NU hat eine Umfrage unter österreichischen Parlamentariern zur jüngeren Geschichte durchgeführt. Die wichtigste Erkenntnis: Nur 49 der 183 fanden sich bereit zu antworten. Über die Motive der anderen, die ihre Positionen nicht bekannt geben wollten, kann nur gemutmaßt werden.
Von Peter Menasse
Abgeordnete sind nicht repräsentativ für die Bevölkerung Wenn man Abgeordnete zur jüngeren Geschichte befragt, kommt wenig dabei heraus. Das lässt sich nach einer Umfrage von NU bei den österreichischen Parlamentariern resümieren. Wir hatten an alle 183 Nationalratsabgeordneten einen Fragebogen zum Thema „Gedankenjahr“ übersandt und sie gebeten, sich ein paar Minuten Zeit zu nehmen, um unsere Fragen zu beantworten. Der Rücklauf war mit 27 Prozent sehr bescheiden. Nur 49 Abgeordnete nahmen sich Zeit, unserer Bitte nachzukommen. Alle Ergebnisse müssen daher unter einem zweifachen Vorbehalt gelesen werden. Der erste Vorbehalt: Die österreichischen Volksvertreter sind nicht repräsentativ für die von ihnen vertretene Bevölkerung. Das gilt nicht erst seit der Gründung einer orangen Bewegung, die von niemandem gewählt worden ist, sondern das ist eine, immer schon gültige Feststellung, die sich auf die Erkenntnisse der Statistik stützt. 4.000 Abgeordnete ein statistischer Albtraum Ein repräsentatives Sample muss zumindest ein halbes Promille der Untersuchten umfassen, um aussagekräftig zu sein. Darüber hinaus muss es auch in seiner Zusammensetzung die darzustellende Gesamtmenge widerspiegeln. Wir bräuchten also rund 4.000 Abgeordnete, um wirklich repräsentativ vertreten zu sein. Und unter ihnen müssten jedenfalls mehr als die Hälfte Frauen sein, wie es eben der österreichischen Bevölkerung entspricht, weit mehr als die Hälfte wären alte Menschen und nur wenige der Abgeordneten kämen zum Beispiel aus Vorarlberg. Der zweite Vorbehalt: Wenn nur 49 von 183 Abgeordneten antworten, ist das Ergebnis selbst für die Gruppe der Abgeordneten nicht repräsentativ. Es lässt sich vermuten, dass eher jene Parlamentarier geantwortet haben, die uns nahe stehen und auch sicher sind, unangreifbare Positionen zu vertreten. Das Ergebnis spiegelt also immerhin den Stand der „political correctness“ der österreichischen Nationalratsabgeordneten wider und es zeigt, wer sich traut, zu Fragen der Geschichte der jüngsten sechzig Jahre unbefangen Antworten zu geben. Weil ich mich nichts trau, wähl ich orange und blau Es gab gravierende Unterschiede in der Bereitschaft der einzelnen Parteien, sich den Fragen zu stellen. Wenig verwunderlich hat sich von den 18 FPÖ-Abgeordneten nur ein einziger darüber gewagt. Die ÖVP war mit 17 Antworten aus den Riegen ihrer 79 Volksvertreter ebenfalls unterrepräsentiert. Immerhin 21 SPÖ-Vertreter (30 Prozent) waren bereit uns zu antworten und von den Grünen gaben uns deutlich mehr als die Hälfte die Ehre einer Antwort (10 von 17 Abgeordneten). Dieser Rücklauf stimmt, wie uns Meinungsforscher sagen, durchaus mit dem typischen Verhalten der Parteigänger überein. FPÖ-nahe Menschen genieren sich für ihre Ansichten und lassen daher wenig raus, während Grün-Bewegte offen zu ihren Positionen stehen. Die Bedeutung der drei Jubiläen Als Erstes baten wir die Abgeordneten, drei Ereignisse das Kriegsende 1945, den Staatsvertrag 1955 und den Beitritt zur EU 1995 nach ihrer Bedeutung zu ordnen. Die meisten, nämlich 40 der insgesamt 49, unter ihnen auch der einzige FPÖ-Mandatar, nannten das Kriegsende an erster Stelle. Es gab aber auch drei Personen, die den EU-Beitritt für bedeutsamer ansahen. Das korrespondiert mit der Ansicht einiger weniger, dass die Auseinandersetzung mit den Ereignissen der Jahre 1938 bis 1945 bzw. 1945 bis 1955 aufhören solle. Ein Kommentar aus der ÖVP-Ecke lautete: „Geschichte bitte einmal ruhen lassen!