Jüdisches Magazin für Politik und Kultur
  • ÜBER UNS
  • WERBEN IM NU
  • ABO / VERKAUF
  • REDAKTIONSTEAM
Keine Ergebnisse
Alle Ergebnisse anzeigen
NU
  • NU
  • Aktuell
  • Dossier
    • Jüdisches Lateinamerika
    • Die Palästinenser
    • Freunde und Feinde Israels
    • Medien und Israel
    • Wahlen 2024
    • Israel und der Terror
    • Chassidismus
    • Jüdische Aristokratie
    • 75 Jahre Israel
    • Judentum und andere Religionen
    • Judentum und Medien
    • Osteuropäisches Judentum
    • Jüdisches Amerika
    • Jüdischer Humor
    • Wissenschaft
    • Wokeness
    • Israel und die Welt
    • Comics
    • Jubiläumsjahr 2020
    • Koscherer Sex
    • Koscher & Co
    • Jüdische Identität
    • Jüdischer Sport
    • Jüdisches Leben in der Diaspora
  • Politik
    • Politik kinderleicht
  • Unterwegs mit
  • Kultur
  • Israel / Naher Osten
  • Zeitgeschichte
  • Jüdisches Leben
    • Rabbinische Weisheiten
    • Religion
    • Das vorletzte Wort
  • Archiv
    • 20 Jahre NU
  • NU
  • Aktuell
  • Dossier
    • Jüdisches Lateinamerika
    • Die Palästinenser
    • Freunde und Feinde Israels
    • Medien und Israel
    • Wahlen 2024
    • Israel und der Terror
    • Chassidismus
    • Jüdische Aristokratie
    • 75 Jahre Israel
    • Judentum und andere Religionen
    • Judentum und Medien
    • Osteuropäisches Judentum
    • Jüdisches Amerika
    • Jüdischer Humor
    • Wissenschaft
    • Wokeness
    • Israel und die Welt
    • Comics
    • Jubiläumsjahr 2020
    • Koscherer Sex
    • Koscher & Co
    • Jüdische Identität
    • Jüdischer Sport
    • Jüdisches Leben in der Diaspora
  • Politik
    • Politik kinderleicht
  • Unterwegs mit
  • Kultur
  • Israel / Naher Osten
  • Zeitgeschichte
  • Jüdisches Leben
    • Rabbinische Weisheiten
    • Religion
    • Das vorletzte Wort
  • Archiv
    • 20 Jahre NU
Keine Ergebnisse
Alle Ergebnisse anzeigen
NU
Jüdisches Magazin
Keine Ergebnisse
Alle Ergebnisse anzeigen
Home Jüdisches Leben

Jüdisch sein heute in Wien

Mark Elias Napadenski von Mark Elias Napadenski
4. August 2025
in Jüdisches Leben
Jüdisch sein heute in Wien

Ruth Werdigier, Dina Margules-Rappaport, Mark Elias Napadenski und Fritz Rubin- Bittmann im Gespräch über jüdische Identität. ©Fabian Gaida

Auf Facebook teilenAuf Twitter teilenAls e-Mail senden

Vier Menschen. Drei Generationen. Ein Gespräch über jüdische Identität in Wien. Zwischen Erinnerung und Alltag, Religiosität und Säkularität, Antisemitismus und Selbstbehauptung.

Von Mark Napadenski

Wien, einst das pulsierende Herz des mitteleuropäischen Judentums, ist heute Heimat einer kleinen, aber bemerkenswert lebendigen jüdischen Gemeinschaft. In einem intergenerationellen Gespräch treffen vier Stimmen aufeinander: Die Psychotherapeutin Ruth Werdigier, die ehemalige Kultusrätin und Professorin (FH) Dina Margules-Rappaport, NU-Redakteur Mark Napadenski und der Mediziner und Shoah-Überlebende Dr. Fritz Rubin-Bittmann. Die Sichtweisen sind so unterschiedlich wie komplementär. Eine Polyphonie jüdischer Lebensrealitäten im Wien der Gegenwart.

