Regierung und Kultusgemeinde haben sich über die Entschädigung von in der NS-Zeit zerstörtem bzw. entzogenem Gemeindevermögen geeinigt. Nationalratspräsident Andreas Khol (ÖVP) kündigte gleichzeitig auch für Einzelopfer des NS-Unrechtsregimes baldige Auszahlungen aus dem Entschädigungsfonds an. Die Fakten sehen freilich anders aus. Ein falsches Spiel mit der letzten Hoffnung der betagten Opfer?
Von Alexia Weiss
Die große Überraschung der letzten Maitage dieses Jahres, sie hatte sich angekündigt. Zu großzügig bemessen hatte die Regierung im Jahr 2000 die Mittel des Versöhnungsfonds, aus dem ehemalige NS-Sklaven- und Zwangsarbeiter mit Gestenzahlungen bedacht wurden. 95 Millionen Euro verblieben schließlich in dem Topf. Ein Verhandlungskampf um die weitere Verwendung der Mittel entbrannte. Was die Opposition sofort forderte, wurde nun Realität: 20 Millionen Euro gehen an den ursprünglich mit 210 Millionen Dollar gefüllten Allgemeinen Entschädigungsfonds, aus dem in der NS-Zeit entstandene Vermögensverluste abgegolten werden sollen (siehe auch Glossar). 18,2 Millionen Euro davon sind zweckgewidmet, sie gehen direkt an die Kultusgemeinde. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) setzte hier einen Schlusspunkt unter die jahrelangen Querelen mit IKG-Präsident Ariel Muzicant rund um die prekäre Finanzsituation der Kultusgemeinde. Muzicant hatte stets argumentiert, dass aufgrund des bis heute nicht entschädigten Gemeindevermögens nach 1945 derartig hohe Ausgaben für den Aufbau und den Erhalt der Infrastruktur entstanden waren, dass es zu einer massiven Verschuldung der Gemeinde gekommen sei. Der IKG-Präsident drohte schließlich sogar mit der Schließung von Einrichtungen und sah Kündigungen vor. Doch Schüssel stellte sich taub. Die Beleidigung, die der Kanzler durch die 2000 von Muzicant formulierte Ablehnung von Schwarz-Blau erfahren hatte, wog schwer. Muzicant hatte allerdings zwei Trümpfe in der Hand: Erstens hatte er kurz vor Antragsfrist beim Allgemeinen Entschädigungsfonds über 700 Anträge als Rechtsnachfolger für verschiedenste Vereine und jüdische Einrichtungen gestellt, medial aber darauf hingewiesen, dass er sich bewusst sei, dass er damit die Entschädigungssumme für Individualanträge schmälere, was nicht in seinem Sinn sei. Er sehe sich aber durch das Nichtreagieren der Bundesregierung auf seine Forderung, endlich das Gemeindevermögen zu entschädigen, zu diesem Schritt gezwungen. Zweitens: Muzicant hatte sich bei einer in New York anhängigen Sammelklage aus dem Titel „Restitution“ als Amicus Curiae angeschlossen. Ein Trumpf freilich mit einem großen Haken, denn so lange es noch eine offene Klage gibt, besteht keine Rechtssicherheit – und diese ist nötig, damit Geld aus dem Entschädigungsfonds sowohl an die Kultusgemeinde als auch an die einzelnen Opfer fließen kann. Viele in der Gemeinde nahmen Muzicant dieses Hineinreklamieren in ein US-Verfahren übel. Hauptkritik: Er trage Mitschuld daran, dass sich die Auszahlungen an die ohnehin betagten Opfer weiter verzögern. Was die Interessen der Gemeinde betrifft, hat sich Muzicants Weg nun allerdings durchgesetzt. Denn der von ihm in Aussicht gestellte Rückzug als Amicus Curiae hat schlussendlich den Ausschlag für Schüssels 18,2 Millionen-Zusage gegeben. In der Korrespondenz Schüssels, Khols und Muzicants liest sich das wie folgt: Am 18. Mai 2005 schrieb Schüssel als Vorsitzender des Kuratoriums