Der politische Berater und Sicherheitsexperte Dan Schueftan ist bekannt für seine meinungsstarken Aussagen. Auch zum Krieg im Gazastreifen vertritt er eine höchst umstrittene Position.
Von Nathan Spasić
NU: Wie war es möglich, dass der Hamas-Anschlag am 7. Oktober stattfinden konnte?
Dan Schueftan: Wir haben versagt, sowohl was unsere nachrichtendienstlichen Erkenntnisse als auch was unsere militärischen Vorbereitungen angeht. Denn wir haben nicht damit gerechnet, dass etwas in dieser Größenordnung passieren würde. Dies beruht auf zwei konzeptionellen Fehlern: Wir sind von der Annahme ausgegangen, dass die Palästinenser und ihre radikalen Elemente, unsere Feinde im Allgemeinen, Menschen wie wir sind. Sie sind nicht eine arabisch sprechende Version von uns. Sie sind ganz und gar nicht wie wir. Das ist ein Fehler, den die Menschen in den Demokratien immer wieder über andere Gesellschaften machen. Die Europäer sind von der Annahme ausgegangen, dass Putin eine russischsprachige Version von Angela Merkel ist. Und sie haben nicht verstanden, dass es da einen ganz grundlegenden Unterschied gibt. Putin hat sich nicht die Frage gestellt „Warum sollte ich in die Ukraine einmarschieren?“, sondern „Warum sollte ich es nicht tun?“
Welchen Unterschied meinen Sie?
Der Unterschied zwischen uns und den Arabern ist noch viel größer als der Unterschied, den Sie in Europa zwischen Mitteleuropäern und Westeuropäern haben. Der andere Irrglaube war, dass wir stark genug wären, um es uns leisten zu können, defensiv zu sein. Was die Palästinenser gelernt haben, ist, dass sie, da sie auf dem Schlachtfeld besiegt werden, den Krieg nicht mehr auf dem Schlachtfeld austragen sollten. Und sie haben versucht, unsere Kinder zu töten, indem sie ihre Raketen in ihren Krankenhäusern, Schulen, Moscheen und ihren UN-Komplexen platzierten. Da die Israelis zivilisiert sind und deshalb keine unschuldigen Kinder töten, dachten sie sich: Wenn wir unsere Raketen in Krankenhäusern und Schulen platzieren, dann können die Israelis uns nichts anhaben. Und wenn sie doch reagieren, dann werden sie unsere Kinder töten. Und das sieht im Fernsehen schlecht aus.
Wie kann man darauf reagiern?
Wir haben nicht erkannt, dass man bei Barbaren nicht warten kann, bis sie den nächsten Krieg beginnen. Man muss präventiv alles zerstören, was einem schaden kann. In den 1950er und 1960er Jahren haben wir immer präventiv gehandelt. Wir haben nicht erkannt, dass der Krieg nicht auf das Schlachtfeld kommen wird. Die Waffe Nummer eins der Barbaren ist unsere Zivilisation. Die Tatsache, dass wir keine unschuldigen Zivilisten töten wollen, ist ihre Waffe, um unsere Zivilisten zu töten. Und genau das haben wir nicht verstanden. Und deshalb haben wir nicht die richtigen Maßnahmen ergriffen. Wenn Sie mich fragen, was zum 7. Oktober geführt hat, dann war es auf israelischer Seite dieses Missverständnis.
Aber Palästinenser sind auch Menschen.