“, und einer seiner Parteikollegen meinte, es handle sich um eine bereits zu lange zurückliegende Geschichte. Die meisten Abgeordneten gaben hingegen ermutigende Kommentare. Wenn alle Parlamentarier so dächten, müsste einem gar nicht bange sein. Wie sagte doch ein Grüner zur Bedeutung der Auseinandersetzung: „Weil es unsere Geschichte ist.“ Multi-Kulti oder was? Mehrere Fragen bezogen sich auf die Positionen der Abgeordneten zu Ausländern und auf ihre eigene Identität. 41 unserer 49 Parlamentarier kreuzten das Feld „Österreicher“ bei ihrer Identität an, 31 von ihnen, darunter mehrheitlich die ÖVP-Abgeordneten, auch noch das Feld „Christen“. Bei der Frage, welche Nachbarn nach Herkunft sie bevorzugten, wollten 19 gar nicht antworten. Acht Befragte kreuzten das Feld „egal“ an, elf wiederum zeigten ihre Weltoffenheit, indem sie alle Felder ausfüllten. So kommt also heraus, dass es den meisten gleich recht wäre, neben Christen, Moslems, Juden, Türken, Ex-Jugoslawen, Sinti, Roma usw. zu wohnen. Das ist politische Korrektheit, wie sie leibt und lebt. Bei der Frage, welche Nachbarn ihnen am unangenehmsten wären, gab es dann doch fünf Mal die Nennung „Moslems“, drei Mal „Türken“ und zwei Mal „Osteuropäer“ (Mehrfachnennungen waren möglich). Wenig überraschend schrieb keiner von ihnen an das NU, dass ihnen „Juden“ als Nachbarn unerwünscht wären. Mazel tov. Überraschend war für uns allerdings, dass 28 der 49 Abgeordneten behaupteten, regelmäßigen Kontakt mit Juden zu haben. Das kann wohl nur auf die segensreiche Lobbying-Arbeit des geschätzten Präsidenten Ariel Muzicant zurückzuführen sein. Oder doch etwa auf Leon Zelman? Ein interessantes Ergebnis gab es auch bei der Frage, woher der Ehepartner für ihre Kinder stammen solle. Immerhin zehn Mal wurden da die Kärntner Slowenen und die Burgenland-Kroaten genannt (Mehrfachnennungen möglich). Ob da der grüne Klub eine Ausfüllhilfe für seine Abgeordneten angeboten hat? Noten für die Republik Für ihre Vorgangsweise bei der Restitution bekommt die Republik Österreich mehrheitlich positive Bewertungen – von 43 der 49 Respondenten, das sind 88 Prozent. Einer der Grünen fügt erklärend oder vielleicht auch rechtfertigend hinzu, dass er das „eher positiv“ sehe weil „etwas geschieht! (endlich!!)“. Auch die aktuelle Politik zu Minderheitenrechten generell wird häufiger positiv als negativ bewertet (29 positive, 19 negative Bewertungen), aber nicht annähernd im selben hohen Ausmaß. Ansonsten überwiegen die negativen „Noten“ für die aktuelle Vorgangsweise der Republik: Sowohl bezüglich Arbeits- und Aufenthaltsrecht für Ausländer als auch beim Wahlrecht für in Österreich lebende Ausländer und Asylrecht sind die meisten unserer Abgeordneten unzufrieden. Und spätestens bei diesem Ergebnis lässt sich wohl erkennen, dass wir es mit einer nicht wirklich repräsentativen Gruppe zu tun haben. Wäre das nämlich eine Mehrheitsmeinung unter Österreichs Abgeordneten, ließe sich ja sofort etwas an den Missständen ändern. Und wozu das Ganze? „Was bezwecken Sie mit dem Fragebogen“ wollte einer der Mandatare wissen. Tja, das fragen wir uns jetzt im Nachhinein auch. Die Freunde der Kampls und Gudenusse im Parlament haben ihre Mitwirkung verweigert. Ein paar andere wollten sich die Arbeit nicht antun. Die 49 Braven, die uns geantwortet haben, malen ein Bild der politischen Korrektheit. Entspräche die Bewusstseinslage in unserem Parlament diesen 49 Antworten, lebten wir und andere Minderheiten im besten aller Staaten. Ein ÖVP-Abgeordneter meinte in seinem Kommentar auch blauäugig: „Wir haben keinen Antisemitismus…“ Das aber stimmt leider nicht. Dazu gibt es genügend Umfragen mit aussagekräftigem Rückfluss an Antworten.