des Versöhnungsfonds an Khol als Vorsitzenden des Kuratoriums des Entschädigungsfonds u.a.: „Es besteht in diesem Zusammenhang die Erwartung und Hoffnung, dass sich die IKG damit auch in der Lage sieht, im Sinne einer gemeinschaftlichen Lösung und im Interesse der großen Zahl an Antragstellern, die auf eine rasche Auszahlung durch den Allgemeinen Entschädigungsfonds hoffen, weiterhin und verstärkt an der möglichst raschen Erreichung dieses wichtigen Ziels mitzuwirken. Khol leitete das Kanzlerschreiben am 20. Mai an Muzicant weiter und fügte ein kurzes eigenes Schreiben bei, in dem er noch etwas klarere Worte fand. „Ich bitte Sie um eine schriftliche Stellungnahme, ob Sie der geplanten Vorgangsweise zustimmen und welche weiteren Schritte Sie dann bezüglich der von der IKG beim Entschädigungsfonds eingebrachten Anträge und bezüglich der Schaffung der Rechtssicherheit in den USA in Aussicht nehmen würden.“ Muzicants Antwort: Die IKG erkläre sich bereit, die 18,2 Millionen Euro anzunehmen, werde die beim Entschädigungsfonds eingebrachten Anträge zurückziehen und die Kultusgemeinde „beabsichtigt ferner, sich als Amicus Curiae aus der Sammelklage Whiteman vs. Republik Österreich zurückzuziehen. Selbstverständlich wird die Israelitische Kultusgemeinde Wien weiterhin und verstärkt daran mitarbeiten, dass die für Auszahlungen durch den Allgemeinen Entschädigungsfonds erforderliche Rechtssicherheit ehemöglichst eintritt.“ Inwieweit Muzicant hier aber tatsächlich Einflussmöglichkeiten auf das vom US-Anwalt Jay R. Fialkoff eingebrachte Verfahren hat, kann und will niemand beantworten. Botschafter Hans Winkler, Leiter des Völkerrechtsbüros im Außenministerium, meinte dazu im Gespräch mit NU: „Wir verlangen ja nicht, dass die Gemeinde bei Fialkoff durchsetzt, die Klage zurückzuziehen. Und wir wissen auch nicht, wie viel Einfluss ein Amicus Curiae tatsächlich auf die Kläger hat. Was wir uns wünschen, ist, dass sich die Gemeinde nicht mehr am Verfahren beteiligt und in New York nicht als Gegner der Republik auftritt.“ Während bei der zweiten noch in den USA anhängigen Klage zuletzt insofern ein Ende in Aussicht war, als Anwalt Herbert L. Fenster die Berufungsfrist gegen die in erster Instanz erfolgte Abweisung der in Los Angeles eingebrachten Klage verstreichen ließ, ohne Einspruch zu erheben, ist bei der New Yorker Klage allerdings keinerlei Bewegung in Sicht. Seit Herbst 2004 ruht der Fall am zuständigen New Yorker Gericht (Second Circuit), ohne dass sich irgendetwas tut. Der Fall sei „völlig ausdiskutiert“, alle nötigen Unterlagen lägen vor – doch die Entscheidung ließe auf sich warten, und seitens der Republik „wissen wir nicht, warum“, so Winkler. Und setzt nach: „Vielleicht dauern die Verfahren eben so lang.“ Klar ist: Sollte zu einem Zeitpunkt x eine Entscheidung vorliegen, hätten die Kläger oder die Republik die Möglichkeit, Berufung einzulegen. Und dann begänne eine neue Frist zu laufen. Diese Tatsache müsste auch Nationalratspräsident Khol bewusst sein. Umso mehr überraschte Khol bei der Präsentation der Einigung mit der Kultusgemeinde mit seiner Aussage, er hoffe, dass es in vier bis fünf Monaten Rechtssicherheit gebe. Und: Khol kündigte gleichzeitig an, dass bereits Anfang 2006 mit Auszahlungen aus dem Entschädigungsfonds begonnen werden solle. Der zweite Punkt, mit dem der Nationalratspräsident Kenner der Thematik erstaunte, die sich umgehend die Frage