Nur wenige jüdische Universitätsprofessoren und Lehrende, die sich vor dem Naziterror in Sicherheit hatten bringen können, kehrten nach dem Krieg in die alte Heimat zurück. Warum das Nachkriegsösterreich auf die vertriebenen Forscher verzichtete.
Von Eric Frey
In Rückkehr in die fremde Heimat, dem dritten Band seiner Trilogie über die Vertreibung jüdischer Dichter und Denker aus Europa in der NS-Zeit, beschreibt Herbert Lackner eindrucksvoll und schockierend, wie wenig jüdische Künstler und Intellektuelle im Nachkriegsösterreich willkommen waren. Eine wichtige Gruppe kommt dabei ein wenig zu kurz – die jüdischen Professoren und Lehrenden an Österreichs Universitäten, die entscheidend zum hohen Ansehen der österreichischen Wissenschaft vor der NS-Annexion beigetragen hatten. Von ihnen kehrte nur eine kleine Gruppe nach 1945 aus dem Exil in ihre alte Heimat zurück, und selbst diesen blieben die Tore der österreichischen Universitäten allzu oft versperrt.
Zwei große Symposien beschäftigten sich im Frühjahr 2015, zum 70. Jahrestag des Kriegsendes, mit dem Schicksal dieser jüdischen Wissenschaftler. Mehr als 300 Lehrende, die 1938 aus „rassischen“ und politischen Gründen vertrieben wurden, sind dokumentiert, davon zumindest 118 Juden. Nach 1945 kursierten mehrere Listen von rückkehrwilligen Wissenschaftlern mit 175 und sogar 370 Namen, aber nur 17 kamen als Lehrende wieder nach Österreich, berichtete der Historiker Andreas Huber. Viele waren nach Verfolgung und Vertreibung an der Heimkehr nicht interessiert, anderen war die Lage in Mitteleuropa zu unsicher. Viele von den Vertriebenen waren schon recht alt, weil auch bereits in der Ersten Republik Antisemitismus an den Hochschulen die Berufung von Juden oft verhindert hatte. Entscheidend waren auch bürokratische Hindernisse – manche von ihnen bewusst eingesetzt – und das fehlende Interesse der österreichischen Politik und Gesellschaft an einer Re-Emigration.
Katastrophale Personalpolitik
Oft waren die alten Lehrstühle an andere Wissenschaftler vergeben, die im NS-Regime Karriere gemacht hatten. So kam es, dass manche der Rückkehrer außerhalb der Universitäten ihren Platz fanden. Einer von ihnen war der jüdische Wirtschaftshistoriker Eduard März, dem die Habilitation an der Universität Wien verwehrt wurde. Er baute daraufhin ein Forschungszentrum in der Arbeiterkammer auf. Der Ökonom Kurt Rothschild ging an das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und wurde erst 1966 an die neugegründete Johannes-Kepler-Universität (JKU) in Linz berufen, wo eine ganze Generation von aufstrebenden, sozialdemokratisch orientierten Ökonomen bei ihm lernte, darunter etwa der spätere Nationalbankgouverneur Ewald Nowotny. Ein Jahr später gründete Oskar Morgenstern, Mitbegründer der Spieltheorie, das Institut für Höhere Studien (IHS) – und ging nach nur einem Jahr zurück in die USA.
Für die österreichischen Universitäten und das gesamte Geistesleben war diese Personalpolitik eine Katastrophe. Katholische Wissenschaftler, die im NS-Regime gelitten hatten, waren viel eher willkommen. Die Hochschulen wurden zu einem Hort des konservativen, ja sogar reaktionären Denkens, die wissenschaftlichen Leistungen waren im internationalen Vergleich meist mager. Am schmerzhaftesten war der Einschnitt auf den medizinischen Fakultäten, wo bis 1938 besonders viele jüdische Professoren gewirkt hatten.
Bis heute ist es den Universitäten nicht gelungen, diesen Rückstand aufzuholen. Dafür schmückt sich die Republik mit den Namen von Vertriebenen, die in den USA und anderswo Karriere machten und später mit Nobelpreisen ausgezeichnet wurden, wie Eric Kandel und Martin Karplus. Die hiesigen Universitäten, selbst die große Universität Wien, verharren hingegen bis heute im internationalen Mittelmaß.