Im vorigen NU lässt sich nachlesen, welche Delikatessen es im neu konzipierten Restaurant „Alef-Alef“ gegeben hätte, wenn die Bürokratie der Kultusgemeinde nicht anderweitig beschäftigt gewesen wäre oder möglicherweise sogar bewusst obstruiert hätte. Jetzt ist das von uns ausführlich gewürdigte Speiselokal von Shalom Bernholtz und Edward „Eddie“ Ferszt zumindest in der geplanten Form noch vor seiner Geburt gestorben. Ob das Geschäftslokal am prominenten Platz neben der Kultusgemeinde mitten im touristischen Wien in Frieden ruhen wird oder ob die Granden der Gemeinde ganz andere Pläne damit haben, wird sich erst zeigen.
Die Vorgeschichte: Im Februar des heurigen Jahres schrieb Oskar Deutsch in seinem „Brief des Präsidenten“ ausführlich darüber, dass es zwei Optionen für ein neues Konzept für den Platz neben dem Gemeindezentrum und der Synagoge gegeben habe. Eine Gruppe in der vor drei Jahren (!) eigens gebildeten „Restaurantkommission“ habe sich für einen „Infopoint“ an dieser Stelle ausgesprochen, um die „Öffnung der jüdischen Gemeinde nach außen und die Information der österreichischen Gesellschaft über das jüdische Leben“ voranzutreiben. Dieses Zentrum hätte durch ein Literaturkaffee ergänzt werden sollen, das auch für Veranstaltungen und den Dialog offen sein sollte.
Die Gunst der „SoKo Restaurant“ habe jedoch ein anderes Projekt gewonnen, das vom Duo Shalom Bernholtz und Edward Ferszt vorgelegt wurde und ein „fleischiges“ Restaurant vorsah. Eine durchaus weise Entscheidung, gibt es doch in Wien ein Jüdisches Museum an zwei nahegelegenen Standorten, das „jüdisches Leben heute“ zu seinem besonderen Thema gemacht hat und nicht aufgedoppelt werden braucht. Das Koscher-Essen hingegen bräuchte tatsächlich ganz dringend eine Heimstätte im ersten Bezirk.
Der Präsident schrieb in seinem Brief jedenfalls fast euphorisch: „Ich freue mich sehr, dass unser langjähriger Freund Edward Ferszt nun das Ruder im Restaurant in die Hand genommen hat und wünsche ihm viel Glück und Erfolg für diese Herausforderung.“
Der liebe Freund Eddie hat das Ruder inzwischen wieder aus der Hand gelegt und sich zurückgezogen. Die Forderungen von Seiten der IKG an die Restaurantbetreiber seien im Laufe der Zeit immer absurder geworden und hätten schließlich im unannehmbaren Versuch gemündet, die Arbeitsaufteilung der beiden Partner von außen zu bestimmen.
Weil alles rund um die Beschlüsse der Restaurantkommission, wie auch in sämtlichen anderen wesentlichen Belangen der Kultusgemeinde, hinter verschlossenen Türen stattfindet, weiß man jetzt nicht, ob sich in letzter Minute doch die Infopoint- Freunde durchgesetzt und das Projekt des Restaurants abgewürgt haben oder ob schlicht Unfähigkeit am Totenbett des neuen „Alef-Alef“ steht.
Der Präsident war inzwischen anderweitig beschäftigt. Österreichs Außenminister Sebastian Kurz hatte die geistlichen Würdenträger des Landes zu einem „interreligiösen Dialog“ eingeladen, und alle waren sie gekommen – der Kardinal, der Bischof, der Metropolit und wie die obersten Kirchenfürsten so heißen. Die jüdische Gemeinde war jedoch nicht durch den Oberrabbiner vertreten, sondern durch den Präsidenten. Soll sein. Aber während die anderen Teilnehmer von einem „historischen Tag für die Religionsfreiheit“ sprachen oder jede Intoleranz verurteilten, und während der Vertreter des Islams ehrenhaft meinte, Antisemitismus sei ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, wärmte unser Repräsentant ein altes Thema wieder auf, das an dieser Stelle mehr als unpassend einher kam und insgesamt besser nicht mehr öffentlich diskutiert würde. Ohne Beschneidung und Schächtung, ließ Deutsch als seinen interreligiösen Beitrag verlauten, sei jüdisches Leben in Europa nicht möglich.
Eine an dieser Stelle unpassende und insgesamt ganz überflüssige Wortmeldung. Zuletzt hatte nur ein profilierungsbedürftiges Mitglied der Gemeinde einen absurden Kommentar zur Beschneidung im Profil veröffentlicht, der sich von selber richtete. Er verstieg sich in diesem Beitrag sogar zur These, dass beschnittene Männer schlechteren Sex haben als unbeschnittene. Da kann man nur sagen: „Dem Rothschild sein Geld und dem Segal seine Sorgen …“
Ein Präsident, der eine nicht vorhandene Gefahr heraufbeschwört, handelt fahrlässig. Ähnlich wie die graue Eminenz der Gemeinde, Ari Muzicant, mit seinem Interview im Kurier. Er behauptete dort, dass Juden in Europa „Freiwild“ seien. Es stimmt schon, dass es furchtbare Attentate, zuletzt jenes von Brüssel, gegeben hat. Aber gerade als österreichischer Jude in einer österreichischen Zeitung in einer solch übertriebenen Weise zu argumentieren, ist bedenklich. Wir leben in diesem Land respektiert und geachtet.
Beide, Deutsch wie Muzicant, machen den österreichischen Juden, vor allem den alten unter ihnen, Angst. Warum sie das tun, überlasse ich der geschätzten Beurteilung der Leser. Präsidial ist solch Verhalten jedenfalls nicht.