stellten: Soll der Öffentlichkeit hier bewusst ein positiveres Bild vermittelt werden, als es den Tatsachen entspricht? Und werden hier einmal mehr bei betagten Opfern Hoffnungen geweckt, die nicht erfüllt werden können? Nicht nur die fehlende Rechtssicherheit steht derzeit nämlich sofortigen Zahlungen aus dem Fonds entgegen. Die Anträge sind schlicht noch nicht fertig bearbeitet – und werden es in den kommenden Monaten auch nicht sein. Immer wieder forderten Vertreter der Kultusgemeinde, aber auch der Opferorganisationen, allen voran die Claims Conference, in den vergangenen Jahren die Mitarbeiterzahl des Entschädigungsfonds aufzustocken. Diesen Mai erhielt der Fonds tatsächlich sowohl mehr Planstellen als auch freie Mitarbeiter. 120 Archivare, Historiker und Juristen sind nun mit dem Prüfen und Recherchieren der Anträge befasst. Allerdings ist der Rückstau enorm. Etwas über 19.000 Anträge wurden beim Allgemeinen Entschädigungsfonds eingebracht, sagte die Generalsekretärin des Nationalfonds, Hannah Lessing, gegenüber NU. Die Antragsfrist endete im Mai 2003. Heute sind 1.200 Anträge fertig entschieden. Warum das so lange dauere? Hier kommen mehrere Faktoren zum Tragen. Einerseits mache das Entschädigungsfondsgesetz ganz klare Vorgaben. Regierungs- wie Opfervertreter forderten 2001 in Washington, die Dinge ein für allemal klar auf den Tisch zu legen. Das bedeutet konkret: für jeden Antrag muss von den Juristen zunächst ein Stammbaum angelegt, die Erbfolge sowie die Erbansprüche geklärt werden. Danach geht es darum zu prüfen, welche Forderungen berechtigt sind. Dazu bedarf es vielfältiger Recherchen anhand unterschiedlichster Quellen – in Frage kommen beispielsweise die Vermögensanmeldung jüdischer Verfolgter, die so genannten Vermögensentziehungsanmeldeverordnungs-Akten, weiters Akten der Finanzlandesdirektion, Akten der Sammelstelle über die Verwertung erblosen Vermögens von Verfolgten, historische Grundbücher etc. Denn wenige Antragsteller können aufgrund von Vertreibung und Flucht ihre Forderungen auch mit Dokumenten belegen. „Wir müssen für die Leute recherchieren“, betont Lessing. „Sonst hätten wir 70 Prozent der Anträge im Forderungsverfahren ablehnen müssen.“ Doch erst dann beginnt die für die Fondsmitarbeiter mühsamste Recherche. Sie müssen herausfinden, ob es seit 1945 bereits in irgendeiner Form eine Entschädigung für die gestellten Ansprüche gibt. „70 bis 80 Prozent unserer Recherchen betreffen frühere Maßnahmen“, so Lessing. Bei bereits erfolgter Entschädigung können Ansprüche jetzt nur mehr dann geltend gemacht werden, wenn die Verfahren grob unfair abgelaufen sind. Letzter Schritt: die Bewertung des verlorenen bzw. entzogenen Vermögens. Dieses kann sich aus einer Vielzahl von Kategorien zusammensetzen: aus liquidierten Betrieben einschließlich Konzessionen oder anderem Betriebsvermögen, aus Immobilien, soweit diese nicht zurückgegeben wurden, aus Bankkonten, Aktien, Schuldverschreibungen, Hypotheken, aus beweglichem Vermögen, Versicherungspolizzen. Anträge an den Allgemeinen Entschädigungsfonds werden entweder im Forderungsverfahren oder im Billigkeitsverfahren entschieden. Die beiden Verfahren haben ein unterschiedliches Beweismaß, wobei jeweils in das andere Verfahren überwiesen werden kann. In beiden Verfahren werden die Verluste individuell bewertet, im Billigkeitsverfahren wegen des geringeren Beweismaßes mit einer Pauschalsumme. Die