Ich möchte nicht missverstanden werden: Palästinenser sind menschliche Wesen. Aber Hitler war auch ein Mensch, Pol Pot ebenso. Die Tatsache, dass jemand ein Mensch ist, hat also keinen Einfluss auf seine Werte. Ich beurteile nationale Kollektive nicht nach irgendwelchen Kenntnissen über die Mentalität, sondern ich schaue mir ihr Verhalten an. Denn Verhalten kann man beurteilen, es vergleichen. Verhalten ist objektiv. Wissen Sie, ich bin in meiner Laufbahn Hunderte von Male gefragt worden: „Was wollen Sie uns damit sagen? Dass die Palästinenser morgens aufstehen, um uns zu töten?“ Und meine Antwort war: „Ja.“ Und die Leute, die diese rhetorische Frage gestellt haben, erwarteten sich, dass ich „Nein“ sage. Leider stehen sie morgens nicht auf, um ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen, um eine bessere Gesellschaft aufzubauen. Davon sind wir ausgegangen, denn wir betrachteten die Palästinenser so, als wären sie eine arabischsprachige Version von uns. Als sie am 7. Oktober kamen und Babys enthaupteten, Frauen vergewaltigten, verstümmelten und die vergewaltigten Frauen töteten, Familien bei lebendigem Leib verbrannten, war ich also nicht überrascht. Denn ich weiß, was sie uns 100 Jahre lang angetan haben, als sie noch konnten, und ich weiß, was sie sich gegenseitig in dieser Region antun.
War es also Netanjahus Schuld?
Es waren alle daran schuld. Alle politischen Parteien, alle oder fast alle Leute im Militär und in den Geheimdiensten: Wir wollten Ruhe. Und wir alle verfolgten eine Politik der Ruhe. Wenn ihr nicht versucht, uns zu töten, lassen wir euch die Vorbereitungen für unsere Tötung treffen. Das war unsere Devise. Und der Vorteil der Lektion, die wir aus diesem Krieg gelernt haben, ist, dass wir es uns nicht leisten können, zu warten, bis sie uns töten können. Wir müssen sie angreifen, bevor sie uns töten können, um sie daran zu hindern, die Mittel zu haben, uns zu töten. Denn ja, sie stehen am Morgen auf, um uns zu töten. Ja, das einzige, was sie ihren Kindern beibringen, ist, wie sie uns töten können. Ja, das erste, wofür sie ihr Geld aus Europa verwenden, ist, Leute zu finanzieren, die Juden töten.
Gut, also was ist dann das Ziel der Israelis?
Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel geben. Die Amerikaner stellen uns die gleiche Frage: „Was ist das Endspiel? Nennen Sie uns Ihren positiven Ausgang!“ Nun, die Amerikaner waren sehr erfolgreich. Im Irak hatten sie das Ziel, den Irakern die Demokratie zu bringen. Sie waren in Afghanistan sehr erfolgreich, weil sie ein Endspiel hatten. Sie haben dort Frauenrechte eingeführt. Wenn Sie also lächerlich sein wollen und einen ausgeprägten Sinn für Humor haben, haben Sie ein Endspiel. Zweites Beispiel: Die Hamas ist zu einem großen Teil dank der Vereinigten Staaten an die Macht gekommen. Als 2006 die Wahlen in der Palästinensischen Autonomiebehörde stattfanden, gab es, wenn ich mich nicht irre, eine Condoleezza Rice, die darauf bestand, dass die Hamas teilnehmen soll. Und wir entgegneten, dass wir gerade die Osloer Abkommen unterzeichnet haben und diese besagen, dass man nur an den Wahlen teilnehmen kann, wenn man die Existenz des Staates Israel akzeptiert. Aber Condoleezza Rice bestand darauf, und die USA übten enormen Druck auf Israel aus. Die Amerikaner sagten uns, wenn wir Wahlen abhalten, wird niemand für die Hamas stimmen. Das palästinensische Volk wird natürlich für die Menschen stimmen, die Frieden wollen, und das wird die Hamas endgültig zerstören. Und was haben wir bekommen? Die Hamas hat im Gazastreifen gesiegt. Wer im Anschluss nicht mit ihr einverstanden war, wurde einfach von den Dächern geworfen und erschossen. Das sind Barbaren. Und wenn man Barbaren wie seine Brüder und Schwestern behandelt, dann darf man sich nicht wundern, wenn sie mordend durch das Land ziehen.
Stichwort Osloer-Verträge: Lassen Sie uns über die Normalisierung der Beziehungen zwischen einzelnen arabischen Ländern und Israel sprechen. Was sind die Auswirkungen auf das Abraham-Abkommen?