Ein heller Raum, ein langer Tisch, vier Stühle. Drei Generationen treffen aufeinander, um über ein Thema zu sprechen, das selten einfach ist – und schon gar nicht im jüdischen Kontext: Identität. Was heißt es, heute in Wien jüdisch zu sein? Zwischen Religion und Säkularismus, Erinnerung und Alltag, Angst und Stolz, bewegt sich jüdisches Leben in Österreichs Hauptstadt auf einem schmalen Grat. Einst lebten mehr als 200.00 Juden in Wien. Heute hat die Kultusgemeinde etwa 8.000 Mitglieder. Was bedeutet jüdische Identität heute?

„Für mich ist jüdische Identität verbunden mit meiner Kindheit“ sagt Ruth Werdigier, die in Rumänien aufgewachsen ist. „Ich bin in einem orthodoxen Haus aufgewachsen, mit Thora, Schabbat, Feiertagen, mit all den religiösen Ritualen. Das hat mich geprägt. Aber das allein ist es nicht. Ich denke auch an den Humanismus, an Moses Mendelssohn, Hannah Arendt, Sigmund Freud. Diese Linie des jüdischen Humanismus ist für mich genauso Teil meiner Identität. Freud ganz besonders. Ich bin Psychotherapeutin, natürlich gehört er zu meinem geistigen Gepäck.“

Mark Napadenski nickt. „Ich glaube, viele in Wien verbinden Judentum mit diesem intellektuellen Erbe. Die Wiener Moderne, das jüdische Bürgertum um 1900, das hat etwas Nostalgisches, aber auch eine ganz konkrete kulturelle Kraft. Ich denke an Literatur, an Philosophie. Vielleicht ist es ein ´sich Sehnen` nach der Zeit vor 1933. Für mich ist auch die Kulinarik in der Gegenwart ein großer Teil der jüdischen Identität. Pessach, Mazzot, der gefilte Fisch meiner Großmutter. Kultur wird über gemeinsames Essen vermittelt. Das hat auch bei uns eine große Rolle gespielt.“

Dina Margules-Rappaport ergänzt: „Ich bin sehr säkular aufgewachsen, aber ich war in einer religiösen Jugendbewegung. Ich habe vieles mitgenommen, auch wenn ich es selbst nicht praktiziere. Für mich ist das Jüdische daher auch eher intellektuell und kulturell. Also der ´jüdische Kopf`, wie es so schön heißt. Das Hinterfragen, das Denken um Ecken, das hat mein eigenes Denken und meine Identität stark geprägt.“

„Darf ich noch hinzufügen“ wirft Ruth Werdigier ein „weil ich mit Humor assoziiert werde; ganz wichtig ist auch der jüdische Witz. Das gehört absolut zu meiner jüdischen Identität. Und den gibt es auch tatsächlich, er ist nicht nur ein Mythos. “Doch nicht alles an jüdischer Identität ist selbstgewählt. Immer wieder, so berichten alle Teilnehmenden, wird ihnen diese Identität auch von außen zugeschrieben, mal freundlich, mal feindlich, manchmal einfach nur ahnungslos.„Ich war in einer französischen Schule, später an der WU“, erzählt Dina Margules-Rappaport. „Und da war ich oft „die Jüdin“ – nicht unbedingt negativ, aber auffällig. Man wurde gefragt: „Wie siehst du das – als Jüdin?“ Diese Rolle wird einem zugewiesen, ob man sie haben will oder nicht. Natürlich wählt man sich sein Umfeld auch selbst. Ich hatte das Glück, oder habe es mir bewusst so eingerichtet, meist in einer sehr toleranten Gesellschaft zu leben. Doch gerade dort wird die eigene Position zu verschiedensten Themen häufig abgefragt. Ich habe mich auch bewusst exponiert, in der jüdischen Hochschülerschaft, später im Kultusrat und damit auch in eine halböffentliche Rolle begeben.“