für das Forderungsverfahren zur Verfügung stehenden 80 Millionen Dollar werden dann dem Vermögen entsprechend unter den Antragstellern aufgeteilt. Fr Versicherungspolizzen stehen gesondert 25 Millionen Dollar zur Verfügung. Finden sich wenig oder gar keine Beweise für die beantragten Vermögensverluste, wird das Billigkeitsverfahren angewandt. Hier werden auch Dinge wie der Entzug von Berufsrechten oder der Abbruch einer Ausbildung bewertet. Auszahlungen gibt es hier allerdings immer nur pro historischem Haushalt. Diese müssen sich alle anspruchsberechtigten Erben dann teilen. Die weit größere Anzahl der Anträge fällt in diese Kategorie. Für dieses Verfahren stehen 105 Millionen Dollar zur Verfügung. Unterm Strich heißt das: Erst wenn alle Anträge fertig bearbeitet sind, können die tatsächlichen Geldbeträge, die die Opfer erhalten, errechnet werden. Will man also bereits Anfang 2006 auszahlen, müssten die Anträge spätestens im Oktober fertig bearbeitet und die Antragsteller von der Bewertung informiert worden sein. Sie haben nämlich, wenn sie im Inland wohnen, 30 Tage, wenn sie im Ausland leben, 60 Tage Zeit, gegen die Bewertung Einspruch zu erheben. Ist es möglich, 17.800 Anträge über den kommenden Sommer fertig zu bringen? Hannah Lessing hofft, dass sich ihre Mitarbeiter bis Ende 2006 durch die gigantische Zahl von an die 200.000 Einzelforderungen, die sich in den 19.000 Anträgen verbergen, gearbeitet haben. Auch Sir Franklin Berman, er ist Vorsitzender des Antragskomitees, gibt sich im NU-Interview zurückhaltend. In einer dreitägigen Komiteesitzung würden derzeit etwa 500 Fülle erledigt. Diese Meetings finden jedoch bei weitem nicht jede Woche statt, da sich das ehrenamtlich arbeitende Komitee ja neben dem Briten Berman noch aus der Amerikanerin Vivian Curran und dem Österreicher Kurt Hofmann zusammensetzt und daher nicht immer in Wien zur Verfügung steht. Berman hofft, künftig mehr im Umlauf-Verfahren erledigen zu können. Einen konkreten Zeithorizont will er aber nicht nennen. Diese Problematik scheint Khol trotz anders lautender öffentlicher Erklärung durchaus bewusst zu sein. Denn in der letzten Kuratoriumssitzung des Entschädigungsfonds wurden Sitzungsteilnehmern zufolge von Khol Vorauszahlungen in Diskussion gebracht, sollten die Anträge nicht so rasch wie von ihm gewünscht geprüft werden können. Die vereinbarte Vorgangsweise: Lessing versucht die Hälfte der Anträge bis Anfang 2006 fertig bearbeitet zu haben. Darauf aufbauend könnte man dann überlegen, welche Summe für eine Vorauszahlung in Frage kommt. Klingt gut. Doch auch hier gibt es einen Haken – oder zwei. Denn erstens wäre auch diese Zahlung an Rechtssicherheit gebunden. Und zweitens könnte eine solche Vorauszahlung nur in jenen Fällen erfolgen, in denen schon eine Bewertung vorgenommen wurde. Für die zweite Hälfte der Antragsteller hieße es also: bitte warten. Die Grün-Mandatarin Terezija Stoisits, sie ist auch Mitglied des Kuratoriums des Entschädigungsfonds, hält diese Vorgangsweise für unfair, wäre dadurch ja eine Gruppe der Antragsteller benachteiligt. Außerdem hat für sie „eine Vorauszahlung nichts mit Rechtssicherheit zu tun“. Sie fordert daher im Gespräch mit NU eine entsprechende Novellierung des Entschädigungsfondsgesetzes. Nur wenn die Vorauszahlungen von der Rechtssicherheit entkoppelt werden, könnten die betagten Opfer tatsächlich bald mit Barem rechnen. Und die Zeit