Der Zwiekommentar von Peter Menasse und Erwin Javor
Menasse:Wir haben – wenn auch nur indirekt – einen strengen Verweis von Präsident Muzicant bekommen. Er sagte in einem Interview im „profil“ auf die Frage, wie er es mit Kritik an seinem Führungsstil halte: „Ich agiere immerhin auf einstimmigen Beschluss des Kultusvorstands, habe somit – im Gegensatz zu diesen Kritikern – eine demokratische Basis.“
Javor: Es fragt sich halt nur, wo können sich Kritiker demokratisch wählen lassen? Es muss ja nicht immer gleich einstimmig sein. Vielleicht sollten wir eine Kritikerzulassungsbehörde anregen, die unter Vorsitz von Präsident Muzicant tagt und ihre Beschlüsse – wie in der Demokratie üblich – immer einstimmig fasst.
Menasse: Das stelle ich mir nett vor: Der Präsident erscheint, verliest einen Antrag von NU, die Arbeit des Kultusvorstands kritisieren zu dürfen, und es beginnt eine angeregte, differenzierte Diskussion der würdigen Herren. Schließlich lässt der Präsident so lange abstimmen, bis Einstimmigkeit herrscht. Das Ergebnis der Beratungen wird NU schriftlich übermittelt. Oj, täten wir viele schwarze Balken brauchen.
Javor: Und was passiert, wenn sich NU nicht an das Kritisier-Verbot hält? Da fällt mir eine Geschichte von Hans Weigel ein. Er war unter anderem auch Theaterkritiker. Eines Tages wurde er von der Burgtheater-Diva Käthe Dorsch öffentlich geohrfeigt, weil sie sich von seiner Kritik ungerecht behandelt fühlte. Beim darauf folgenden Prozess plädierte der als Zeuge geladene Raoul Aslan mit großer Geste gar dafür, am Kritiker Weigel die Todesstrafe zu vollziehen. Da wären wir mit einer Kritikerzulassungsbehörde ja noch gut dran.
Menasse: Wir werden ja seit Anbeginn dieser Zeitung dafür kritisiert, dass wir kritisieren. Das gerne verwendete Argument – auch diesmal haben wir wieder einen Leserbrief in dieser Richtung bekommen – lautet, man dürfe nicht kritisieren, weil das unsere Feide stärke. Das Gebot der Stunde sei: zusammenzurücken und die Reihen dicht geschlossen zu halten.
Javor: Vor allem sagt man immer, der Zeitpunkt sei falsch gewählt. Das erinnert mich an eine Geschichte in der Tante Jolesch, wo der Staatsanwalt dem Einbrecher in einem Fall vorwirft, er habe feige im Schutze der Dunkelheit seine Untat begangen, und im anderen Fall argumentiert, die Bosheit der Tat bestehe darin, dass sie frech am helllichten Tag verübt worden sei. Darauf hat dann der jüdische Anwalt jene Frage gestellt, die auch uns so beschäftigt: „Wann, Herr Staatsanwalt, soll mein Klient denn einbrechen gehen?“
Menasse: In Wirklichkeit müsste jede Institution – und daher auch die Kultusgemeinde – nur froh sein, wenn sie von Freunden konstruktiv kritisiert wird. Weil nur so kann man falsche Entwicklungen korrigieren, die man von innen nicht erkennt.
Javor: Je autoritärer ein System ist, desto rigider reagiert es auf Kritik. Heute analysiert der Präsident die verfahrene Situation rund um die Finanzen der Kultusgemeinde mit ähnlichen Argumenten, wie wir sie im NU vor einigen Jahren schon vorgelegt haben. Damals haben wir dafür höchste Schelte bekommen und man hat uns vorgeworfen, „Nestbeschmutzer“ zu sein.
Menasse: Eigentlich widerspricht diese Forderung nach völliger Anpassung ja auch der jüdischen Tradition. Nationalistische Appelle, wie das „Seid einig“ von Dollfuß oder Schüssels „Schulterschluss“ gegen die EU-Kritik, sind doch der Weg der anderen. Wir sind durch die Geschichte gelehrt worden, dass man mutig und unbeirrt auf falsche Entwicklungen hinweisen und auch sich selbst der Kritik unterziehen muss.