Kurzfristig ist es ein kleiner Rückschlag. Langfristig wird das Abkommen sogar vorangetrieben werden. Die meisten arabischen Staaten verstehen, dass sie uns brauchen. Denn wir sind der zuverlässigste Verbündete, den sie im Kampf gegen ihre beiden Feinde, den Iran und die Muslimbrüder, haben. Sie verstehen, dass die Muslimbrüder die Katastrophe der arabischen Welt sind, übrigens nicht nur der arabischen Welt, sondern auch der Türkei. Schauen Sie sich nur einmal den Barbaren an, der heute die Türkei kontrolliert. Erdogan ist im Grunde ein Muslimbruder und deshalb gefährlich. Die Vereinigten Staaten sind natürlich viel stärker als Israel, doch wir sind viel zuverlässiger als die Vereinigten Staaten. Vor allem, weil die Araber Angst haben, dass wieder ein Obama kommt. Wir hatten schon einige Premierminister, die ich nicht mochte, aber zumindest in dieser Hinsicht sind wir immer verlässlich. Und deshalb, auch wenn König Abdullah zweimal am Tag Israel verflucht, weil er seinem Volk vorspielen muss, dass er diplomatisch gegen Israel kämpft, so weiß er, dass Jordanien ohne ein starkes Israel nicht existieren wird. Werden sie also böse Dinge über Israel sagen? Ja. Wissen sie, dass es keinen Ersatz für ein starkes Israel gibt? Ja. Wir haben jetzt einen Rückschlag erlitten, weil die arabischen Führer so tun müssen, als würden sie die Hamas unterstützen. Sie hassen die Hamas mehr, als die Israelis es tun. Denn sie wissen, dass sie solche Zustände in ihren eigenen Ländern nicht wollen.
Man hat das Gefühl, dass Joe Biden seinem Wahlkampf nicht schaden möchte, indem er Israel bedingungslos unterstützt. Was passiert, wenn die USA ihre Unterstützung zurückziehen?
Biden hat, anders als Obama, eine Politik verfolgt, die im Grunde hilfreich war. Er hat trotzdem den gleichen Fehler gemacht wie Obama, indem er versucht hat, den Iran zu beschwichtigen. Aber die Iraner haben ihn erfreulicherweise abgelehnt, anstatt sich darauf einzulassen und die Vereinigten Staaten zu täuschen. Sie haben gezeigt, wie gefährlich sie für wichtige amerikanische Interessen sind. Aber selbst als Biden um den Iran warb, war er nicht gegen Israel. Selbst in dieser Zeit hat er Israel, Jordanien und Saudi-Arabien unterstützt. Und als dieser Krieg begann, hat er aus amerikanischer Sicht genau das Richtige getan. Der Punkt ist nicht, dass Biden Israel liebt, sondern dass er Israel unterstützt.
Aber die USA sind auch „Global Player“.
Jeder versteht, dass die Vereinigten Staaten nicht im Nahen Osten tätig sein sollten, sondern im Chinesischen Meer. Wenn man also den Nahen Osten verlassen möchte, braucht man drei Länder: Ägypten, Saudi-Arabien und Israel. Ägypten ist das größte arabische Land mit der größten Legitimität, Saudi-Arabien mit dem Geld und der Bereitschaft, seine Politik anzupassen, und Israel als stärkstes Land. Wenn Sie also diesen Ländern Ihre Unterstützung zeigen, dann können Sie letztendlich auf jemanden bauen, der das gemeinsame Interesse, nämlich die Bekämpfung der Radikalen in der Region, aufrechterhält.
Kommen wir zur Europäischen Union. Tausende von Palästinensern und ihre Unterstützer gehen in europäischen Hauptstädten auf die Straße. Welchen Einfluss hat der pro-palästinensische Aktivismus in westlichen Ländern auf die Situation und die politischen Entscheidungen in Israel?
