Minimalistisch, einfach, unspektakulär, und dennoch sehr beeindruckend. Mit diesen Worten lässt sich das Jüdische Museum München charakterisieren. Es beweist, dass man Geschichte auch mit wenigen Objekten faszinierend darstellen kann.
Von Danielle Spera (Text) und Martin Engelberg (Fotos)
Ein grauer, brachliegender Hinterhof mit einem großen Parkplatz mitten in München ist der St. Jakobs-platz bis vor wenigen Monaten gewesen, heute steht dort ein beachtliches Ensemble, das Synagoge, Museum, Gemeindezentrum und koscheres Restaurant umfasst. Im Mittelpunkt steht die Synagoge, gleich daran anschließend das Museum – ein Kubus aus grauem Kalkstein. Derzeit steht er noch inmitten einer Baustelle, bis Oktober soll der Platz endgültig fertiggestellt sein.
Das verglaste Foyer ist hell und einladend. Café und Rachel Salamanders ausgesprochen gut sortierte Buchhand-lung sind bereits zu einem Ort der Begegnung geworden. 30.000 Besucher waren allein in den ersten zwei Monaten hier. „Juden und Nichtjuden – sie haben in München ja einiges miteinander zu besprechen“, sagt Museumsdirektor Bernhard Purin. „Unser Museum ist für den Dialog geschaffen worden. Und das Konzept ist aufgegangen.“
Das zeigt sich schon an der Glasfassade, wo geschrieben steht: „In einem Film habe ich gesehen, wie Juden kleine Steine auf die Gräber der Toten gelegt haben. Können Sie mir erklären, was das bedeutet?“ Die israelische Künstlerin Sharon Lifschitz hat Gespräche mit Leuten geführt, die sie über Zeitungsinserate fand. Gesucht waren Menschen, die sich mit einer jüdischen Besucherin Deutschlands über „nichts Besonderes“ unterhalten wollten.
Zum Reden werden die Besucher überall im Museum animiert, meint Direktor Purin. In der Dauerausstellung gibt es einen Teppich in Form des Stadtplans von München. Wenn man darauf Markierungspfeile stellt, leuchten an der Wand Fotokästen auf, die Ereignisse aus der Geschichte der Münchner Juden zeigen. Auch hier kommt es ganz selbstverständlich zu Gesprächen.
Über eine Treppe, die sehr an Libeskinds Berliner Museum erinnert, gelangt man in die fensterlosen Ausstellungsräume, in denen die Wechselausstellungen zu sehen sind. Ab Juli über die jüdische Familie Wallach, die ein alteingesessenes Münchner Trachtenunternehmen geführt hat. Die Wallachs haben um 1900 das Dirndl in München salonfähig gemacht und die ersten Edelweißappliken auf Lederhosen genäht.
Er habe das Gefühl, dass in Österreich eher Ignoranz gegenüber jüdischen Museen vorherrsche, in München orte man – wie in ganz Deutschland – prinzipiell Neugier und Wissensdrang gegenüber Jüdischem, so der aus Vorarlberg stammende Direktor Purin. Deshalb habe man auch großen Wert auf die Dauerausstellung im Untergeschoß gelegt.
Gleich beim Eingang empfangen uns jüdische Stimmen aus zwei Jahrhunderten, die von ihrer Ankunft und Auf-nahme in München berichten. Geschickt erregen sie über kleine Monitore, wie sie üblicherweise in Flugzeugen hängen, Aufmerksamkeit. Am Ende stehen Cartoons des Amerikaners Jordan Gorfinkel, bei denen man gleichzeitig lacht und weint. Der in München geborene Jude Sejde wird als ehemaliger „Mitbürger“ eingeladen, seine Geburtsstadt zu besuchen. Der betagte Sejde reist hin. Gorfinkel schildert in den Cartoons Sejdes Erlebnisse. Am Ende wird er vom jungen Reiseführer gefragt, ob es noch etwas gebe, was er vermisst und gerne sehen wolle. Da antwortet Sejde, ja meine Familie …
Purin: „Unsere Besucher erwarten sich vielleicht ein happy end. Das funktioniert aber nicht, denn es entspricht nicht der Realität, sie sollen nachdenklich weggehen.“
Jüdisches Museum München
St.-Jakobs-Platz 16,
80331 München
Öffnungszeiten: Dienstag–Sonntag: 10–18 Uhr
Eintrittspreise: Erwachsene: 6 Euro, ermäßigt: 3 Euro.
www.juedisches-museum-muenchen.de