Von Martin Engelberg
Es lief mir eiskalt über den Rücken, als Ewald Stadler, ich glaube im Herbst 1994, in einer TV-Diskussion in schneidendem und gefährlich drohendem Ton sinngemäß sagte: “Warten Sie nur, bis wir einmal an der Regierung sind.” Mehr brauchte er nicht zu sagen, um einen sofort an die Nazis denken zu lassen und wie sie nach der Machtübernahme gegen politische Gegner vorgingen, voller Rachsucht, Brutalität und mörderischer Energie, und wie sie ihren bis dahin als Narretei heruntergespielten Antisemitismus in eine sofortige Verfolgung von Juden umsetzten. Fünf Jahre später drohte das Realität zu werden: Die schwarz-blaue Regierung wurde gebildet, die FPÖ war an der Macht. In diesem Kontext dazupassend die Reaktionen von Bundespräsident Thomas Klestil, der EU, Israels und jüdischer Organisationen – die Sanktionen der EU-14 gegen Österreich, die Herabstufung der diplomatischen Beziehungen seitens Israel, heftige Demonstrationen. Was uns Juden in Österreich betraf, berichtete IKG-Präsident Ariel Muzicant in einer international viel beachteten Pressekonferenz von einem dramatischen Anstieg antisemitischer Übergriffe. Der Kultusvorstand der IKG tagte in einer Dringlichkeitssitzung. Die Vorhänge waren zugezogen, die Kultusvorsteher wurden aufgefordert, die Handys nicht nur abzuschalten, sondern auch die Akkus rauszunehmen – man könnte die Sitzung sonst über Handys abhören. Die Anspannung ob der neuen politischen Situation Österreichs war mit Händen zu greifen. Tenor der Sitzung die Frage: Ist 2000 gleich 1938? Sollten die Mitglieder der Gemeinde rechtzeitig zum Verlassen des Landes aufgefordert werden? Aus der Distanz lächerlich Wir erinnern uns, aber gleichzeitig erscheint das alles entrückt, ja aus der Distanz betrachtet nachgerade lächerlich. Alle Maßnahmen und Aussagen sind längst hinfällig und rückgängig gemacht worden. Letztlich geschah nicht mehr an Umbruch in staatlichen und staatsnahen Institutionen als bei einem sonstigen Regierungswechsel in einem demokratischen Land üblich. Die Möglichkeit der FPÖ, ihre Leute zu positionieren, war sogar erstaunlich gering, sei es, weil ihnen überhaupt das qualifizierte Personal dafür fehlte, oder weil Wolfgang Schüssel besonders geschickt sich selber alles unter den Nagel riss. Jörg Haider hat ein bisschen geantisemitelt, Peter Westenthaler die Redakteure im ORF und sonstige Journalisten in Angst und Schrecken versetzt. Na und? Sogar seit dem Rücktritt der “FP-Liberalen” (Susanne Riess-Passer, Westenthaler und Karl-Heinz Grasser) aus der Regierung und der seither bestehenden zweiten schwarz-blauen Koalition ist eigentlich nichts Beunruhigendes geschehen. War dann womöglich die davor, vor allem unter Franz Vranitzky, jahrelang getätigte Ausgrenzung der FPÖ ein Fehler gewesen? Auffallend waren lediglich die manchmal kabaretthaften, peinlichen, niveaulosen Auftritte diverser FP-Minister. Einiges davon hätten wir uns wohl gerne erspart, anderseits zeigte uns das wohl – wie Kabarett nun mal ist – ein Stück österreichische Realität, wie wir sie nicht immer gerne wahrhaben wollen, und es war ja auch oft amüsant obendrein. So gesehen müsste man es Schüssel als Akt der Klugheit anrechnen, die FPÖ in die Regierung geholt zu haben, gefesselt an sich, um sie an den Realitäten der Politik zerschellen zu lassen, und zwischenzeitlich, Schritt für Schritt und in aller Ruhe, ganz Österreich für die ÖVP in Besitz zu nehmen. Es war ein Zeichen brillanten politischen Instinktes, gepaart mit einer ordentlichen Portion Mut. Nicht so sehr ob der Reaktionen im In- und Ausland, als vielmehr so viel Vertrauen in die demokratische und rechtsstaatliche Festigkeit Österreichs zu haben, dass Haider die Zweite Republik nicht zum Kippen bringen würde. Primitivität und Brutalität In der Zwischenzeit haben aber die Stadlers die FPÖ übernommen und der Unterschied ist nicht zu unterschätzen. Natürlich hat auch die FPÖ Haiders fremdenfeindliche Wahlkämpfe gefochten, sie wurden sogar ihr Markenzeichen. Ich denke aber dennoch, dass sich die Töne von Heinz-Christian Straches FPÖ, die wir in den letzten Monaten vernommen haben, nochmals deutlich davon unterscheiden. Durch ihre Primitivität und Brutalität und dadurch, dass man dahinter eine Ideologie des Hasses verspürt. So gesehen beginnt man sich plötzlich nach Haider zurückzusehnen. Seine Affinität, sein Verständnis und Respekt für die Nazis der Kriegsgeneration, unter ihnen auch seine Eltern, deren Ideologie, Haltung und Werte waren immer in Wort und Tat vorhanden. Aber letztlich fühlten sich Stadler, Andreas Mölzer oder eine Kriemhild Trattnig von Haider verraten und letztlich hielt Haider sie in Schach. Jetzt aber haben sie das Sagen in der FPÖ. Sie machten und machen aus ihrer Ideologie keinen Hehl und genieren sich gar nicht, sich mit rechtsextremen Gruppen zu vernetzen. Sie gewannen soeben 15 Prozent der Stimmen in Wien und werden bei den Nationalratswahlen 2006 mit einiger Sicherheit zum Zünglein an der Waage einer neuen Regierung. Schüssel hat schon reagiert: Fast wie selbstverständlich schließt er auch die Strache-FPÖ nicht als Regierungspartner aus und man nimmt es ihm ab, dass er dazu auch durchaus bereit wäre. Ich gehe davon aus, dass es dann dennoch weiterhin unnütz sein wird, die Akkus der Handys in den Sitzungen des Kultusvorstandes rauszunehmen, aber einigermaßen wärmer anziehen werden wir uns im Falle einer ÖVP/Strache-FPÖ-Regierung wohl müssen.