Mark Napadenski: „Ich hatte in der Volkschule eine Mitschülerin, die mir ernsthaft vorgeworfen hat, wir hätten Jesus umgebracht. Ich wusste gar nicht, wie ich reagieren soll. Ich habe nur gesagt: „Also ich war’s jedenfalls nicht.“ Später war ich dann in einem Umfeld, in dem es sowohl philosemitische Neugier als auch unterschwellige, oft unreflektierte Vorurteile gab. Im Gymnasium Wasagasse, einer Schule mit großer jüdischer Vergangenheit, geprägt von Namen wie Stefan Zweig und Friedrich Torberg und einem gewissen institutionellen Schuldbewusstsein, war mir dieser Unterton aber noch nicht ganz klar. Erst als ich mich dann als Student mehr mit den historischen Kontinuitäten beschäftigt habe, ist mir klar geworden wie stereotypisiert über Judentum in bürgerlichen Kreisen nachgedacht wird.“

Ruth Werdigier: „Ich erinnere mich, wie ich mich früher geschämt habe, das Wort „Jude“ auszusprechen. Als wir aus Rumänien nach Österreich kamen, war das etwas, das man besser für sich behielt. Heute kann ich sagen: Ich bin Jüdin. Aber das war ein langer Weg.“

„Ich war von der ersten Sekunde meines Lebens als Jude verfolgt“, wirft Fritz Rubin-Bittmann ein. Der inzwischen über 80-jährige Arzt ist ein Überlebender der Shoah. „Für mich bedeutet jüdische Identität ein tiefes, selbstverständliches Lebensgefühl, eines, das mich von Geburt an begleitet hat. Ich wurde 1944 im Versteck geboren, als Kind zweier U-Boote (Juden, die sich vor den Nazis verstecken konnten. Anm. d. Red.). Mein Elternhaus war religiös und zionistisch geprägt, und diese Werte trage ich bis heute in mir: Ich bete dreimal täglich, halte Schabbat, versuche die religiösen Gebote einzuhalten und verstehe Judentum auch als Verpflichtung zur Mitmenschlichkeit. Meine Eltern haben während des Krieges unter Lebensgefahr anderen Juden geholfen. Für ihren Mut wurde später eine Straße in Wien nach ihnen benannt. Dieses Vorbild prägt mein Verständnis: Jude sein heißt für mich, sich in allen Situationen als Mensch zu bewähren, mit Haltung, Würde und Widerstandskraft. Ich habe mich Zeit meines Lebens gegen antisemitische Anfeindungen zur Wehr gesetzt. Ein Lehrer, der mich in der Schule wegen meines Jüdischseins diskriminieren wollte, wurde schließlich suspendiert. Auch die jüdische Geisteswelt war für mich prägend. Durch mein Elternhaus, durch meinen Beruf, durch den engen Kontakt zu Viktor Frankl, mit dem mein Vater befreundet war, wuchs mein philosophisches Interesse. Ursprünglich wollte ich Psychiater werden, doch ich wurde schließlich Facharzt für Gefäßmedizin. Auch auf diesem Weg ist mir eines geblieben: das Streben nach Menschlichkeit und Sinn, tief verwurzelt in meiner jüdischen Identität. Mein Vater, in Gestapo-Haft, hat sich z.B. geweigert, am Schabbat zu unterschreiben. Er sagte: `Ich unterschreibe nicht, ich bin Jude.´ Wie der Gestapo-Beamte daraufhin tobte und dann, aus für ihn unerfindlichen Gründen, den Befehl gab, den `Saujuden´, wie er sagte, zurück in die Zelle zu bringen. Ich kann mich auch daran erinnern als in der Volksschule Juden aufgezogen wurden `Jud, Jud, Spuk in Hut´, haben meine Klassenkollegen gerufen, als sie einen orthodoxen Juden auf der Straße sahen. Und als ich sagte `Ich bin auch ein Jud´, antwortete eines der Kinder: `Aber du hast ja keinen Hut´.“ Es ist anscheinend eine Mischung aus existenzieller Bedrohung, felsenfestem Stolz und humorvoller Selbstbehauptung, die sich durch seine Erzählung zieht. Die Frage, ob jüdische Identität heute freier oder verengter ist, sorgt dann für Kontroversen.

