Hast du schon einmal etwas getan oder gesagt, das dir so richtig leidgetan hat? Und jetzt stell dir vor, du könntest einmal im Jahr auf einen Knopf drücken, der all das wiedergutmacht. Genau das ist die Idee hinter Rosch Haschana, dem jüdischen Neujahrsfest. Dieses „Silvester der Juden“ hat aber nichts mit ausgelassenen Partys und lauten Knallern zu tun, sondern damit, leise innezuhalten und noch einmal über das vergangene Jahr nachzudenken.
von Lisa Fenz-Stadtherr, Natasha Macheiner und Fabian Gaida
Was wird an Rosch Haschana gefeiert?
Das hebräische Wort Rosch Hachanah heißt übersetzt „Kopf des Jahres“, also Neujahrsanfang. Gefeiert wird dabei die Erschaffung der Welt und der ersten Menschen, Adam und Eva. Mit ihnen sind am ersten Tag auch gleich Sünde und Reue entstanden. Du erinnerst dich an die Geschichte mit dem Apfel, den Eva verbotenerweise gegessen hat. Im Judentum steht diese Geschichte für die Bedeutung von Entscheidungen und ihren möglichen Konsequenzen sowie für die Möglichkeit, sich von Gott abzuwenden und wieder zu ihm zurückzukehren.
Deshalb ist das jüdische Neujahr auch jener Zeitpunkt, um innezuhalten und über das vergangene Jahr nachzudenken: Was war gut? Was hätte ich besser machen können? Wem habe ich vielleicht unabsichtlich wehgetan?
Zehn Tage lang dauert diese Zeit der Einkehr und Reue. Dabei geht es nicht darum, sich selbst fertig zu machen, sondern zu reflektieren. Mit dem Ziel, es im nächsten Jahr besser zu machen. Für Gläubige ist es auch die Gelegenheit, ins Buch des Lebens zu kommen.
Die Legende der drei Bücher
Der Legende nach öffnet Gott an Rosch Hachanah drei Bücher: eines für die ganz Gerechten, eines für die ganz Bösen und eines für die große Mehrheit der Menschen in der Mitte. Zehn Tage lang kannst du durch gute Taten und Reue zeigen, dass du ins „Buch des Lebens“, also in das der Gerechten, eingeschrieben werden möchtest. Wer das schafft, kann als „unbeschriebene Seele“ ins neue Jahr starten.
Während der zehn Tage von Rosch Hachanah bis Jom Kippur solltest du dich übrigens auch bei jenen Menschen entschuldigen, denen du wehgetan hast. Eine WhatsApp reicht aber leider nicht.
Warum sind Traditionen so wichtig?
Mit Rosch Hachanah sind viele Traditionen verbunden. So wird etwa das Schofar geblasen – das Horn eines Widders, dessen Klang die Menschen wachrütteln soll. Es werden süße und runde Speisen gegessen. Etwa in Honig getunkte Äpfel, damit das Jahr süß und gut wird. Oder die Challa – ein runder Hefezopf, der den Kreislauf des Lebens symbolisiert und ein „rundes“, gutes Jahr bewirken soll. Oder ein Granatapfel, bei dem man sich wünscht, dass die guten Taten im neuen Jahr so zahlreich sein mögen wie die Kerne des Granatapfels.
Aber was haben diese alten Traditionen mit dem Heute zu tun? Auch wenn sie alt sind, sind ihre Botschaften aktueller denn je. Gerade in dieser schnelllebigen Zeit, in der oft Dinge unreflektiert und meist hinter vorgehaltener Hand gesagt werden – auch über WhatsApp und Co. – ist es umso wichtiger, über seine Taten nochmals nachzudenken.
Jom Kippur, der Versöhnungstag
Das Neujahrsfest endet dann mit dem höchsten jüdischen Feiertag: Jom Kippur. An diesem Tag wird gar nichts gegessen und getrunken. Man verbringt viel Zeit in der Synagoge und bittet Gott um Verzeihung für die eigenen Fehler. Davor muss man sich aber eben bei jenen Menschen entschuldigt haben, mit denen man Streit hatte oder denen man Unrecht getan hat. Jom Kippur ist also die letzte große Chance im Jahr, um reinen Tisch zu machen und sich mit Gott und den Mitmenschen zu versöhnen.
Also, nutze Rosch Haschana – damit dein neues Jahr richtig großartig wird.
