In der jüdischen Tradition sind Humor und Lachen fest verankert. Allerdings wird ein Witz nicht allein um des Witzes wegen verwendet, er bietet Anlass zum Nachdenken und endet meist in Weisheit.
Von Danielle Spera
Auch in größter Bedrängnis Stolz und Selbstsicherheit zu bewahren wurde zum Prinzip. Oder frei nach dem Komponisten und Textdichter Friedrich Hollaender, der in seinem satirischen Chanson aus dem Jahr 1931 das antisemitische Feindbild ad absurdum führte: „An allem sind die Juden schuld, ob es regnet, ob es hagelt, ob es blitzt oder schneit, der Schnee weiß ist, oder das Feuer heiß, … an allem sind die Juden schuld.“
Wien kann auf ein besonders breites Spektrum der Unterhaltungskultur zurückblicken, von der wir heute (in Europa) nur noch einen geringen Abglanz erleben können. Aus der religiös geprägten Welt des osteuropäischen Schtetls kam der jüdische Humor nach Wien und Berlin, wo er zu seiner vollen Blüte gelangte. Selbst in den Konzentrationslagern gab es Kabarettbühnen: Das Lachen wurde zum psychologischen Korrektiv, durch das vielleicht emotionaler Abstand zum Grauen der Schoah entstehen konnte.
Im Exil fanden einige der Größen des jüdischen Humors neue Betätigung, andere verloren jedoch fern ihrer Heimat ihre schöpferische Kraft. In den USA und Israel entstand eine spezielle Gattung des jüdischen Humors, die das jüdische Lebensgefühl neu interpretierte. Woody Allen und Ephraim Kishon – dessen großartige Übersetzungen seiner Werke ins Deutsche wir Friedrich Torberg (1908–1979) verdanken – seien hier pars pro toto genannt.
Bis 1938 haben Künstler wie Fritz Grünbaum (1880–1941), Armin Berg (1883–1956) oder Hermann Leopoldi (1888–1959) den jüdischen Humor den Wienerinnen und Wienern nähergebracht. Fritz Grünbaum, der populäre Kabarettist, Operetten- und Schlagerautor, der auch viele Revuen entwickelte, wurde im Mai 1938 in das Konzentrationslager Dachau deportiert, wo er im Jänner 1941 an Tuberkulose starb. Bis zum Schluss vergaß er seinen Humor nicht. Als ihm ein KZ-Aufseher ein Stück Seife verweigerte, antwortete Grünbaum: „Wer für Seife kein Geld hat, soll sich kein KZ halten.“ Fritz Grünbaum war auch ein bedeutender Kunstsammler. Seine Wohnung im Haus des Kabarett Simpl wurde „arisiert“, seine Kunstsammlung auf ungeklärte Weise verkauft. Das Restitutionsverfahren zieht sich bis in unsere Tage.
Der Kabarettist Armin Berg war jahrelang im Ensemble des Budapester Orpheums in Wien tätig, wirkte in Filmen wie Die Stadt ohne Juden mit (Verfilmung des Romans von Hugo Bettauer), komponierte viele bekannte Couplets wie Der Überzieher oder Was braucht denn der Wiener, um glücklich zu sein und flüchtete 1938 in die USA, wo als Komiker auftrat. Armin Berg kehrte 1949 nach Wien zurück, wurde aber nirgends engagiert und pendelte von da an zwischen Wien und New York. Beerdigt wurde er am Zentralfriedhof in Wien.
Hermann Leopoldi (1888–1959) war einer der populärsten Kabarettisten und Komponisten. 1938 wurde er nach Dachau und danach nach Buchenwald deportiert. Seine Frau Helly Möslein erkämpfte seine Freilassung und ermöglichte eine Ausreise in die USA. 1947 kehrten sie nach Österreich zurück und bauten die Kabarettszene neu auf, wie auch Karl Farkas (1893–1971), der nach New York flüchten konnte und ab 1950 das Kabarett Simpl wiederaufleben ließ, das auch durch die Aufzeichnungen im österreichischen Fernsehen große Erfolge feierte. Mit Hugo Wiener führte er das Simpl bis zu seinem Tod.
Der Chansonnier, Komponist und Dichter Georg Kreisler (1922– 2011) begeisterte durch seinen schwarzen Humor. Gerhard Bronner (1922–2007), Autor, Musiker und Kabarettist, konnte nach Palästina flüchten. 1955 übernahm er in Wien die Marietta-Bar (das spätere Kabarett Fledermaus) und dann das Theater am Kärntner Tor. Bronner erarbeitete zahlreiche Radio-und Fernsehsendungen. Sein Sohn Oscar ist Gründer des Nachrichtenmagazins profil und der Tageszeitung Der Standard.