – wurden von den Nazis nicht verfolgt. „Aber sowohl mein Großvater als auch mein Vater mussten den gelben Stern tragen und waren Zwangsarbeiter“, erzählt Lasar.
Sechzig Jahre nach dem Anschluss an Nazi-Deutschland tritt der Nachfahre einer Generation, die durch die Shoah in Österreich fast ausgelöscht wurde, der FPÖ bei. 1997 wird er in seinem Bezirk, in Wien-Floridsdorf, erstmals für die Blauen aktiv, 1998 unterschreibt er seinen Mitgliedsantrag in die FPÖ. Bei der Wien-Wahl 2005 war er Spitzenkandidat der Freiheitlichen im 21. Bezirk, seitdem ist er Landtagsabgeordneter im Wiener Rathaus. Über den Nationalsozialismus wurde in seiner Familie natürlich gesprochen, meint der Freiheitliche, „aber nicht in allen Einzelheiten, weil es ein sehr bedrückendes Thema in der Familie war“.
Sein Vater Siegfried habe ihm aber schon Mitte der Achtzigerjahre, als Jörg Haider die FPÖ übernahm, geraten, wenn er sich politisch engagieren möchte, dann nur in der FPÖ. Siegfried Lasar erhielt nach 1945 als Wiedergutmachung eine Trafik in der Oberen Augartenstraße im 2. Bezirk, in der auch sein Sohn arbeitete. Der Vater war dreißig Jahre hindurch Generalsekretär des Likud in Österreich und Mitbegründer der rechten Parteizeitung „Heruth“.
Die Kontakte zu den Freiheitlichen knüpfte Siegfried Lasar in den Achtzigerjahren, bei seiner jährlichen Kur in Bad Hall in Oberösterreich. Dort lernte er Ursula Haubner und deren Bruder Jörg Haider kennen. Sohn David wählte damals noch die ÖVP, für die der Vater Bezirksrat in der Leopoldstadt war. „Mein Vater war aber schon in den Achtzigerjahren sehr enttäuscht von der ÖVP, die den bürgerlichen Weg verlassen hatte und nur mehr die Großkonzerne und den Proporz in den Vordergrund stellte und nicht die kleinen Unternehmer“, sagt Lasar. Ähnlich sei dies bei der SPÖ, „denn bei den Roten gibt es ja nur mehr Ausländerpolitik und sonst gar nichts“.
Der jüdische Freiheitliche wird gerne als „Alibijude“ von FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache bezeichnet, als Nachfolger von dem, was der frühere FPÖ-Europaparlamentarier und Jude Peter Sichrovsky in den Neunzigerjahren unter Jörg Haider war. Und tatsächlich hat Lasar im Jahr 2002 jene Israelreise organisiert, von der Parteichef Strache noch heute gerne erzählt. Damals flog eine kleine freiheitliche Delegation erstmals nach Israel, traf den damaligen Präsidenten Moishe Katzav, einige Minister und Knesset-Abgeordnete und besuchte die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem.
Organisiert wurde die Reise von Lasar, „weil es ganz wichtig war, dass auch die FPÖ einmal nach Israel fährt“. Auch Jörg Haider wurde von ihm eingeladen mitzureisen, was dieser allerdings verweigerte. Dafür habe er immer wieder außenpolitische Gespräche für den damaligen Kärntner Landeshauptmann geführt, erzählt der zweifache Familienvater Lasar.
„Der Standard“ schrieb nach der Abspaltung des BZÖ im Jahr 2005, Strache versuche, „mit neuen Personen aus dem rechts-nationalen Eck wegzukommen: So hat er David Lasar in den Bundesparteivorstand kooptiert – laut Strache ein „profiliertes Mitglied der FPÖ-Floridsdorf und Mitglied der Israelitischen Kultusgemeinde“. Und wann immer IKG-Präsident Ariel Muzicant Antisemitismus unter den Freiheitlichen beklagt, wirft sich Lasar für seine Parteikollegen in die Bresche. Es gäbe keinerlei Antisemitismus in seiner Partei, lässt Lasar dann per Presseaussendung ausrichten. „Das ist lächerlich. Das sind Worthülsen, die übergestülpt werden, wenn dem politischen Gegner die Argumente ausgehen“, meint er. Auch der freiheitliche Nationalratsabgeordnete Harald Stefan, Mitglied der berüchtigten rechtsextremen Burschenschaft Olympia, wird vom blauen Gemeinderat verteidigt: „Das ist ein ganz lieber Mensch, mit dem ich sogar auf Urlaub fahre. Wenn der ein Antisemit wäre, würde der doch nicht seine Freizeit mit mir verbringen.“ So wie Antisemitismus in Österreich insgesamt nicht existiere. Das hätten ihm auch Freunde, die als orthodoxe Juden in der Leopoldstadt leben, bestätigt: „Da gibt es keinerlei Beschimpfungen oder Ähnliches.“
Das Verhältnis zwischen Lasar und dem IKG-Präsidenten Muzicant ist mehr als unterkühlt. „Wenn wir einander zufällig treffen, grüßen wir uns“, meint Lasar. Dabei waren die Familien Lasar und Muzicant einst befreundet, die beiden Väter verbrachten viel Zeit miteinander. Heute wünscht sich Lasar von Muzicant, „dass gerade er als Oberhaupt der israelitischen Kultusgemeinde Gespräche mit allen Parteien führt“. Denn jemand, „der so viel Böses über die FPÖ sagt, sollte sich auch einmal die andere Seite anhören“.
In der blauen Riege im Wiener Gemeinderat fällt Lasar, ein gläubiger Jude, der zwar nicht jede Woche den Tempel besucht, für den „die hohen Festtage aber ein Muss“ sind, nicht weiter auf. Er kämpft auf Gemeindeebene gegen Drogendealer, beklagt, dass angeblich „rund 70 Prozent der Asylwerber kriminell werden“, und engagiert sich für mehr Polizei auf den Straßen und eine bessere Spitalsversorgung für die Wiener Bevölkerung.
Lasar kann sich für die Zukunft auch eine bundespolitische Karriere vorstellen. Dabei würden ihm sicherlich auch seine auffallend guten Kontakte zu den Kleinformaten „Krone“ und „Heute“ helfen, die den Wiener Freiheitlichen schon jetzt gerne zitieren. Aber er zählt auch auf Unterstützung von anderer Seite: „Ich glaube nicht, dass die gesamte Kultusgemeinde gegen die FPÖ ist“, meint er, „denn als ich Spitzenkandidat im Bezirk Floridsdorf wurde, haben mich viele jüdische Freunde gefragt, ob sie mir eine Vorzugsstimme geben können.“