Der Überraschungs-Quereinsteiger Josef Broukal katapultierte die SPÖ im laufenden Nationalrats-Wahlkampf sofort in ein Umfrage-Hoch. Das liegt wohl einerseits an seiner hohen Popularität als langjähriger ORF-Anchorman, aber sicher auch an seinem klaren Profil als Antifaschist, aus dem er selbst vor der Kamera nie ein Hehl machte. Ein Porträt.
Von Alexia Weiss
Fast 30 Jahre war der heute 56-jährige Journalist für den ORF tätig. Mit dem Erstarken der Freiheitlichen mehrten sich auch die Angriffe auf Broukal aus dieser Ecke. Bereits legendär ist das „Parkbank“-Interview, das der Fernseh-Moderator 1991 mit dem damaligen FPÖ-Chef Jörg Haider im Rahmen einer Sondersendung zur Wiener Landtagswahl führte. Broukals Aussage „Vielleicht sollten Sie noch wissen, ich gehe seit einem Jahr im 6. Bezirk spazieren. Seit ihre Wahlkampagne begonnen hat, steht dort auf jeder Parkbank ‚Ausländer raus‘ und auf einigen das Hakenkreuz. Herzlichen Dank“ führte zu einem Gerichtsverfahren. Dieses ging jedoch – wie auch alle darauf folgenden – nicht zu Ungunsten Broukals aus.
„Couragiert“ und „Rückgrat“ – mit diesen Begriffen wurde der Journalist in der Folge immer wieder belegt und gewürdigt. Etwa, als er 1994 das Ehrenzeichen von der B’nai B’rith Maimonides Loge, einen silbernen Thora-Zeige r, für sein couragiertes Auftreten gegen Fremdenfeindlichkeit verliehen bekam. Oder 1997, als ihm die Österreichische Volksbildung einen Sonderpreis für journalistische Courage zuerkannte. Ebenfalls 1997 e rhielt der Journalist von der Israelitischen Kultusgemeinde die „Friedrich Torberg-Medaille“. Als Auszeichnungsgrund wurd e dabei sein „couragiert geführtes Fernseh-Interview mit dem stellvertretenden Landeshauptmann von Kärnten Karl-Heinz Grasser“ angeführt.
Auch dieses Gespräch, aufgenommen im Februar 1997, hatte medienpolitisch für viel Wirbel gesorgt und kostete Broukal in der Folge seine Moderatoren-Tätigkeit im Magazin „Report“. Stein des Anstoßes: Broukal wollte von Grasser Auskunft darüber, nach wie vielen Jahren Aufenthalt in Österreich ein Ausländer als anständiger Ausländer gelte. Die FPÖ kritisierte in der Folge die Art der Fragestellung und meinte, das sei kein unabhängiger Journalismus. Mit einer ähnlichen Debatte sah sich der Journalist 1999 – der damalige Bundeskanzler Viktor Klima hatte ihn zu diesem Zeitpunkt eingeladen, als Jahr-2000-Berater für die Regierung zu agieren, was Broukal aber schließlich ablehnte – konfrontiert. Der ehemalige FPÖ-Klubchef Peter Westenthaler bezeichnete Broukal damals als „roten Regierungssprecher“ – auch dieser Rechtsstreit endete ein Jahr darauf mit einem für Broukal durchaus guten Vergleich.
B roukal hält sich selbst nicht für so außerordetnlich couragiert, wie er im Gespräch mit NU erzählt. „Man hört immer, dass man couragiert ist – aber in solchen besonderen Situationen findet man das, was man tut, normal. Ich finde es völlig normal, dass man sagt, seit Sie diesen Wahlkampf führen, sind die Parkbänke beschmiert, oder jemanden z u rechtweist, der einen mit NLP vollredet.“ Warum seine – nunmehr ehemaligen – ORF-Kollegen oft weniger kämpferisch reagieren? „Andere haben vielleicht ein anderes Temperament“, so Broukal verständnisvoll. Dass viele Journalisten bereits die Zensur- Schere im Kopf haben könnten, dieser Ansicht ist er jedenfalls nicht.
Den Grund für seinen kritischen Umgang mit gewissen Äußerungen sieht Broukal im Antifaschimus, den er quasi wie mit der Muttermilch aufgesogen habe – durch sein sozialistisches Engagement bereits in der Mittelschule. Die Frage, die ihn zudem sein ganzes Leben beschäftige: „Wie konnten und können Menschen zu Bestien werden?“ In einem Leserbrief, den er einmal geschrieben, aber nie abgeschickt habe, habe er dazu einmal Folgendes formuliert: Der Unterschied zwischen Haider und ihm bestehe darin, dass er sich vorstellen kann, ein KZ-Insasse zu sein, während Haider sich vermutlich als SS-Offizier sähe. „Ich kann mir auch vorstellen, dass mir ein Unglück zustößt – und nicht nur den anderen.“ Insgesamt verstehe er sich als ein „Wesen der Aufklärung“, so Broukal.
