Georg Markus hat in den letzten Jahren zahlreiche Bücher zu historischen Themen und Figuren herausgebracht und steht ständig auf der Bestsellerliste. In seinem neuesten Werk „Neues von Gestern“ spürt er unter anderem die „echte“ Tante Jolesch hinter der Figur Friedrich Torbergs auf.
Von Erwin Javor
Gehören Sie etwa zu jenen, die wie ich in regelmäßigen Abständen und ganz besonders bei depressiver Stimmung zur „Tante Jolesch“, dem vielleicht bekanntesten Werk von Friedrich Torberg, greifen, um sich wieder und wieder am „Untergang des Abendlandes in Anekdoten“ wehmütig zu erfreuen? Dann haben Sie sicher auch den Bestseller von Georg Markus „Die Enkel der Tante Jolesch“ gelesen.
Georg Markus setzt in seinem Buch, das 2001 erschienen ist, an der Stelle fort, wo Torberg endet. Die von ihm beschriebenen Künstler, Typen und Käuze sind würdige Nachfolger und stehen den von Torberg gewählten Originalen um nichts nach. Karl Farkas, Hugo Wiener, Friedrich Hacker, Billy Wilder, Gerhard Bronner und Marcel Prawy sind unter anderem jene Protagonisten, die Schlagfertigkeit, genialen Witz und jüdischen Humor repräsentieren, den wir heute so schmerzlich vermissen. Ein Beispiel gefällig? Karl Farkas, der legendäre Kabarettist, war eitel darauf bedacht, seinen Nimbus als bester Schüttelreimer seiner Zeit zu erhalten. Gerne „schüttelte“ Farkas hinter der Bühne jene Reime, die er meinte, seinem Publikum nicht zumuten zu können. Als eines Abends der Autor Peter Preses in Begleitung seiner äußerst unattraktiven Frau im „Simpl“ erschien, bemühte sich das Ensemble des Kabaretts einen ganzen Abend lang, einen entsprechenden Reim auf Preses zu finden. „Preses“, „Käses“, „ich les es“. Plötzlich rief Farkas aus heiterem Himmel seinen Kollegen zu: „Was verlangst du von mir Beses, Bruder? Dass ich die Frau von Preses puder?“
Georg Markus hat in den letzten Jahren fünfundzwanzig Bücher herausgebracht, die in acht Sprachen übersetzt wurden. Seit 1998 steht der Autor ständig auf der Bestsellerliste und erreicht mit seinen Büchern sensationelle Auflagen. In seinem neuesten Werk „Neues von Gestern“ schildert Markus in siebzig Kurzgeschichten weithin unbekannte Hintergründe geschichtlicher Ereignisse. Wussten Sie zum Beispiel, dass der Schöpfer der weltberühmten „Saliera“, der Florentiner Goldschmied Benvenuto Cellini, ein mehrfacher Mörder war? Oder dass Arthur Schnitzlers „Süßes Mädel“ wirklich existierte und was aus ihm wurde? Wem gehört das Auto, in dem Erzherzog Franz Ferdinand erschossen wurde? Wie ging Beethoven mit seiner Taubheit wirklich um? Georg Markus enttarnt das Doppelleben von Charles Lindbergh, schildert das Leben von Schnorrerkönig Poldi Waraschitz, beschreibt unter anderem die Tragödie des Joseph Schmidt und das kurze Leben von Anne Frank. Vor allem aber beschäftigt Markus die Frage, ob es die legendäre Tante Jolesch wirklich gegeben hat oder ob die Tante lediglich die Kunstfigur von Friedrich Torberg war. Man kann nach der Lektüre des Buches beruhigt sein: Die Tante Jolesch hat tatsächlich existiert. Sie hieß Gisela und war die Frau eines Textilfabrikanten. Georg Markus konnte anhand des Trauungsbuches der Israelitischen Kultusgemeinde und des Meldezettels gottlob die wahre Existenz dieser weisen Frau nachweisen. Es wäre doch allzu schade, wenn ihre berühmten und oft zitierten Aussprüche, wie „Was a Mann schöner is wie a Aff‘, ist ein Luxus“ oder „Alle Städte sind gleich. Nur Venedig is e bissele anders“, Aussprüche einer fiktiven Person gewesen wären.
Georg Markus: „Neues von Gestern – Geschichten mit Geschichte“, Amalthea-Verlag, Wien 2004