Die ganze Welt trägt Taschen von Robert Horn, ganz Wien kennt den Mann, der in kurzen Hosen mit Sakko durch die Straßen eilt. NU erzählte er, wie er zum Leder kam, warum er nicht nach Israel reist und wer seine Waren kauft.
Ein Werkstattbesuch von Peter Menasse, unter Mitarbeit von Annina Bottesch und Peter Rigaud (Fotos)
Die Hindus wissen das Leder zu schätzen. Schließlich durchwandern nach ihrer Glaubensvorstellung die Menschen immer wieder und auf ewig die Weltzeitalter. Das kann schon ans Schuhwerk gehen und so findet sich denn auch der Hindu- Spruch: „Aller Reichtum gehört dem zufriedenen Geist. Ist nicht jenem die ganze Erde mit Leder bedeckt, dessen Füße in Schuhen stecken?“
Mit Robert Horns Werkstätte im Wiener Bezirk Margareten hätten die sanften Inder ihre wahre Freude. Was nur irgend aus Leder sein kann, ist dort auch aus Leder. Im Lager liegen die zugeschnittenen, gegerbten Tierhäute in allen Farben, der Lampenschirm in Horns Büro, ja selbst der klassische Bürostuhl ist mit jenem Leder bezogen, das Wiens berühmtester Hersteller von handgearbeiteten „Kleinlederwaren“ für seine Handtaschen und anderen Accessoires verwendet. Zum Handwerk ist Horn über lange Umwege gekommen. Fast ein „Weltzeitalter“ hat er gebraucht, bis er seine Bestimmung erkannte. Nach der Matura ging er auf die Uni, um dort ein Studium der Geschichte zu beginnen, und gründete sofort auch eine der ersten Wohngemeinschaften im Wien der 1970er Jahre. Grund war seine „jiddische Mamme“, die ihr einziges Kind gleichermaßen verwöhnte wie einengte. „Man musste sich entfernen, damit man überhaupt atmen konnte. Aber ich bin glücklich, dass sie so war, weil mittlerweile weiß ich: Viele Menschen haben das Problem, dass sie nicht wahrgenommen wurden als Kind. Das habe ich wahrlich nicht gekannt.“
Der Fortlauf des Studiums ähnelte dann mehr dem langen Gang der Hindus durch die Jahrhunderte als dem heute üblichen Konzept effizienten, wettbewerbsorientierten Absolvierens. „Ich habe ein paar Jahre auf der Universität verbracht, ohne einen Abschluss, weil das war damals unter den besseren Menschen nicht üblich, da hat man andere Dinge gemacht, da hat man Vorlesungen gestört und nicht Vorlesungen absolviert“, erzählt Horn von einer bewegten Zeit. Später gründete er mit Freunden das „Wiener Filmkollektiv“ und dann auch eine Truppe, die in den Straßen der Stadt Theater spielte.
So vergingen jene Jahre, die andere nutzten, um zu Historikern, Ärzten oder Journalisten zu werden, und der inzwischen 35-jährige Robert stand mit einem Mal ernsthaft vor der Frage, wie sein Leben denn eigentlich weitergehen sollte. Ein nochmaliger Versuch an der Universität scheiterte spektakulär: „Ich habe als Mittdreißiger schon ein bisschen so ausgesehen wie heute. Gehe ich also auf die Uni und frage dort den Portier: Wo ist denn da die Inskription? Der schaut mich an und fragt: Seniorenstudium? Da war ich so angefressen, dass ich hinausgegangen bin. Seniorenstudium mit 35! Vielleicht habe ich ausgesehen wie 48, das versteh ich schon, aber ,Seniorenstudium‘?“ Als er dann ernsthaft darüber nachdenkt, welchen Beruf er ergreifen sollte, kommen ihm die Erfahrungen seiner Kindheit zugute. Als kleiner Bub durfte er mitunter den Vater zum Schuhmacher begleiten und sah dort die große, weite Welt der handgemachten Schuhe. Auf die Frage, wann er denn auch einmal ein solches Paar habe dürfe, antwortete der Vater stets, dass er so lange warten müsse, bis seine Füße nicht mehr wüchsen. Das löste einen so sehnlichen Wunsch im kleinen Robert aus, dass er oft stundenlang beim Schuster saß und ihm beim Nähen des Schuhwerks zuschaute. Als er jetzt nach dem Fiasko des „Seniorenstudiums“ mit einem Freund beratschlagte und ihn fragte: „Von was verstehe ich was? Sag du es mir“, antwortete dieser wie aus der Pistole geschossen: „Also von handgemachten Schuhen verstehst du die Läng’!“