Zum Umgang mit der Zeit des Nationalsozialismus hält Broukal auch ganz klar fest: „Ich glaube, dass der Staat gegenüber der jüdischen Gemeinde eine besondere Verpflichtung hat – und das noch auf lange Zeit.“ Würde also eine wieder in der R e g i e rung befindliche SPÖ der Kultusgemeinde permanente Infrastruktur-Subventionen zugestehen, wie sie ÖVP-Kanzler Wo l fgang Schüssel in den vergangenen Jahre n konsequent verweigert hat? „Unendlich viel Geld“ könne es sicher nicht geben, aber auf jeden Fall stetige Zuwendungen, die die Erhaltung der Einrichtungen der Gemeinde möglich machen, wenn auch sparsamer Einsatz der Mittel verlangt werden müsse, betont Broukal. Er verweist zudem auf all das, was nach dem Krieg an Restitution versäumt wurde, weil vieles nicht ordnungsgemäß behandelt wurde. Der Weg, der nun mit dem Restitutionspaket eingeschlagen wurde, sei daher „sicher der richtige“. Wobei der Neo-Politiker, der für die SPÖ auf Platz neun der Bundesliste antritt, hervorstreicht, dass es viele arme Juden gegeben hat, denen endlich ein wenig Gerechtigkeit zukommen müsse, aber natürlich auch Wo h lhabende Anspruch auf Entschädigung hätten. Er verstehe Kritik an NS-Opfern nicht, denen ein Gemälde restituiert werde, und die es dann zu Sotheby’s trügen. Das sei „deren gutes Recht“. Enteignung sei in der österreichischen Verfassung nicht vorgesehen. Wenig erstaunt es also, dass in seiner Haltung zur amtierenden ÖVP-FPÖ-Regierung sein Hauptmotiv zu diesem „kompletten Neuanfang“ als Politiker liegt. „Der Schüssel-Putsch darf jetzt keine demokratische Legitimation bekommen.“ Es habe 1999 klare Hinweise gegeben, dass Schüssel in den Verhandlungen mit der SPÖ vor allem eines getan habe: Strichmännchen gezeichnet. „Das war also ein durchsichtiges Manöver. “ Solch eine „unfeine Gangart“ dürfe nun nicht legitimiert werde.
Er wolle daher mithelfen, die schwarz-blaue Mehrheit zu brechen, so der Technologie-Experte. Broukals Nebenmotiv: der Kurs von SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer. Dieser sage klar, dass es einen ausgeglichen Budgetkurs geben müsse, die Steuerlast aber derzeit zu hoch sei. Und dann habe Gusenbauer auch einen ähnlichen Begriff von Sozialpolitik wie er, Broukal. „Wir können es uns nicht leisten, jedem von der Geburt bis zum Tod das Lebensrisiko abzunehmen, aber wir müssen jedem helfen, der sich nicht selbst helfen kann. Wir müssen Chancen geben. Wir müssen die Zahl der Arbeitslosen senken, für gute Ausbildungsmöglichkeiten sorgen.“ Das sei „eine neue Bescheidenheit“ und das, was Gusenbauer sage, „ist sehr realistisch – diesen Anspruch habe ich auch an die Politik“. „Hier werden Common Sense und soziale Ve r a n two rtung zeitgemäß zusammengeführt“, meint der fünffache Vater.
Broukals Ve rhältnis zur SPÖ war allerdings nicht immer so ungetrübt: Zornig macht ihn etwa noch immer Franz Löschnaks Ausländerpolitik. Wobei Broukal zur aktuellen Asyl-Problematik festhält: „Wir können nicht unendlich viele Menschen aufnehmen – wir sollten aber auch niemanden im Oktober oder November auf die Straße setzen.“ Darüber sollte es einen Konsens geben. Es gebe ja auch ein Gesetz, wonach man in den Wintermonaten niemanden delogieren dürfe. Andererseits gelte es, in den Herkunftsländern der Wirtschaftsflüchtlinge, die man nicht aufnehmen könne, wie etwa im Kosovo, einerseits für Aufklärung zu sorgen, andererseits aber auch „in den Ländern helfen“ – sprich vor Ort finanzielle Hilfe zu geben. Was der Knackpunkt wäre, als Minister – „Mister ‚Modern Times‘“ ist bei einer allfälligen SPÖ-Regierungsbeteiligung als Forschungs- und Technologie-Minister im Gespräch – das Handtuch zu werfen? Die Antwort Broukals ist klar: im Fall einer Causa Omofuma hätte er keine „Jetzt-erst-recht-Mentalität“ an den Tag gelegt. In solchen Momenten müsse man seine Verantwortung erkennen und seinen Hut nehmen.