drängt. Moshe Jahoda von der Claims Conference beklagt immer wieder, dass jeden Tag zwei weitere Holocaust-Überlebende sterben. Auch die Statistik des Nationalfonds spricht eine klare Sprache: Der 1995 eingerichtete Fonds leistete 234 Auszahlungen an Personen der Geburtsjahrgänge 1891 bis 1900. Die knapp zehn Jahre später geleistete Pauschalabgeltung für entzogene Mietrechte erreichte nur mehr 32 Menschen dieser Jahrgänge. Bei den zwischen 1901 und 1910 Geborenen wurde die Geste des Nationalfonds an 3.334 Betroffene ausbezahlt, die Mietrechtspauschale nur mehr an 1.310 Personen. Und in der Gruppe der zwischen 1911 und 1920 Geborenen erhielten in den neunziger Jahren 8.596 Personen eine Zahlung, die Mietrechtsabgeltung ging an 5.501 Menschen. Stoisits fordert aber noch mehr. Entscheidend ist aus ihrer Sicht nämlich nicht nur, wie viele Mitarbeiter der Fonds habe, sondern auch, wie es mit dem Personal etwa in den Archiven aussehe. Verzögerungen ergäben sich auch aus Engpässen beispielsweise beim Staatsarchiv. Hier wie auch an anderen Stellen sollten Khol, aber auch Schüssel „sofort alle Hemmnisse aus dem Weg räumen“ – in Form von zusätzlichen Mitarbeitern, die unverzüglich einzustellen seien. Ansonsten seien die jüngsten Ankündigungen wieder einmal nichts als Lippenbekenntnisse. Dass sich die Republik hier vor Zahlungen drücken wolle, dieser Vorwurf geht für Botschafter Winkler allerdings ins Leere. Denn wie lange immer sich die Auszahlungen noch in die Länge ziehen werden – geleistet werden müssen sie auf jeden Fall, bei Ableben der eigentlichen Opfer eben an die Erben. Dennoch wäre es auch im Sinn der Republik, nicht nur verbal, sondern auch tatsächlich für eine Beschleunigung zu sorgen. Denn eines hat sich bereits gezeigt: Die betagten Opfer sind meist dankbarer für jede Summe, die sie bekommen, und anerkennen die Geste dahinter, als es ihre Kinder bzw. Enkelkinder tun. Derzeit wird vermutet, dass die Entschädigungssumme für jeden Einzelnen nicht besonders hoch ausfallen wird – konkrete Zahlen können aber noch nicht genannt werden. Was sich sicher abzeichnet: Die Millionenfälle wird man an beiden Händen abzählen können. Das Gros der Anträge kommt von Vertretern des so genannten mittleren Bürgertums. Das bedeutete: eine große Mietwohnung, eine Lebensversicherung, ein gutes Leben. Auto gab es schon keines. Für die Wohnung gab es bereits die Pauschale, bleibt ein wenig Geld für die Lebensversicherung, ein kleines bisschen für die abgebrochene Ausbildung, den Entzug eines Berufsrechts, einer Konzession. Der rote Faden, der sich durch die Anträge zieht, ist nämlich nicht der Verlust großer Reichtümer, macht Berman klar. Es sind die „zerbrochenen Lebensentwürfe“, die zerrissenen Biografien. Die Erbengeneration wird von der niedrigen Bewertung der Vermögen ihrer Vorfahren – und der schließlich noch wesentlich niedrigeren Auszahlungssumme – womöglich enttäuscht sein. Ob das der Intention des Washingtoner Abkommens entspricht? GLOSSAR: Die Fonds der Republik – nie mehr als eine Geste Nationalfonds: Zahlt seit 1995 einen symbolischen Betrag von 70.000 Schilling an NS-Opfer aus. Im Vorjahr gab es trotz der langen Laufzeit des Fonds immer noch 350 Neuanträge. Dazu Fonds-Generalsekretärin Hannah Lessing: „Natürlich fragt man sich – warum erst jetzt? Aber es gibt eben Leute, die vor fünf Jahren gesagt haben, auf keinen Fall nehme ich etwas an, und nun kommen sie doch drauf, dass sie das Geld gut brauchen könnten.