Ein Rabbiner, ein Pfarrer und ein Imam treffen sich in einer Bar… – dies ist heutzutage längst nicht mehr nur der Beginn eines Witzes, sondern real gelebter Austausch zwischen den Religionen, in gegenseitigem Respekt und gewachsenem Vertrauen.
Von Jaron Engelmayer
Judentum und Islam – es mag einem oft so vorkommen, als ob ein tiefer Graben zwischen diesen beiden Religionen liegt. In Wirklichkeit wird beim genaueren Hinsehen jedoch deutlich, dass diese beiden Religionen durchaus sehr viel verbindet, theologisch betrachtet in mancher Hinsicht sogar mehr als das Christentum mit dem Judentum, obschon alle drei Religionen mit ihren abrahamitischen Wurzeln an sich schon viele Gemeinsamkeiten aufweisen.
Durch das Aufkommen verschiedener monotheistischer Religionen sah sich Maimonides (1135-1204) im Hochmittelalter veranlasst, die 13 Glaubensgrundsätze zu verfassen, um damit die theologisch-religiösen Grundlagen des Judentums aufgrund der jüdischen Tradition und Schriften klar zu definieren und die Unterschiede insbesondere zu den verwandten Religionen abzustecken. Diese, in drei Gruppen geteilt, befassen sich zunächst in den ersten fünf Glaubensgrundsätzen mit dem jüdischen G“ttesbild. Klar werden hier bereits Trennlinien zwischen Judentum und Christentum sichtbar, wie etwa mit der Feststellung, dass G“tt keinen Körper und nichts Körperähnliches hat, eine unteilbare Einheit darstellt, und nur dieses Wesen und außer Ihm kein anderes Wesen angebetet werden darf.
Mit allen diesen Prinzipien sind Judentum und Islam konform, lehrt der Islam doch ebenfalls, dass es nur einen körperlosen und unteilbaren G“tt gibt und nur dieser und sonst niemand angebetet werden darf, auch nicht der menschliche Religionsbegründer Mohammed.
Die Unterschiede zum Islam werden erst in den folgenden Glaubensgrundsätzen hervorgehoben, welche formulieren, dass im Judentum Moses der größte Prophet ist und die Torah, die Lehre G“ttes, welche er überbrachte (bekannt als Fünf Bücher Mose), bis heute original und authentisch ist und durch keine andere Lehre je ersetzt werde. Demgegenüber sehen sowohl Christentum als auch Islam in ihren Religionsstiftern die letztlich gültige Instanz und deren Worte und Weisung als bindend.
Auch in den Religionsgesetzen und der Ausübung der Traditionen sind sich Judentum und Islam in manchen Dingen sehr ähnlich. Abgesehen von Grundzügen, welche in vielen Religionen zu finden sind, vor allem im zwischenmenschlichen Bereich, wie etwa der Wohltätigkeit – Unterstützung von Armen und Bedürftigen, Bewirtung von Gästen, Besuch Kranker, Beistand in schweren Zeiten, etc., ergeben sich zwischen Judentum und Islam interessante Parallelen insbesondere im rituellen Bereich.
So gibt es in beiden Religionen tägliche Gebete zu festen Tageszeiten, im Islam fünf, im Judentum an gewöhnlichen Wochentagen drei, nur einmal jährlich am Versöhnungstag fünf. Auch das Pilgern zu einem zentralen Wallfahrtsort gehört zu dem, die Gläubigen verbindenden Element – im Islam nach Mekka, im Judentum zu Tempelzeiten nach Jerusalem. Beide Religionen sehen in der Beschneidung ein zentrales und identitätsstiftendes praktisches Gebot für männliche Kinder, welches auf die g“ttliche Weisung an den Vorvater Abraham zurückzuführen ist. Gewisse Kleidungsvorschriften existieren ebenfalls in beiden Religionen, ebenso wie Speisegesetze, welche beiden Religionen den Verzehr von manchen Tiersorten verbieten, wie etwa Schweinefleisch, oder den Verzehr erlaubter Tiere nur nach bestimmter Schlachtungsmethode zulässig machen. Natürlich sind alle diese Gebote nicht identisch, insbesondere nicht in ihren praktischen Details, aber parallele Grundzüge können hier klar erkannt werden.
Die beiden Religionen stehen sich also durchaus näher, als von manchen vermutet wird. Wir erinnern uns mit Nostalgie an das sogenannte Goldene Zeitalter, im Spanien des Hochmittelalters, in welchem mit nur wenigen Zwischenfällen Juden und Muslime in gegenseitiger Achtung und Respekterweisung das Land bewohnten. In heutiger Zeit, vielleicht mehr denn je, sind wir gefordert, mit gegenseitiger Anerkennung und Respekt zusammenzuleben und damit den Frieden und die Harmonie zu fördern, insbesondere auch zu vermeiden, Konflikte anderer Regionen zu importieren und auf die Straßen (Universitäten etc.) Österreichs, Europas oder anderer Länder zu übertragen.
Das Buch „Wenn nicht jetzt, wann dann“ ist ein wunderbares Vorbild für den fruchtbaren Austausch und das Bestreben, sich gegenseitig vertiefter kennenzulernen, damit sich nicht nur Rabbiner, Pfarrer und Imame im religiösen Austausch treffen, womit mentale Mauern und Vorurteile abgebaut und das friedliche Zusammenleben in gegenseitiger kultureller Bereicherung gefördert werden.
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Mit NU-Herausgeberin Danielle Spera und Ramazan Demir (Hochschulprofessor an der KPH Wien/Krems und Fortbildungsleiter muslimischer Religionslehrerinnen und Religionslehrer in Österreich) begegnen sich zwei Persönlichkeiten, die sich besonders passioniert für ihre Religion, aber auch für die Verständigung mit anderen Glaubensrichtungen einsetzen. Was kann bei aller Unterschiedlichkeit und jahrzehntelangen Spannungen den Frieden zwischen Judentum und Islam fördern?
Welche Rolle spielt Religion im Alltag und bei Festen und was sollten wir über die anderen wissen, um ihnen mit Respekt zu begegnen? Wie leben Jüdinnen und Juden, Musliminnen und Muslime in der heutigen Gesellschaft?
Ein aufrichtiges, ebenso ernstes wie versöhnliches Gespräch über Glaubensüberzeugungen, religiöse und kulturelle Traditionen sowie Wege zu einem friedlichen Zusammenleben.
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Ein Gespräch über Judentum und Islam
Amalthea 2024, 192 S., EUR 28,–