„Ich glaube, heute gibt es mehr Spielarten, jüdisch zu sein“, meint Mark Napadenski. „Mehr Pluralität, mehr individuelle Zugänge.“

Fritz Rubin-Bittmann widerspricht entschieden: „Vor dem Krieg gab es in Wien mehr als 200.000 Juden. Von ultraorthodox bis kommunistisch, alles war da. Jüdische Identität war kein Konzept, sie war gelebter Alltag. Und vor allem: Sie war selbstverständlich.“
„Aber war sie wirklich selbstverständlich?“ fragt Ruth Werdigier.

„Es hat sich in der Gegenwart sehr viel getan, im Selbstverständnis aber auch in der Infrastruktur der Gemeinde“, erwidert Dina Margules-Rappaport. „Wir sind eine lebendige, mitunter auch laute Gemeinde und das ist grundsätzlich etwas Positives. Was mir jedoch über die Jahre zunehmend auffällt, ist eine spürbare Verschiebung hin zur Religiosität. Es gibt einen klaren Trend in diese Richtung, den ich persönlich mit gemischten Gefühlen betrachte. So sehr ich Orthodoxie respektiere und der Überzeugung bin, dass jede und jeder Judentum auf eigene Weise leben soll, sehe ich mit Sorge, dass der säkulare Bereich zunehmend an Sichtbarkeit und Bedeutung verliert. Gerade wenn ich an die kommende Generation denke, an meine eigenen Kinder und deren Umfeld, frage ich mich, ob wir ihnen noch genügend Raum in der Gemeinde bieten. In meiner Jugend lag das Zentrum des Gemeindelebens eher in einem traditionellen, aber nicht streng religiösen Bereich. Heute hingegen habe ich das Gefühl, dass sich dieser Fokus zunehmend verengt. Und das wirft die Frage auf, ob sich junge, säkulare Jüdinnen und Juden in Zukunft noch in der Gemeinde wiederfinden oder sich von ihr entfremden“, meint Dina Margules-Rappaport.

„Neben den Jugendorganisationen sind vor allem die Jüdischen österreichischen Hochschülerinnen Dreh und Angelpunkt der jungen säkularen jüdischen Generation, die vielleicht weniger an Religiosität interessiert ist. In meiner Zeit bei der JÖH ging es auch darum, möglichst inklusiv zu sein gegenüber nicht religiösen jungen Personen die trotzdem gemeinsam jüdische Feste feiern wollen. Es geht aber natürlich nicht nur um Feste, sondern auch darum, politische Arbeit zu machen, Demos zu veranstalten, gegen Antisemitismus aufzustehen. Vor allem an den Universitäten hat sich die Situation seit dem 7. Oktober verschlimmert.“

Fritz Rubin-Bittmann: „Chabad ist doch auch eine spannende Organisation für junge Leute. Sie veranstalten Events, schaffen ein Angebot. Sie haben jüdische Restaurants eröffnet, Gebetshäuser, Frauennetzwerke. Sie bringen das Judentum den Menschen wieder näher.“

Hier erwidern die Gesprächspartner, das klinge nach Missionierung nach innen. „Nein“, antwortet Fritz Rubin-Bittmann. „Bei Juden gibt es keine Missionierung. Nur Erinnerung.“ „Für mich wirkt das fast sektenhaft“, sagt Ruth Werdigier. „Ich akzeptiere es, aber ich finde mich dort nicht wieder.“

