Von Mark Napadenski
NU: Warum sollten Juden und Jüdinnen bei den Nationalrats- und den EU-Wahlen ihre Stimmen den Neos geben?
Beate Meinl-Reisinger (NEOS): Grundsätzlich aus den gleichen Gründen, aus denen uns alle unsere Wählerinnen und Wähler das Vertrauen schenken: Weil wir uns verlässlich seit zehn Jahren als anständige politische Kraft für ein gutes Leben unserer Kinder einsetzen, für Chancengerechtigkeit und die Möglichkeit des Aufstiegs durch Leistung. Unsere Vision einer freien und gerechten Chancengesellschaft betrifft alle Menschen unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Religion. Wir bekennen uns dabei zur Pluralität und zur offenen Gesellschaft als wesentliche Kernsäule einer liberalen Demokratie, die wir mit Zähnen und Klauen bereit sind zu verteidigen.
Gibt es Initiativen der Neos, die sich mit den Anliegen der jüdischen Gemeinschaft in Österreich befassen?
Ja, auf mehreren Ebenen. Wir sagen klar, dass unsere eigene Vergangenheit uns dazu verpflichtet, die Sicherheit von Jüdinnen und Juden und den Kampf gegen Antisemitismus als fundamentale Verantwortung zu sehen. Darüber hinaus geht es um die Lebendigkeit von jüdischer Kultur als Bestandteil unserer kulturellen Identität. Wir haben uns immer mit Nachdruck für unsere Verantwortung gegenüber den Nachkommen von Holocaust-Überlebenden eingesetzt, zum Beispiel mit dem Vorantreiben der Möglichkeit von Doppelstaatsbürgerschaften.
Wäre eine Koalition mit einer ÖVP, die in Niederösterreich mit der FPÖ unter Udo Landbauer koaliert, für Sie im Bund denkbar?
Eine Koalition haben wir immer nur mit der FPÖ ausgeschlossen. Dabei bleibe ich auch. Was die ÖVP betrifft, wird es Sie nicht verwundern, dass uns die Koalitionen in Niederösterreich und Salzburg nicht gerade darin bestärkt haben, dass mit ihr ein progressives, proeuropäisches Regieren möglich ist.
Antisemitismus tritt in verschiedenen Formen auf. Wie manifestiert sich dies in Österreich?
Leider konnten wir besonders in den letzten Wochen und Monaten beobachten, dass Antisemitismus nicht mehr nur von der extremen Rechten gefördert wird, sondern leider auch vermehrt auf der linken Seite des politischen Spektrums stattfindet und gerade auch durch islamistische Gruppierungen verbreitet wird, wie die Pro-Palästina-Demonstrationen zeigten. Dem gilt es entschieden entgegenzutreten – nicht nur vonseiten der Politik, sondern auch vonseiten der Zivilgesellschaft. Unsere Demokratie muss wehrhaft sein. Denn Barbarei und das Bejubeln von Terror und Mord können niemals von Meinungsfreiheit gedeckt werden. Weiterhin gilt aber: Rechtsextremer Antisemitismus, der leider auch in Parteien wie der FPÖ vertreten ist, ist absolut nicht zu tolerieren.
Von wem geht die größte Bedrohung aus?
Die letzten Antisemitismus-Berichte des Parlaments haben leider gezeigt, dass Antisemitismus kein Randproblem mehr darstellt, sondern in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Daher müssen parteiübergreifend alle an einem Strang ziehen, um sich dem klar entgegenzustellen. Wo wir effektiv ansetzen können, ist bei den Jüngsten: Bildung ist der Schlüssel zu einer toleranten Gesellschaft. Andererseits braucht es von allen Menschen, die in Österreich leben, ein klares Bekenntnis zu unseren Werten. Die Mittel der liberalen Demokratie wie das Demonstrationsrecht dürfen nicht für antisemitische Propaganda missbraucht werden. Antisemitismus und Aufrufe zur Vernichtung Israels sind nicht von Meinungsfreiheit gedeckt. Keine Toleranz der Intoleranz, muss unser Motto sein.
Welche spezifischen Maßnahmen gegen Antisemitismus sollten im Regierungsprogramm verankert werden, falls Neos der nächsten Regierung angehört?
Ganz einfach: Bildung, Bildung und noch einmal Bildung. Neos ist es vor allem wichtig, möglichst früh mit Aufklärung und Prävention zu beginnen. Darüber hinaus muss im Sicherheitsapparat ein starker Fokus auf Risikoeinschätzung sowie auf das rechtzeitige Einschreiten der Polizei bei Antisemitismus gewährleistet werden.
Welche Rolle sollte Österreich bei der Förderung des Friedensprozesses im Nahen Osten spielen?
Wir haben, nicht zuletzt aufgrund unserer eigenen Vergangenheit, eine fundamentale Verantwortung, für die Sicherheit und Freiheit von Jüdinnen und Juden weltweit einzustehen. Dazu gehört ein klares Bekenntnis zu Israel und eine klare Haltung gegen den Terror der Hamas. Auch Europa muss sich Fragen stellen, weil viel Geld in die Region fließt. Es braucht scharfe Kontrollen, damit Gelder für Entwicklungshilfe keinen Terror finanzieren!
Stimmen sie Amnesty International zu, dass Israel ein Apartheidstaat ist?
Nein. Gleichzeitig wird die Debatte über die (Un-)Gleichbehandlung der verschiedenen Bevölkerungsgruppen Israels eine wichtige Rolle für Israels Sicherheit in der Zukunft spielen. Wir werden diese Debatte, die ja auch stark innerhalb Israels geführt wird, weiterhin genau verfolgen.
Würden Sie als Zeichen der Solidarität die israelische Fahne auf dem Bundeskanzleramt hissen?
Ja.