Auf 25 Hektar fruchtbaren Böden befinden sich die Weingärten der Familie Hafner, die seit den achtziger Jahren koscheren Wein produziert. Ein Besuch bei einer der ältesten Winzerfamilien Österreichs.
VON IDA SALAMON (TEXT UND FOTOS)
Das mit Denise und der Katze namens Otto kann doch kein Zufall sein und wird erst beim Abschied aufgeklärt. Die neunjährige Tochter von Daniela und Julius Hafner III., Denise, sitzt auf dem Schoß ihres Vaters und lauscht aufmerksam seinen Worten über die Geschichte von Mönchhof. Der Ort gehört zur ältesten Weinbaugegend Österreichs. Vor etwa acht Jahrhunderten besiedelten Zisterziensermönche aus dem Stift Heiligenkreuz das Gebiet und machten das Sumpfland in der pannonischen Tiefebene um den Neusiedlersee urbar. Die Hafners sind hier Alteingesessene. Julius Hafner III., dem Weinbauern und Akademiker mit einem Wirtschaftsdiplom für internationale Beziehungen, glitzern die Augen vor Stolz, wenn er über seine Ahnen spricht: „Hafner ist eine Familie, die wahrscheinlich so alt ist wie dieser Ort.“ Immerhin sind es knappe fünf Jahrhunderte, dass die Hafners hier wohnen. Der Stammbaum, der von der Großmutter Theresia Hafner erstellt wurde, reicht bis zum Jahr 1530. Ursprünglich bestand das Anwesen der Familie Hafner aus einem Bauernhof mit Tieren und aus einem Weingut. Julius II. hat sich dann auf die Weinproduktion spezialisiert.
Burgenländische Idylle
Das Haus der Hafners liegt an einer Straße, die zum Barockjuwel Schloss Halbturn führt. Vom Familiensitz blickt man auf zahlreiche Weingärten in einer Tiefebene, in der trotz sich drehender Windräder die Landschaft ruhig und idyllisch aussieht. Die Hafners, nämlich Julius III. und Daniela Hafner, ihre vier Kinder und die Mutter des Hausherrn, sowie eine Katze, ein weißer Malteser und exotische Fische in einem Aquarium leben in Harmonie miteinander. Daniela Hafner kam vor 17 Jahren aus Rumänien nach Österreich. Ihre Wurzeln mütterlicherseits sind jüdisch. Die junge Frau verliebte sich in Julius Hafner III., einen hochgewachsenen, humorvollen Mann, und war davon beeindruckt, dass er koschere Weine produzierte. „Ich halte Schabbat, ich backe selber die Challe und die Kinder und mein Mann machen mit“, sagt die hübsche Winzerin, der man nicht anmerkt, dass sie schon seit fünf Uhr früh im Weingarten arbeitet. Auch oft am Sonntag, das ganze Jahr hindurch. „Ich bin zufrieden, wenn ich nach acht oder zehn Stunden Arbeit nach Hause komme. Ich liebe es, die Natur zu beobachten und wie alles wächst. Das Schneiden der Reben ist für mich auch eine Zeit, um zu meditieren.“ Jeder in der Familie hat seine Aufgabe. Die Weingärten befinden sich in Mönchhof, Gols und Frauenkirchen, und Daniela Hafner macht dort alles mit ihren eigenen Händen, vom Ausputzen der Rebstöcke bis zur Weinlese: „Die Maschinen erkennen den Unterschied nicht, ob die Trauben sauer sind oder nicht.“ Ihr Mann ist für den Weinkeller, für die Büroarbeiten und für den Export zuständig. Immerhin werden Hafner- Weine in 40 Länder verkauft. Nur vier Prozent der gesamten Produktion bleibt in Österreich. Julius III. bestimmt auch das Erntedatum, die Pressdauer, die Temperatur: „Was wir wegen der biologischen Bewirtschaftung nicht mit Chemie verändern dürfen, schaffen wir mit Physik. Dafür braucht man die richtige Technik und Kühlung.“
„Ein Biowein hat seinen Ursprung im koscheren Wein“
Seit 35 Jahren produzieren die Hafners koschere Weine. Begonnen hat alles im Jahr 1980, als Rabbiner Schwarz erstmals das Weingut Hafner betrat. Damals war es das einzige Weingut in der Umgebung, das der IKG die Schlüssel des Hofes übergeben hatte, sodass die Vertreter der IKG die Weine allein produzieren konnten. Noch immer kommt Rabbiner Schwarz in Begleitung des Maschgiah (Anm.: Aufseher) Lichtenstein regelmäßig zu den Hafners, „wenn notwendig, auch am Freitagvormittag“, sagt Julius III. mit einem Lächeln.