Und so begann der Eintritt in die Lederwelt mit einem Marketingprojekt für Wiener Maßschuhe. Die Lust auf Schuhe mündet bei Horn in eine eigene, kleine Philosophie: „Spaziergangschuhe sind verdreckt, nach dem Regen getrocknet, schauen schiach aus. Wenn man sie dann nimmt und putzt, sind sie eine Viertelstunde später schöner, als sie es vorher waren. Wo hab ich noch ein Erlebnis, wo es nachher besser ist als vorher? Nie! Beim Sex, beim Essen? Keinesfalls. Und das war einer der Gründe, die mich in diesen Beruf gebracht haben. Die erstklassigen Schuhe sind später schöner als vorher!“
Nach einiger Zeit wurde Robert Horn dann aber klar, welche logistischen Probleme mit dem Schuhhandel verbunden sind. Weil nicht jeder die gleiche Fußgröße hat, muss rund zehn Mal so viel Ware auf Lager genommen und finanziert werden wie bei genormten Produkten. Also begann der Jungunternehmer, aus dem Kalbsleder, dem „Scotchgrain“, das er für die Schuhe verwendet hatte, Handtaschen, Portemonnaies und Schlüsseltaschen zu erzeugen, im Stil „wie sie mir gefielen“. So entstand auf völlig unspektakuläre Weise eine Kollektion, die weit über Österreich hinaus bekannt wurde und in Qualität und Image mit den berühmtesten Marken mithalten kann. „Ich bin das Zwergerl“, sagt Horn nicht ohne Koketterie, „aber meine Konkurrenz sind so Luxusmarken wie Hermès oder Louis Vuitton.“
Das Design der Horn-Edition hat zwei Väter. Der eine ist der leibliche Vater von Robert Horn, ein Mann von erlesenem Geschmack, der nicht nur die vom Sohn so begehrten Maßschuhe trug, sondern auch bei Koschier nähen ließ, dem nach Ansicht von Horn besten Schneider seiner Zeit. Die zweite Prägung erfuhr er von Adolf Loos, der einmal sagte, dass der moderne Mann sich in der modernen Zeit englisch kleide. Die schlichte, funktionelle Form und der Zuschnitt auf individuelle Bedürfnisse sind die Markenzeichen der Taschen mit dem „R-Horns-Logo“. „Konservativ ist wieder voll im Trend“, wirbt neuerdings ein österreichisches Bankinstitut. Horn weiß das schon lange, ganz im Sinne einer Definition, die von Werner Schneyder stammt: „Konservativ heißt, das Gute zu bewahren.“
Inzwischen haben die Produkte des Taschners Kultstatus erreicht. So bestellte Michael Haneke für den Film „Die Klavierspielerin“ eine Spezialanfertigung des Modells „Burgtheater“ für das Messer, das Erika sich am Ende in die Schulter rammt. Auch in Stefan Ruzowitzkys „Die Fälscher“ kommt eine Horn-Tasche, wenn auch ohne Logo, ins Bild. „Da sehe ich doch glatt, dass einer mit meiner Tasche in die Bank geht. Und denke mir, die hat es 1942 ja noch gar nicht gegeben.“
Auch die berühmt gewordene rote Tasche des Alfred Gusenbauer stammt aus seiner Werkstatt und schließlich hat Horn erst vor Kurzem Franz Fischler mit einem schon ein wenig abgetragenen Modell gesehen. Er hat volles Verständnis für die abgewetzten Kanten an des viel beschäftigten Mannes Tasche, auch wenn die Pflege, wie er versichert, ganz einfach ist. Schuhcreme, die prinzipiell geeignet wäre, empfiehlt er nicht, weil die Kleidung darunter litte. Besser sei es, die Tasche wie die eigenen Hände mit einer milden Creme einzuschmieren. Beide, Hände wie Tasche, würden dann nicht rau und rissig werden.