In einem sind sich alle einig. In den letzten Jahren habe es einen wahren Boom gegeben. Jüdisches Leben werde immer sichtbarer und Wien etabliere sich als sicherer Hafen für orthodoxe Jüdinnen und Juden aus ganz Europa, die sich in ihrer Heimat nicht mehr sicher fühlen. Ein zentrales Thema, vor allem nach dem 7. Oktober 2023, ist aber der Antisemitismus.
Dina Margules-Rappaport: „Gibt es heute mehr Antisemitismus? Ja, ohne Zweifel. Aber ich empfinde die Situation in Wien nicht bedrohlich für die jüdische Gemeinde – zumindest im Moment nicht. Ich hoffe sehr, dass das so bleibt. Die Zahlen der Antisemitismus-Meldestelle steigen zwar stetig, doch ich blicke mit einer gewissen Skepsis auf die Art ihrer Erhebung, insbesondere was den Bereich des Online-Antisemitismus betrifft. Je intensiver man sucht, desto mehr wird man finden – das ist statistisch wenig aussagekräftig. Signifikanter sind hingegen die verbalen oder physischen Übergriffe. Da sehen wir leider einen Anstieg. Dennoch fühle ich mich in Wien weiterhin sicher. Ich erinnere mich an die Anschläge der 1980er-Jahre – an Zeiten, die deutlich bedrohlicher waren. Die jüdische Gemeinde hat sich seitdem stark entwickelt. Heute gibt es zahlreiche Institutionen, koschere Restaurants, jüdische Geschäfte – jüdisches Leben ist sichtbar und vielfältig. Was sich allerdings verändert hat, ist die Offenheit, mit der Antisemitismus heute auftritt. Lange war er latent, heute ist er zunehmend salonfähig – gerade in bestimmten linken, antizionistischen Kreisen. Das schmerzt mich besonders, da ich mich selbst eher als links denkend verstehe und mich mit dieser Radikalität und Einseitigkeit in keiner Weise identifizieren kann.“

Ruth Werdigier: „Der Antisemitismus ist offener geworden. Das spüre ich heute deutlicher denn je. In einer Therapiestunde etwa sagte eine Patientin, sie sei sehr betroffen von der Lage in der Ukraine, in Israel und Gaza und fügte dann mit gesenkter Stimme hinzu: `Oh, das darf ich Ihnen ja gar nicht sagen´, als hätte sie Angst, Israel zu kritisieren, einfach, weil ich Jüdin bin. In diesem Moment wurde mir übel, nicht wegen ihrer Meinung, sondern wegen der Vorstellung, was wohl alles unausgesprochen hinter meinem Rücken gesprochen wird. Schon vor zwanzig Jahren kam nach einer längeren Therapiesitzung eine Frau zu mir und sagte: `Mein Mann hat herausgefunden, dass Sie Jüdin sind. Er erlaubt mir nicht mehr, zu Ihnen zu kommen´. Diese Geschichten gab es immer, doch heute treten sie offener zutage. Was mich trotz allem stärkt, ist die jüdische Gemeinschaft, insbesondere das Engagement für Frauen. Ich finde es großartig, dass es Veranstaltungen gibt, bei denen orthodoxe und nicht-orthodoxe Frauen zusammenkommen, um sich gegenseitig zu unterstützen. Ich denke aber leider oft, wenn ich an koscheren Geschäften oder Restaurants vorbeigehe: `Was, wenn jemand eine Bombe hineinwirft?´ Mein Sicherheitsgefühl ist seit dem 7. Oktober sicherlich kleiner geworden.“

Mark Napadenski: „Sicherheit ist ein Dauerthema. Aber es gelingt, öffentliche Events durchzuführen, ohne große Zwischenfälle. Und das ist ein Zeichen von Normalität. Was aber auch immer schon Normalität war, ist die Präsenz der Polizei vor den Synagoge und Schulen. Dieses Selbstverständnis, dass ein dauerhafter Schutz von jüdischen Veranstaltungen überhaupt notwendig ist, ist ein status quo der eigentlich nicht Normalität bedeuten sollte. Diese konstante Bedrohung gehört zum jüdischen Alltag in Wien. Und paradoxerweise: Wenn dieser Schutz einmal fehlen würde, würde sich das für mich unsicher anfühlen. Das sagt viel darüber, wie eng Sicherheit und jüdisches Leben hier miteinander verwoben sind.“

Fritz Rubin-Bittmann „Antisemitismus ist in Wien kein neues Phänomen. Er war immer da, mal latenter, mal offener. Doch was sich in jüngerer Zeit verschoben hat, ist die Art und der Ursprung des Hasses. Heute tritt vor allem der islamistisch geprägte Judenhass in den Vordergrund – mit erschreckender Offenheit: Es werden Israel-Flaggen verbrannt, zur Zerstörung Israels und zur Vernichtung der Juden aufgerufen, oft, ohne dass die Polizei eingreift. Während der Fokus im öffentlichen Diskurs immer wieder auf bekannte Einzelpersonen gerichtet ist, bleibt der islamistische Antisemitismus weitgehend unbeachtet, auch vonseiten der Kultusgemeinde. Ich kenne viele, religiöse wie säkulare Jüdinnen und Juden, die regelmäßig Anfeindungen erleben. Gerade die sichtbar religiösen Juden werden bespuckt, attackiert, teils sogar verletzt. Ein Rabbiner, den ich persönlich kenne, verlor durch eine Auseinandersetzung einen Teil seines Fingers. Das sind keine Einzelfälle, sondern eine Realität, die zunehmend zur Belastung wird und die in ihrer Dringlichkeit oft zu wenig Gehör findet.“