Im Moment haben sie null Einfluss. Die Israelis verstehen, womit sie konfrontiert sind. Aber lassen Sie mich noch etwas anderes über Europa sagen, das noch wichtiger ist. Europa hat sich nach dem Ukraine-Krieg verändert. Wir haben heute in Europa mindestens drei gute Freunde. Und das sind die Tschechische Republik, Deutschland und Österreich. Und über Österreich bin ich am meisten erstaunt. Denn Österreich war früher die Wiege des Antisemitismus und hatte sehr starke antisemitische Elemente. Ich finde, was in den letzten Jahren in Österreich passiert ist, herzerwärmend. Sebastian Kurz war eine sehr wichtige Führungspersönlichkeit in dieser Hinsicht. Und ich bin sehr ermutigt durch das, was hier geschieht. Und in Deutschland gab es einen Wandel, einen tiefgreifenden Wandel in der Haltung gegenüber Israel. Trotz des Holocausts war Deutschland lange Zeit gleichgültig bis feindlich gegenüber Israel eingestellt. Heute hat sich das diametral geändert. Und die Tschechen waren immer ein verlässlicher Partner. Das ist eine Konstante. In Europa hat Israel nur zweieinhalb Feinde. Der eine sind immer die Iren, üblicherweise auch die Belgier, manchmal die Norweger und die Spanier. Aber die meisten europäischen Länder sind Israel gegenüber freundlich eingestellt.
Sie haben Europa einmal in einem Interview als „La La Land“ bezeichnet. Viele europäische Politiker fordern eine Zweistaaten-Lösung. Wie beurteilen Sie das?
Nach dem Ukraine-Krieg ist es weniger „La La Land“ als zuvor. Diejenigen, die eine Zweistaatenlösung fordern, wissen nicht, wovon sie sprechen. Sie sind das Äquivalent einer Schönheitskönigin bei einem Schönheitswettbewerb, die, nachdem man sie fragt, was sie denn möchte, antwortet, es sei der Weltfrieden. Und eine Schönheitskönigin versteht von Weltfrieden mehr oder weniger das, was die Europäer verstehen, wenn sie von einer Zweistaatenlösung sprechen. Würde ich mir eine Situation wünschen, in der Israel den größten Teil des Westjordanlandes aufgeben kann und jemand anderes die Verantwortung und die Souveränität dort übernehmen würde? Ja. Leider haben wir es aber mit einem Volk zu tun, das offen sagt, dass es die Legitimität und die Existenz eines jüdischen Staates nicht akzeptiert. Wenn wir eine Zweistaatenlösung haben, werden der Iran, die Hisbollah und die Hamas das Westjordanland übernehmen. Das sind die Aussichten, wenn wir die Souveränität im Westjordanland abgeben. Ich möchte hinzufügen, dass ich persönlich seit dem Sechstagekrieg versuche, den überwiegenden Teil des Westjordanlandes loszuwerden und von dort wegzukommen. Mein Problem ist also nicht, dass ich möchte, dass wir dort bleiben. Wenn man den Palästinensern die Souveränität über das Westjordanland gibt, werden sie den Iran nach Tel Aviv bringen. Die Zweistaatenlösung ist daher im Moment eine völlig unrealistische Fantasie.
Was ist die realistische Lösung für den Tag danach?
Es gibt ein Wort, das ich für so empörend halte, dass ich nicht einmal bereit bin, darüber zu diskutieren. Und das ist das Wort Lösung. Nur Kreuzworträtsel haben Lösungen. Wenn Sie verheiratet sind, werden Sie feststellen, dass es Probleme gibt, für die keine Lösungen existieren.
Also gut, ich formuliere es anders: Was ist der beste Kompromiss?
Das ist eine akzeptable Sprache. Für unser Problem mit den Palästinensern gibt es keine Lösung. Und der Grund dafür, dass es keine Lösung gibt ist das palästinensische Volk samt der Extremisten, das nicht bereit ist, einen historischen Kompromiss zu finden. Eines Tages in ferner Zukunft vielleicht. Sehen Sie, dies ist eine Frage einer politischen Kultur. Und politische Kulturen können sich ändern. In der Türkei gab es innerhalb eines Jahrhunderts zwei große Veränderungen der politischen Kultur: Vor 100 Jahren gab es Atatürk, und seit etwa 20 Jahren den jetzigen Barbaren. Es besteht also die Möglichkeit, dass sich Kulturen entwickeln. Aber sehen wir irgendwelche Anzeichen für einen Kulturwandel? Nein.
