Marie-Theres Arnbom, Historikerin, Autorin, Kuratorin und Festivalgründerin, wird die neue Direktorin des Theatermuseums.
Von Katharina Stourzh
Für das Theatermuseum beginnt am 1. Jänner 2022 eine neue Ära, siebzehn Jahre, nachdem Marie-Theres Arnbom ebendort ihre erste, Fritz Grünbaum gewidmete Ausstellung präsentierte. Arnbom startet damit einen neuen Lebensabschnitt: Denn bisher hat die sich immer wieder selbst neu erfindende und unterschiedliche Veranstaltungsformate entwickelnde Historikerin als freischaffende Expertin reüssiert.
Einem größeren Publikum wurde Arnbom vor allem mit ihrer Buchreihe über arisierte Villen am Attersee und Traunsee, in Bad Ischl und in Pötzleinsdorf bekannt. Beseelt von dem Gedanken, „den Menschen ihre Geschichte zurückzugeben“, porträtiert sie die zumeist jüdischen ehemaligen Besitzer und deren Nachfahren. Und mitunter lernten einander dank ihrer Recherchen weit verstreute Familienmitglieder erstmals kennen. Respektvoll, in einer ganz besonderen Weise, zeichnet sie in ihren Arbeiten die Geistes- und Kulturgeschichte einer Epoche nach.
Forschen und vermitteln
Den Menschen ihre Geschichte zurückzugeben ist tatsächlich ihr Lebensmotto. Bereits in ihrer Dissertation über Stefan Herz-Kestraneks Lebenserfahrungen in der Emigration, die sie später – gemeinsam mit dessen Sohn Miguel Herz-Kestranek – erweiterte und als Buch herausbrachte, zeichnet sich diese Idee ab. Auch im Musiktheater, ihrer großen Leidenschaft, galt das Interesse ihrer Forschungen in besonderer Weise den vertriebenen, vergessenen jüdischen Künstlerinnen und Künstlern. Sie gründete das Forschungsinstitut für Operette und Unterhaltungsmusik, kuratierte im Theatermuseum die Ausstellung Welt der Operette. Glamour, Stars und Showbusiness und schrieb ein Buch über vertriebene Sänger und Sängerinnen, Dramaturgen und Kapellmeister der Wiener Volksoper (Ihre Dienste werden nicht mehr benötigt).
In St. Gilgen wiederum, wo ihre Familie seit mehr als hundert Jahren die Sommerfrische verbringt, gründete sie 2004 das Kindermusikfestival St. Gilgen, das sich inzwischen als ein Fixtermin des Kultursommers etabliert hat. „In Sankt Gilgen trage ich gerne Dirndl, denn es gehört für mich zur Geschichte des Salzkammerguts“, so Arnbom. „Ich lasse mir die Pflege dieser Tradition nicht von irgendwelchen politischen Parteien nehmen.“
Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Genealogen und Chemiker Georg Gaugusch, zugleich Eigentümer des renommierten Wiener Kleidergeschäfts Jungmann & Neffe, begibt sie sich regelmäßig auf Spurensuche auf jüdische Friedhöfe Altösterreichs und legt die Grabsteine als mitunter einzige Quelle der Geschichtsschreibung frei.
In die Wiege gelegt
Die Begeisterung und das Interesse für Geschichte(n) und (Musik-)Theater wurden Arnbom bereits in die Wiege gelegt: Ihr Vater war Regisseur beim schwedischen Fernsehen, ihre Mutter arbeitete viele Jahre im Konzerthaus. Die Tatsache, dass ihr Urgroßvater Robert Winterstein als ehemaliger Justizminister und Ankläger im Prozess gegen die Dollfuß-Mörder nach Dachau deportiert und dort ermordet wurde, führte zu einer ausführlichen Korrespondenz mit dem Juristen und Buchautor Philipp Sands, der in seinem Buch Die Rattenlinie (siehe NU 1/2021) die Vergangenheit Otto Wächters akribisch nachzeichnet. Wächter war es, der Robert Winterstein als politisch Verfolgten aus dem öffentlichen Dienst entließ.
Arnboms oft unkonventioneller Zugang zu Themen, ihre Neugier und Offenheit, die sie in ihrer bisherigen Arbeit angetrieben haben, werden sich wohl auch in ihrer Direktion widerspiegeln. Auch im Theatermuseum wird sich Marie-Theres Arnbom der zeithistorischen Aufarbeitung widmen, vertriebene Theatermenschen vor den Vorhang holen und ihnen ihre Geschichte zurückgeben.