Dina Margules-Rappaport: „Wir sind aber weit gekommen. Wenn ich an den schrecklichen Anschlag in der Seitenstettengasse denke. Daraus hat die Gemeinde sicherlich einiges gelernt.“

Fritz Rubin-Bittmann: „Zum Zeitpunkt des Attentats 1981 kam ich in die Seitenstettengasse. Ich konnte noch Erste Hilfe leisten. Dass damals nicht noch Schlimmeres geschah, war allerdings nicht der bezahlten Security zu verdanken, sondern dem mutigen Eingreifen eines privaten Leibwächters – jenem von Leopold Böhm, einem Geschäftsmann. Dieser Leibwächter stellte sich den Attentätern mit seiner Waffe entgegen und konnte sie stoppen.“

Dina Margules-Rappaport: „Rückblickend war das wohl größte Glück, dass der Sicherheitsmann vor Ort genau im richtigen Moment richtig gehandelt hat: Er konnte rechtzeitig die schwere Eisentür der Synagoge schließen und Schlimmeres verhindern. Niemand konnte mehr eindringen. Nur wenige Schritte weiter, in der Nähe eines kleinen religiösen Vereins in der Seitenstettengasse, wurden dann aber drei Menschen erschossen.“

Fritz Rubin-Bittmann: „Ich kann mich leider noch gut daran erinnern. Ich habe zwei davon sehr gut gekannt. Aber vergessen wir eines nicht. Das Judentum hat eine Zukunft in Wien. Die kleinen Buben mit Pajes und Mädchen auf ihren Rollern, die durch den zweiten Bezirk sausen, sie sind die Zukunft. Vielleicht nicht mehr meine aber die des Judentums.“

„Es gibt schöne positive Entwicklungen“, sagt Ruth Werdigier. „Es gibt heute einen jüdischen Chor, Jüdische Filmfestivals, viele Klezmer Konzerte, unterschiedlichste Veranstaltungen an denen auch Nicht-Juden teilnehmen. Das ist für mich gelebter Pluralismus.“

Dina Margules-Rappaport: „Es hat sich viel verändert. Als ich im 2. Bezirk aufgewachsen bin, gab es ein einziges koscheres Geschäft, heute gibt es eine beeindruckende Vielfalt. In meiner Kindheit und Jugend, war koschere Verpflegung auf Reisen eine kleine Herausforderung es gab lediglich eine koschere Fleischerei, das war alles. Koschere Milchprodukte gab es gar nicht.“

Fritz Rubin-Bittmann: „Der Großvater von einem Bekannten hatte eine Kuh im Wienerwald.“ Mark lacht: „Eine koschere Kuh also?“ „Ich weiß es nicht. Aber sie hat angeblich koschere Milchprodukte erzeugt. Die hat man dann zu den Orthodoxen nach Wien gebracht“, sagt Rubin-Bittmann und Mark Napadenski wirft ein: „Mittlerweile ist auch das Eis von Veganista koscher!“

Fritz Rubin-Bittmann: „Eines sollte an dieser Stelle unbedingt noch gesagt werden: Ein großer Dank gebührt Martin Engelberg und Danielle Spera! Sie ermöglichen mit ihrer Unterstützung das Erscheinen von NU. Das ist nicht selbstverständlich. Sie agieren hier wirklich als Mäzene. NU ist mehr als eine Zeitung. Es ist eine kulturpolitische Stimme mit Strahlkraft weit über Österreich hinaus. Es gibt viele religiöse Blätter, die eher wie Druckfehler wirken. NU hingegen ist eine echte Zeitung, mit Haltung und Qualität. Ich bekomme regelmäßig Rückmeldungen aus Deutschland und der Schweiz, wenn dort jemand einen meiner Artikel liest. Oft werde ich gebeten, ihnen den Text zu schicken. Und selbst Freunde in New York lesen NU. Das zeigt, wie weitreichend und relevant diese Publikation ist. Eine großartige Sache.“

Alle stimmen zu: NU Ist ein fester bestandsteil des jüdischen Lebens in Wien geworden!

