Bedeutet Freiheit der Kunst, dass antisemitische Witze plötzlich erlaubt sind? Was macht eine gute und was eine untergriffige Pointe aus? Was ist überhaupt Humor? Und hat ihn die Comedy-Schickse Lisa Eckhart überhaupt? Fragen über Fragen für Ronni Sinai und Nathan Spasić.
Nathan: Ronni, du alter Grapscher, hast du schon das Neueste gehört?
Ronni: Nu, spielst du auf die Aussagen von Lisa Eckhart im deutschen Fernsehen an, wo sie gemeint hat, uns Juden würde es eigentlich nicht ums Geld gehen, sondern um die Frauen? Und dass wir das Geld nur brauchen würden, um Letzteren zu imponieren. Ich jedenfalls hab zu wenig Geld zum Grapschen. Aber sag, fühlst du dich beleidigt von der Comedy-Schickse?
Nathan: Eigentlich nicht, denn ihre Analyse ist falsch. Ich mag das Geld mehr als die Frauen, aber vor allem mag ich guten Humor. Man darf sich über alles lustig machen, vorausgesetzt man hat gute Pointen. Interessant ist allerdings schon, welche Wellen die Sache medial geschlagen hat. Wie geht es denn dir damit? Fühlst du dich beleidigt?
Ronni: Mich kann man nicht beleidigen, so zart besaitet bin ich nicht. Nur langweilen kann man mich ziemlich leicht. Dass ich sie als seelenverwandt empfinde, könnte ich nicht gerade behaupten, aber schließlich bekommen alle ihr Fett ab, wohl verteilt. Als Rollstuhlfahrer wäre ich aber wahrscheinlich schon beleidigt, wenn sie unterstellt, ich wäre immer auf Augenhöhe mit Frauenärschen.
Nathan: Es bekommen alle ihr Fett ab, du sagst es! Corona hinterlässt bei uns allen seine Spuren. Scheinbar hat die Isolation aber auch ihre Spuren an Frau Eckharts Sinn für Humor hinterlassen. Ich stelle mir oft reflexartig die Frage: Darf man das eigentlich? Vielleicht ist ja genau das der falsche Zugang. Dennoch bleibt für mich das Merkmal guten Kabaretts, das scheinbar Unsagbare in lustige Pointen zu verpacken. Die Comedy-Schickse versucht genau das, leider zwanghaft – und scheitert. In meinen Augen ist es nicht unbedingt antisemitisch, sondern einfach nur schlecht. Und plump.
Ronni: Ihre Pointe, ob sie überhaupt witzig sei – wie sie es selbst formuliert hat –, finde ich zum Beispiel ganz gut. Den Juden Reparationen zu zahlen, das sei, wie dem Mateschitz ein Red Bull auszugeben. Dieses Zitat aus ihrem Programm konkurriert mit der Anspielung auf Bill Cosby, dass die Erektion des schwarzen Glieds alle sieben Liter Blut, über die ein Mensch verfügt, brauche, weswegen es im Kopf dann fehle. Da kann man sich kaum entscheiden, worüber man mehr kotzt. Apropos Bulimie: So wie die Eckhart aussieht, gehört sie dem organisierten Erbrechen an. Ok, der Gag ist auf ähnlichem Niveau, aber man wird sich wohl noch wehren dürfen.
Nathan: Ach, ich weiß nicht, lieber Ronni. Vielleicht sollten wir mehr Verständnis aufbringen? Womöglich ist es in Zeiten der medialen Schnelllebigkeit und Konkurrenz besonders schwierig für Kabarettisten? Muss man mit geschmacklosen Fehltritten aus der Reihe tanzen, um aufzufallen? Ich bin im Zwiespalt und womöglich haben wir zu viele Bedenken. Ich denke, Frau Eckhart weiß, was sie tut – und warum. Ich würde mir nicht anmaßen, den Zensor zu spielen, möchte ich gar nicht. Der WDR hat die betreffende Sendung damit verteidigt, man würde zur Satirefreiheit stehen. Kein Wunder, dass die Quoten sinken, wenn derbe Witze das Comedyprogramm ausmachen und als Satire gelten: deutscher Humor eben.
Ronni: Dabei ist Eckhart aus Österreich, dem Land, das eine lange Kabaretttradition und Farkas, Waldbrunn, Kreisler oder Resetarits hervorgebracht hat. Die würden sich vermutlich genieren. Wie auch immer, wir sollten konstruktiv kritisch sein und könnten der Comedy-Schickse ja Unterricht in jüdischem Humor geben, meinst du, das wird was? Aber ich frag dich: Kriegen wir genug Geld dafür, dass wir es uns leisten können, ihren Toches abzugreifen?
Nathan: Kritisch und konstruktiv zugleich? Nichts lieber als das. Schließlich mögen wir ja nicht nur das Geld und die Frauen, sondern auch guten Humor.
Ronni: Nu, DU magst das Geld und ICH die Frauen, gemeinsam sind wir unschlagbar! Ich geh nach Hause und schau mir eine „Bilanz der Saison“ aus dem Simpl an. Wette, du Jingele weißt nicht, was ich meine …