Was tut Israel, damit es in der Welt verstanden wird? Zu sagen „Israel hat recht“ reicht nicht mehr aus. Miri Eisen gehört zur neuen Generation israelischer Sprecher, die das verstanden haben. NU hat sie getroffen.
Von Martin Engelberg (Bericht) und Peter Rigaud (Fotos)
Wer Miri Eisen trifft, gerät schnell in ihren Bann. Sie spricht klar und selbstbewusst in akzentfreiem Englisch, hat ein höchst professionelles Auftreten und ein wissenschaftlich fundiertes Verständnis von Kommunikation. Man wird unwillkürlich an Benjamin „Bibi“ Netanyahu erinnert, an seine Zeit als israelischer Botschafter bei der UN in New York in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre. Es gab fast keine TV-Diskussion zum Thema Nahost, zu der Netanyahu nicht eingeladen wurde, und es gelang ihm jedes Mal, die amerikanische Öffentlichkeit in seinen Bann zu ziehen. Ein wesentlicher Teil seines Erfolges war ein fast akzentfreies Englisch und die Fähigkeit, perfekt auf die politischen Haltungen des Publikums einzugehen.
Das ist auch Miri Eisens Spezialität. Die Auslandsmedienberaterin des ehemaligen Premierministers Ehud Olmert gehört einer neuen Generation israelischer Sprecher an: „Ich bin keine gelernte Pressesprecherin, ich kam aus der Armee, aus der Informationseinheit, musste also die jeweiligen Kommandeure über den Gegner informieren, vertrat also quasi den Feind, seine Perspektive. Die Offiziere wollten ganz genaue Informationen, mit denen sie etwas anfangen können, und ich musste es sozusagen in deren Sprache und so klar wie möglich formulieren, damit sie es verstehen können“, erzählt sie. „Als ich Sprecherin für Israel wurde, zuerst im Militär und dann im Büro von Premier Olmert, stand ich vor derselben Aufgabe: Mein Gegenüber war auch sehr schwierig, war jemand, der meine Argumente nicht akzeptiert und ganz anderer Meinung ist, und dieses Gegenüber musste ich überzeugen und das in seiner Begriffswelt.“
Wie das geht? Eisen erklärt ihre Strategie: „Einfach zu sagen: ‚Wir haben recht und die anderen haben unrecht‘, ist noch kein gutes Argument und es gibt jetzt in Israel eine ganze Generation von Sprechern, die das verstanden haben. Wir müssen begreifen, dass es unterschiedliches Publikum, mit unterschiedlichen politischen Kulturen gibt. Vielleicht ist es nicht eine Frage, dass du recht hast und ich nicht. Vielmehr: Du hast eine Perspektive und ich habe eine – setzen wir uns zusammen und versuchen wir zu verstehen, warum unsere Perspektiven so verschieden sind. Vielleicht, möglicherweise ändert das einen Dialog völlig.“
Beginnend mit Netanyahus Auftritten in den USA hat sich eine neue Generation an israelischen Sprechern herausgebildet, die ähnlich geschult sind: Sie sprechen amerikanisches Englisch als Muttersprache, oder zumindest so gut wie. Und sie können dieses in seinem sozio-kulturellen, politischen Kontext ansprechen, in dessen Narrativ und in dessen Sprache. Tatsächlich ging Benjamin Netanyahus Familie in die USA, als er 14 Jahre alt war. Er besuchte dort Schule und Universität. Dore Gold, der nachfolgende israelische Botschafter bei der UN, ist in den USA geboren und aufgewachsen und begann erst mit fast 40 Jahren für die israelische Regierung zu arbeiten. Auch Miri Eisen ist gebürtige US-Amerikanerin. Sie kam im Alter von sieben Jahren nach Israel. In ihrer Familie wird auch weiterhin hauptsächlich Englisch gesprochen. Sie alle könnten genauso gut Sprecher des Weißen Hauses sein.