“ An den Nationalfonds können auch weiterhin Anträge gestellt werden – es gibt keine Frist. Der Nationalfonds betreut u. a. aber auch Projekte und ist – Stichwort: Kunstrückgabegesetz – in Fragen der Provenienzforschung behilflich. 2001 wurde dem Fonds die Aufgabe übertragen, die im Abkommen von Washington vorgesehene Pauschalabgeltung von in der NS-Zeit entzogenen Mietrechten, Hausrat und persönlichen Wertgegenständen zu administrieren. 150 Millionen Dollar (163 Millionen Euro) wurden dafür zur Verfügung gestellt – und in einer ersten Tranche Betroffenen unbürokratisch 7.000 Dollar (nach festgelegtem Kurs 7.630 Euro) überwiesen. Die zweite Tranche von zusätzlichen 1.000 Euro pro Antragsteller wird dieser Tage überwiesen. Versöhnungsfonds: Der 2000 eingerichtete Fonds leistete Gestenzahlungen an ehemalige Zwangs- und Sklavenarbeiter, die großteils aus dem heutigen Mittel- und Osteuropa kamen. Der Topf wurde von der Wirtschaft mit sechs Milliarden Schilling gefüllt. Ausgezahlt wurde in verschiedenen Kategorien. 105.000 Schilling (7.630,65 Euro) erhielten so genannte Sklavenarbeiter, also Personen, die in einem Konzentrationslager unter unmenschlichen Bedingungen zu Arbeit gezwungen wurden. 35.000 Schilling (2.543,55 Euro) erhielten Menschen, die Zwangsarbeit in Industrie, Gewerbe, Bauwirtschaft, Elektrizitätswirtschaft und in der sonstigen gewerblichen Wirtschaft, in öffentlichen Einrichtungen, bei Reichsbahn oder Reichspost leisten mussten. Und 20.000 Schilling (1.453,46 Euro) gingen an ehemalige Zwangsarbeiter, die in der Land- und Forstwirtschaft eingesetzt waren oder persönliche Dienstleistungen in Haushalten oder Hotels leisten mussten. Frauen, die während der Zeit ihres Einsatzes als Zwangsarbeiterinnen ein Kind zur Welt brachten oder zu einer Abtreibung gezwungen wurden, erhielten zusätzlich 5.000 Schilling (363,36 Euro). Der Fonds hat inzwischen an alle Anspruchsberechtigten Auszahlungen vorgenommen. 95 Millionen Euro verblieben in dem Topf – 20 Millionen gingen nun an den Entschädigungsfonds, der Rest soll in eine Stipendienstiftung und einen von der Regierung noch nicht näher definierten „Zukunftsfonds“ fließen. Allgemeiner Entschädigungsfonds: Dieser Fonds ist Teil des Washingtoner Abkommens von 2001. Er wurde mit 210 Millionen Dollar gefüllt. Mit Beschluss vom Mai 2005 wandern zusätzlich 20 Millionen Euro, die im Versöhnungsfonds übrig blieben, in den Entschädigungsfonds, wobei davon 18,2 Millionen Euro zur Abgeltung des in der NS-Zeit entzogenen Gemeindevermögens direkt an die Israelitische Kultusgemeinde gehen. Aus dem Fonds werden in der NS-Zeit erlittene Vermögensverluste entschädigt, wobei Auszahlungen an das Bestehen von Rechtssicherheit geknüpft sind, in den USA also gegen Österreich aus dem Titel „Restitution“ keine Klagen mehr anhängig sein dürfen. Das betrifft auch die Gelder für die IKG. Die Antragsfrist endete im Mai 2003. Noch ist Rechtssicherheit nicht gegeben. Die Bearbeitung der Anträge läuft noch.
Zum Nachschlagen:
„10 Jahre Nationalfonds. Einblicke. Ausblick“
herausgegeben vom Nationalfonds der Opfer des Nationalsozialismus, Wien 2005
„10 Jahre Nationalfonds. Zahlen. Daten. Fakten“
herausgegeben vom Nationalfonds der Opfer des Nationalsozialismus, Wien 2005
Beide Publikationen sind direkt beim Fonds unentgeltlich erhältlich:
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