Vor einiger Zeit fiel dem Taschenerzeuger ein Foto von Thomas Mann und seiner Frau Katia aus den 1920er Jahren in die Hand. Der Schriftsteller steht mit überkreuzten Beinen im eleganten Mantel da und hält eine Tasche in der Hand. Darauf beschloss Horn, das Modell nachzubauen und hat so erreicht, dass jetzt auch Thomas Mann posthum zu seinem Kunden geworden ist. Die Modelle tragen allesamt klingende Namen, wie Bellaria, Kobenzl, Burgtheater oder Audrey. Die Tasche Jonathan ist nach einem New Yorker Psychiater benannt, der sein ganz eigenes Modell bei Horn anfertigen ließ. Seit der Meister des Leders selbst einen Mops namens Hugo in seinen Haushalt genommen hat, erzeugt er auch Hundetaschen und Zubehör, die unter dem Markennamen „For the dog“ in der Neuen Galerie in New York reißenden Absatz finden.
Als jüdischer Handwerker will Robert Horn nicht bezeichnet werden. Er mag so nicht „aussortiert“ werden. „Nach dem Adolf kann man so was nicht machen, einfach alle Juden rechts raus.“ Seine Mutter war eine der wenigen, die Auschwitz überlebt hatten. Der Vater war auf Oskar Schindlers Liste gestanden und konnte entkommen. Sein Vater sei eines Tages aus der Baracke gekommen, erzählt Horn so routiniert, wie man das von oft wiederholten Familiengeschichten kennt, habe den besoffenen Schindler gesehen und sogleich schreckliche Angst bekommen, dass seine letzte Stunde geschlagen habe. Aber Schindler sagte nur: „Ja du glaubst, ich bin angesoffen, aber ich mach das nur wegen euch, mit den SS-Leuten saufen, damit ihr nicht abgeholt werdet.“ Als Horn 12 Jahre alt war, lernte er den Retter in der elterlichen Wohnung kennen, ohne damals wissen zu können, dass dieser später durch Steven Spielberg zu Heldenruhm gelangen würde.
Mit Israel verbindet Robert Horn eine unglückliche Beziehung. Er bezeichnet sich selbst als Hitze-Phobiker, der es immer kühl braucht. „Was soll ich in einem Land, in dem es 50 Grad hat? Ich brauche das nicht.“ Seine Abneigung gegen die Hitze hat ihn auch in Wien als Original bekannt gemacht. Robert Horn war der Erste, der mit kurzer Hose und Sakko durch die Innenstadt eilte und sich so das Image eines Exzentrikers erwarb.
Sein erster Besuch in Israel als 14- Jähriger gemeinsam mit den Eltern hatte seine Einstellung zum Heiligen Land für immer geprägt. Man hatte ihn mit einem Burberry und einem Tirolerhut ausgestattet, was die Annäherung an die Bevölkerung nicht eben einfach machte. Auch politisch ist er mit den Israelis nicht einverstanden. „Es sind das zwei Konfliktgegner, beide haben ein Anrecht auf das Gebiet und beide haben sich zu verschiedenen Zeiten deppert benommen, zuerst die Araber, zwanzig Jahre später die Israelis. Und jetzt haben sie einen Pallawatsch beieinander. Wenn jemand auf Israel schimpft, bin ich angefressen. Aber das Konzept, finde ich, könnte nach hinten losgehen und alles kaputt machen.“
Am Ende unseres Gesprächs läutet das Mobiltelefon und es entspinnt sich ein Dialog, der typischer für Robert Horn nicht sein könnte: Horn: „Hallo? Wer spricht? Wer spricht? Servus, ich kann jetzt nicht, schick mir ein Mail, es ist schlechter Empfang.“
Anrufer: „Ich wollte nur fragen, ob du mein Mail gekriegt hast.“ Horn: „Keine Ahnung. Schick mir doch einfach ein Mail.“ Anrufer: „Noch eins?“ Horn: „Ja, noch eins.“ Robert Horn ist ein zufriedener Geist, dessen Füße in handgenähten Schuhen stecken. Jeden Tag in der Früh liest er zwei bis drei Stunden in historischen Büchern, ohne von einem Universitätsportier gestört zu werden. Dann widmet er sich seinen eleganten Taschen. Würde er nicht voll Dynamik durch die Werkstätte eilen, man könnte ihn durchaus für einen in sich ruhenden Hindu halten, der gelassen auf dem genoppten Leder des Lebens dahinschreitet.
Robert Horn
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