Miri Eisen ist sich dessen bewusst: „Keine Frage, für uns Israelis sind das erste und wichtigste Publikum die USA, aber ich denke, dass wir inzwischen schon weiter sind. Ich gebe Ihnen folgendes Beispiel: Auch wenn ich ein tadelloses Englisch spreche, aber wenn ich einen Vortrag in Großbritannien halte, bemerkt das Publikum natürlich sofort meinen amerikanischen Akzent; die Briten mögen keine Amerikaner und so habe ich gleich einen Nachteil. Wir haben bereits verstanden, dass wir dort besser entweder Israelis mit britischem oder australischem Hintergrund einsetzen. Warum nicht auch in Österreich Personen sprechen lassen, die nicht nur Deutsch, sondern sogar Deutsch mit österreichischem Akzent sprechen? Das Publikum nimmt sofort den Unterschied wahr und dies hat einen sofortigen und unmittelbaren Einfluss auf ihre emotionale Haltung dem Vortragenden gegenüber. Ja, Englisch ist natürlich die dominierende Sprache, aber mein Traum ist es, dass wir im Büro des Premierministers auch Leute haben, die Arabisch, Spanisch, Französich oder Deutsch als Muttersprache haben und auch im Kontext der jeweiligen Zuhörerschaft sprechen und darauf eingehen können.“ Gibt es im Büro des israelischen Premierministers oder des Außenministeriums Personen, die sehr gut Deutsch können und einen ebenso professionellen Hintergrund als Sprecher haben wie Miri Eisen? „Ich denke, wir kommen dorthin, ich glaube, es gibt in Israel ein zunehmend stärkeres Bewusstsein dafür. Es ist allerdings für mich noch immer ein Mysterium, wie der Staat Israel, der sich so besessen mit seinem internationalen Image beschäftigt, so wenig auf diese Herausforderung eingeht. Sehen Sie, ich kann mich natürlich bis zu einem gewissen Grad in den deutschen, sogar den österreichischen Kontext hineindenken, aber ich werde nie das Niveau erreichen, das mir nötig erscheint. Wir bräuchten jemanden in Österreich, er oder sie muss nicht einmal notwendigerweise jüdisch oder pro-israelisch sein.“
Im Moment gäbe es nur „drei, vier Personen in Israel, die zwischen 20 und 30 Jahren alt sind, einen deutschen oder österreichischen Hintergrund haben, Deutsch als Muttersprache sprechen, die Kultur verstehen, die wissen, wie sie hier zu sprechen haben, aber auch, wie sie sich zu bewegen haben, wie sie sitzen, ob sie mit den Händen sprechen sollen oder nicht“, erzählt Eisen. Sie reist viel als Vortragende und unterrichtet zugleich am renommierten Interdisciplinary Center in Herzliya.
In der Karriere von Miri Eisen gibt es ein besonders interessantes Detail: Sie war Colonel (Oberst) in der israelischen Armee – dies ist der dritthöchste Offiziersrang nach dem Generalstabschef. Damit ist sie eine absolute Ausnahmeerscheinung. So gibt es in der israelischen Armee immer nur etwa 450 Offiziere ihres Ranges, lediglich 2 Prozent davon sind Frauen.
Dessen ist sie sich durchaus bewusst: „Viele meiner Positionen wurden mit mir zum ersten Mal von einer Frau besetzt und das erweckte jedes Mal großes Aufsehen. Leider war ich aber zumeist kein Türöffner, sodass mir andere Frauen hätten nachfolgen können. Ich war eher so etwas wie eine Durchgeherin – die Türen haben sich zumeist hinter mir wieder geschlossen.“
Miri Eisen ist 46 Jahre alt, in den USA geboren und mit 7 Jahren nach Israel emigriert. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder. Sie machte im Informationsdienst der israelischen Armee eine eindrucksvolle Karriere, die sie bis in den hohen Offiziersrang eines Colonels (Oberst) führte. Danach arbeitete sie als „Foreign Media Advisor“ im Büro von Premierminister Ehud Olmert. Derzeit unterrichtet sie am Interdisciplinary Center in Herzliya und ist gefragte Vortragende in den USA und Europa.