Wir gratulieren herzlich zu 25 Jahren NU! Mazal Tov!

Vorheriger Beitrag

„Bei der ersten Begegnung mit einem Juden bekam ich eine Panikattacke“

Nächster Beitrag

Achtzig Jahre danach

Mark Elias Napadenski

Mark Elias Napadenski

Mark Elias Napadenksi ist in der Studienvertretung Kunstgeschichte und bei der Jüdischen Österreichischen Hochschüler*innenschaft tätig.

Aktuelle Ausgabe​



Bestellen Sie jetzt Ihr Abo!

  • Über uns
  • Abo / Verkauf
  • Werbung
  • Kontakt
  • Impressum
  • Datenschutzerklärung

Wählen Sie aus

  • 20 Jahre NU
  • 25 Jahre NU
  • Aktuell
  • Archiv
  • Bücher
  • Das vorletzte Wort
  • Dossier
    • 75 Jahre Israel
    • Chassidismus
    • Comics
    • Die Palästinenser
    • Freunde und Feinde Israels
    • Israel und der Terror
    • Israel und die Welt
    • Jubiläumsjahr 2020
    • Judentum und andere Religionen
    • Judentum und Medien
    • Jüdische Aristokratie
    • Jüdische Identität
    • Jüdischer Humor
    • Jüdischer Sport
    • Jüdisches Amerika
    • Jüdisches Lateinamerika
    • Jüdisches Leben in der Diaspora
    • Koscher & Co
    • Koscherer Sex
    • Medien und Israel
    • Osteuropäisches Judentum
    • Toleranz
    • Wahlen 2024
    • Wissenschaft
    • Wokeness
  • Israel / Naher Osten
  • Jüdisches Leben
  • Kultur
  • Politik
    • Politik kinderleicht
  • Rabbinische Weisheiten
  • Religion
  • Unterwegs mit
  • Zeitgeschichte

Copyright © 2020 • Verein Arbeitsgemeinschaft Jüdisches Forum • 1010 Wien

Keine Ergebnisse
Alle Ergebnisse anzeigen
  • Über uns
  • Abo / Verkauf
  • Werben im NU
  • Aktuell
  • Dossier
  • Politik
  • Politik kinderleicht
  • Unterwegs mit
  • Kultur
  • Israel / Naher Osten
  • Rabbinische Weisheiten
  • Zeitgeschichte
  • Religion
  • Jüdisches Leben
  • Das vorletzte Wort
  • Archiv
  • 20 Jahre NU
  • Redaktionsteam

Copyright © 2020 • Verein Arbeitsgemeinschaft Jüdisches Forum • 1010 Wien

Zum Ändern Ihrer Datenschutzeinstellung, z.B. Erteilung oder Widerruf von Einwilligungen, klicken Sie hier: Einstellungen
Logo des Popups
Datenschutz
Details
Impressum | Datenschutzvereinbarungen
Wir, Verein Arbeitsgemeinschaft jüdisches Forum (Vereinssitz: Österreich), verarbeiten zum Betrieb dieser Website personenbezogene Daten nur im technisch unbedingt notwendigen Umfang. Alle Details dazu in unserer Datenschutzerklärung.
Logo des Popups
Datenschutz
Details
Impressum | Datenschutzvereinbarungen
Wir, Verein Arbeitsgemeinschaft jüdisches Forum (Vereinssitz: Österreich), verarbeiten zum Betrieb dieser Website personenbezogene Daten nur im technisch unbedingt notwendigen Umfang. Alle Details dazu in unserer Datenschutzerklärung.
Lade Details
Zurück
Ok
Ok