Der Zwiekommentar von Peter Menasse und Erwin Javor
Menasse: Heute ist es besonders schwierig fürs NU zu dajgezzen. Wir sitzen da, die Kultuswahlen haben eben erst stattgefunden, nicht jedoch die schwierigen Koalitionsverhandlungen und wir müssen dennoch schon den Ausgang kommentieren, weil die Zeitung bereits in Druck gehen soll.
Javor: Das ist ganz einfach. Sie werden jedenfalls ein Riesenerfolg.
Menasse: Wie meinst du das?
Javor: Ich freue mich einfach, wenn in Österreich eine jüdische Partei Wahlen gewinnt.
Menasse: Und den Präsidenten magst du ja auch besonders gern.
Javor: Wieso, wer wird Präsident?
Menasse: Na ist das nicht schon geklärt? Ariel Muzicant hat doch in Interviews bedauert, dass es keinen Gegenkandidaten gibt.
Javor: Halt, halt. Es treten acht Parteien zur Wahl an, das sind im Übrigen um drei mehr als im österreichischen Nationalrat vertreten sind.
Menasse: Acht Parteien? Das heißt ja, dass bei rund 7.000 Juden in der Kultusgemeinde, von denen die Hälfte zur Wahl geht, jeweils etwa 400 Wähler eine eigene Partei haben. Wenn man das auf die USA umlegt. Dort würden ja dann die Wahllisten ganze Bibliotheken füllen.
Javor: Und so gesehen, muss man sich fragen, wieso die Chinesen mit so wenigen Parteien auskommen.
Menasse: Das ist einfach, dort leben relativ wenig Juden.
Javor: Andererseits muss man bedenken, dass jeder Jude mindestens zwei fundierte Meinungen zu ein und demselben Thema hat und ein paar weniger fundierte meist auch noch. Und da sind acht Parteien eigentlich gar nicht so viel.
Menasse: Und diese acht Parteien einigen sich dann nach der Wahl auf einen Präsidenten?
Javor: Einigen ist ein großes Wort gelassen ausgesprochen. Es wird abgestimmt. Und zwar in völlig unjüdischer Form. Jeder gewählte Mandatar hat nur eine Stimme. Diese Ungerechtigkeit wurde auch durch das Toleranzpatent von Joseph II. nicht beseitigt.
Menasse: Sag einmal, woher kommen die vielen Mandatare? Das muss ja schwierig sein, bei einer so geringen Anzahl von Juden Listen mit jeweils 24 Mandataren aufzustellen. Acht Listen zu 24 Mandataren ergibt ja 192 Menschen, die bereit wären, ehrenamtlich für die Gemeinde zu wirken.
Javor: In Notzeiten muss eben jede Familie Opfer bringen.
Menasse: Nebbich, ein Opfer. Die meisten werden ja ohnehin nicht gewählt. Aber 24 Kultusräte insgesamt, die dann Regierung und Opposition spielen, braucht es ja doch.
Javor: Ja, vor allem die Aufstellung einer Opposition ist sehr schwierig. Aber unser weiser, wahrscheinlich wieder gewählter Präsident weiß immer einen Ausweg. Er animiert einfach seine engsten Mitarbeiter dazu, ihre Kinder als Oppositionsführer zur Verfügung zu stellen. Das nenne ich mir wahre Größe.
Menasse: Aber so großzügig, dass er sie medial zu Wort kommen lässt, ist er auch wieder nicht. Ich sehe seit ein paar Wochen Ariel Muzicant ununterbrochen in allen Medien. Wie es der Zufall will, ärgert ihn gerade jetzt knapp vor der Wahl, dass das Wiesenthal Center verschleppt wird, oder er legt sich für den Bau von Moscheen ins Zeug. Er führt einen richtigen Wahlkampf. Seine Konkurrenten haben mir die Medien aber nicht vorgestellt.
Javor: Mir ist lieber, er zerbricht sich den Kopf über Moscheenbau als über jüdischreligiöse Fragen. Eigentlich könnte er sie ja gleich selber bauen. Immerhin ist Bauen seine Kernkompetenz.
Menasse: Der Lugner hat auch mit dem Bau von Moscheen begonnen und ist dann bei einer Bundespräsidentenwahl angetreten. Wenn der Muzicant das auch plant und sich dann seine Gegenkandidaten in geübter Manier gleich mitnimmt, hat er eine echte Chance.
Javor: Das Mindeste, was man in so einem Fall gewinnt, ist eine Sendung in ATV.
Menasse: Also wer wird jetzt deiner Meinung nach Präsident der Kultusgemeinde?
Javor: Bin ich ein Meinungsforscher?
Menasse: Bitte zahlen, Javor ist mir heute zu unsachlich.
* dajgezzen: sich auf hohem Niveau Sorgen machen; chochmezzen: alles so verkomplizieren, dass niemand – einschließlich einem selbst – sich mehr auskennt.