Eine sehr fatalistische Perspektive.
Lassen Sie es mich so ausdrücken. Schweine können fliegen. Alles, was sie dafür brauchen, sind eine Diät und Flügel. Wenn sie eine Diät machen, nur mehr 200 Gramm wiegen und eine Flügelspannweite von zweieinhalb Metern haben, dann können Schweine fliegen. Ich sehe mir also ein Schwein an und stelle fest: Hat es Federn auf dem Rücken? Im Moment nicht. Also kann es nicht fliegen. Nun, der Mensch kann sich viel schneller verändern als die Evolution in der Biologie. Das kann auch im Rahmen einer Generation noch stattfinden. Irgendwo muss es ja anfangen. Und bei den Palästinensern fängt es nicht an. Jede Generation engagiert sich mehr als die vorherige für das, was sie das Recht auf Rückkehr nennen, nämlich die demographische Zerstörung Israels. Ihr Bildungssystem, ihr Ethos, das, was ihre Eltern ihnen sagen, was jeder ihnen sagt, ist das extreme Gegenteil von einem Wandel. Wenn Veränderung beginnt, werde ich versuchen, sie zu fördern. Aber es muss erst eine kritische Masse erreicht werden, bis so etwas passiert.
Also ist die „kritische Masse“ doch möglich?
Die Herausforderung ist: Kann man eine bessere Wirtschaft, eine stärkere Armee, ein stärkeres Bildungssystem, ein fortschrittlicheres Gesundheitssystem, eine bessere Wissenschaft, eine pluralistischere Kultur entwickeln? Ja. Das ist, was Israel tut. 100 Jahre lang haben die Palästinenser versucht, uns zu zerstören, und jedes Jahrzehnt machen wir Fortschritte in den wichtigsten Bereichen, weil wir ein konstruktives Volk sind. Wir bauen etwas auf. Und was tun die Palästinenser? Sie haben eine Kombination aus Gewalt und Jammern. Sie bekommen Milliarden von Dollar aus der ganzen Welt, die sie in Gewalt, Korruption und Gejammer investieren. Es gibt auf absehbare Zeit keine Lösung.
Wie geht es nach dem Krieg weiter?
Die gleiche unangenehme Realität, wobei Israel in der Sicherheitsoffensive viel aktiver wird. Das heißt, wir werden nicht warten, bis sie 10.000 Raketen haben. Wenn sie 10 Raketen haben, werden wir sie angreifen. Wir werden nicht warten, bis sie Raketen abfeuern.
Kann man so die Ideologie der Hamas töten?
Nein, aber kann man Krebs heilen? Nein. Kann man ihn viel langsamer fortschreiten lassen? Ja. Kann man trotz Krebs jahrzehntelang ein gutes Leben führen? Ja. Oder lassen Sie mich Ihnen eine andere Frage stellen: Haben Sie die Formel für das ewige Leben? Nein. Trotzdem versuchen wir Menschen zu heilen, damit sie ein gutes Leben führen können, trotz der Tatsache, dass sie eines Tages sterben werden.
Aber ganz allgemein ist doch die Zweistaatenlösung seit der Gründung Israels ein Thema. Ist sie nun endgültig Geschichte?
Ich weiß nicht, ob sie Geschichte ist. Sie wissen, dass man in Jerusalem, selbst wenn man tot ist, nie weiß, was drei Tage später passieren wird. In diesem Teil der Welt gibt es Wiederauferstehungen. Ich spreche nicht von der Ewigkeit. Wie Sie vielleicht bemerkt haben, bin ich kein Prophet. Ist es in der aktuellen Generation realistisch, wenn die palästinensischen Kinder nach wie vor so erzogen werden wie bisher? Nein, das glaube ich nicht.
Da gäbe es auch noch die Siedlungen im Westjordanland.