Wir verlassen das Haus der Hafners, um in einem ihrer Weingärten ein Picknick mit Brot und Wein zu machen. Die Gastgeber sind sehr um ihre Gäste aus Wien bemüht, sie zeigen und erklären ihnen geduldig den Unterschied zwischen biologischen und konventionellen Weingütern. „Was glauben sie, wie lange ein Regenwurm leben kann?“, lautet eine Frage von Julius III. bei seiner Erläuterung zur Biokultur. „Wohl sehr kurz“, denkt ein Stadtmensch, der sich kaum an seinen Biologieunterricht erinnern kann. „Falsch! Er kann bis zu 15 Jahre alt werden.“ Für den biologischen Gartenbau sind diese Würmer von zentraler Bedeutung, da sie den Boden durchlüften, mineralisieren und fruchtbar machen. Der Boden ist nach der diesjährigen Hitzewelle extrem trocken, man kann keinen Wenigborster sehen, dafür ist aber gerade ein Marienkäfer auf der Hand von Denise Hafner gelandet. Er ist Zeuge, dass die Erde keine Giftstoffe enthält. „Ein Biowein hat seinen Ursprung im koscheren Wein“, meint Hafner. „Der Grundgedanke von Bio ist, keine Gifte gegen Pilze, Unkräuter und tierische Schädlinge einzusetzen“, sagt der erfahrener Biobauer, der im Klimawandel auch gewisse Vorteile für den biologischen Anbau sieht: „Das Klima hat sich zuungunsten der Pilze verändert, da sich Pilze besonders gut in feuchtem Klima entwickeln.“
Das größte Interesse an Hafner-Produkten hat nicht – wie man erwarten könnte – Israel, sondern China. Seit zehn Jahren werden etwa 100.000 Flaschen jährlich dorthin exportiert. „Chinesen legen Wert auf alles, was Tradition hat. Jüdisch bedeutet alt, authentisch, glaubwürdig; und koscherer Wein hat ein Biozertifikat mit Qualitätsgarantie, das man nur dann erhält, wenn die Trauben aus Weingärten stammen, die man mindestens vier Jahre lang biologisch bewirtschaftet hat“, sagt Julius III. Kaum zu glauben, aber genauso wie bei Luxusmarkenartikeln gibt es in China auch gefälschten Hafner-Wein – den man aber leicht an der Flasche mit chinesischen Buchstaben am Glasboden erkennen kann.
Otto der Sieger
Welche Weine trinken die Hafners am liebsten? „Die guten“, sagen sie mit einer Stimme. Und wann ist ein Wein gut? „Immer dann, wenn man ein zweites Glas trinken würde.“
Über 25 Traubensorten finden sich in den Hafner-Weingärten, aus denen hochqualitative Weine erzeugt werden. Julius Hafner II. war der erste Winzer in Österreich, der 1971 auch einen Eiswein produziert hat. Eisweine sind hochwertige und natursüße Weine, deren Trauben in gefrorenem Zustand gelesen und verarbeitet werden. Hafner ist seit dem Jahr 2000 der erste und bislang einzige koschere Eisweinproduzent weltweit. Insgesamt führt das Weingut Hafner über hundert Produkte, auch Traubensaft und einen zwölfjährigen XO-Weinbrand, der koscher für Pessach ist. Der Schwerpunkt der Produktion liegt auf rotem Kiddusch-Wein, über welchem Juden am Schabbat und zu den Feiertagen einen Segen sprechen.
Am Ende des Besuchs kommen wir ins wenige Kilometer von Mönchhof entfernte Gols, wo wir in einem der Hafner-Weingärten die kleinen, noch unreifen Trauben eines Muskatweins zu kosten bekommen. Er ist der burgenländischen Landessieger 2014 mit der Katze Otto auf dem Etikett, das Denise Hafner entworfen hat. „Der Weingarten für diesen Wein wurde im April 2006 gepflanzt“, erinnert sich Daniela Hafner, „an jenem Tag, an dem Denise geboren wurde.“ Das kann doch kein Zufall sein.
Vorschriften für koscheren Wein (gelten außerhalb Israels):
Die Trauben eines Weinstockes dürfen erst vier Jahre nach der Pflanzung verwendet werden. Weinbehandlungsmittel müssen als koscher akzeptiert und dürfen nicht tierischen Ursprungs sein.
Zwischen den Rebstöcken darf kein Obst wachsen.
Es dürfen in der Produktion nur männliche Juden arbeiten, die den Schabbat einhalten. Die Produktionsanlagen und alle Werkzeuge müssen intensiv gereinigt und sterilisiert sein. Der Wein wird während der Herstellung kurze Zeit auf 100 Grad erhitzt. Er erhält die zusätzliche Bezeichnung „Jajin Mewuschal“ und darf auch von einem Nicht-Juden ausgeschenkt werden, ohne dass der Wein dadurch unkoscher wird.