Wenn die Entscheidung von mir abhinge, würde ich die Siedlungen aus dem Kernland des Westjordanlands, wo sich etwa 100.000 Israelis aufhalten, entfernen. Ich würde die Grenzen so ändern, dass die Mehrheit der israelischen Siedler unter israelischer Kontrolle bleiben. Lassen Sie mich etwas ganz klar sagen: Als wir das Waffenstillstandsabkommen 1967 unterzeichneten, in dem die Grenzen festgelegt wurden, hieß es auf Drängen der Araber, dies seien keine endgültigen Grenzen. Dies sind somit keine Grenzen. Das sind nur Waffenstillstandslinien. Sie haben also keinen Anspruch auf irgendetwas.
Wie groß ist der Einfluss der UNRWA auf den Konflikt?
Die UNRWA ist eine Hamas-PLO-Organisation. Die Lehrer der UNRWA sind antisemitische Barbaren, vielleicht nicht jeder einzelne von ihnen, aber ein sehr großer Teil davon. UNRWA ist ein Zerrbild. Alle Flüchtlinge in der Welt werden von einer Flüchtlingsorganisation betreut. Und die Palästinenser haben eine spezielle Organisation, die jetzt die fünfte Generation von Palästinensern ernährt. Es ist eine kranke Organisation mit einem kranken Selbstverständnis. UNRWA sollte abgeschafft werden.
Ich glaube nicht, dass sie in naher Zukunft abgeschafft wird.
Wer sagt Ihnen das?
Im globalen Kontext hat die UNRWA immerhin eine gewisse Glaubwürdigkeit, oder?
Die Glaubwürdigkeit der UNRWA ist gleich Null. Sie ist ein Feind Israels, ein Feind der zivilisierten Gesellschaft, weil sie Teil einer Infrastruktur ist, die sich dem Töten von Juden verschrieben hat. Das Einzige, was wir mit der UNO tun können, ist, sie zu ignorieren. Die UNO ist ein Feind. Das Einzige, was zählt, ist ein amerikanisches Veto im Sicherheitsrat. Es ist im Übrigen abstoßend, dass der Menschenrechtsrat aus weitgehend undemokratischen Nationen besteht oder aus Nationen, die bereit sind, vor undemokratischen Nationen zu kapitulieren. Sie sitzen dort und urteilen. Wer sind sie, dass sie urteilen? Wir sind nicht perfekt, aber sie liegen jedenfalls völlig falsch.
Muss Israel eine Ausweitung des Krieges befürchten? Die Gefahr, nämlich die Hisbollah oder der Iran, lauert buchstäblich vor der Haustür.
Ich glaube nicht, dass Israel eine Ausweitung des Krieges will. Aber wir werden die Hisbollah von der Nordgrenze Israels wegdrängen, koste es, was es wolle, einschließlich des Risikos eines Krieges.
Wenn Sie die israelische Regierung zu diesem Zeitpunkt beraten würden, was würden Sie ihnen sagen?
Was steht in diesem Krieg auf dem Spiel? Es geht nicht um Israel, nicht um den Nahen Osten, sondern um die Fähigkeit zivilisierter Gesellschaften, sich gegen Barbaren zu verteidigen. Krieg ist schrecklich. Aber die Barbaren gewinnen zu lassen, ist schlimmer als Krieg. Lassen Sie es mich so formulieren. Wenn der unzivilisierte Stalin nicht wüsste, dass die zivilisierten Amerikaner bereit sind, Atomwaffen einzusetzen, hätte er Atomwaffen eingesetzt. Er würde davon ausgehen, dass die Amerikaner nicht reagieren würden. Zivilisierte Menschen müssen zeigen, dass sie, wenn sie müssen, bereit sind Krieg zu führen. Und wenn sie es können, werden sie es nicht tun. Wer also Druck auf Israel ausüben will, um den Krieg zu beenden, kann es versuchen, aber er wird scheitern. Denn wenn Israel auf eine Weise gestoppt wird, dass die Hamas gewinnt, dann siegt die Barbarei über die Zivilisation. Selten ist eine Situation so schwarzweiß, wie die, die wir jetzt haben.
Dan Schueftan war Berater des Nationalen Sicherheitsrates Israels und der ehemaligen Premierminister Jitzchack Rabin und Ariel Scharon. Er war als Dozent und Forscher an mehreren renommierten Institutionen tätig, darunter die Universität Haifa und das National Defense College der israelischen Verteidigungsstreitkräfte.