An der Spitze des Zukunftsfonds steht mit Herwig Hösele einer der bestvernetzten Alt-ÖVP-Politiker. Die Aufgaben des Fonds sieht er breit gestreut. Das Thema NS-Vergangenheit habe ihn schon immer sehr interessiert.
Von Rainer Nowak
Herwig Hösele hat nur kurz Zeit für das Gespräch. Gleich kommt Heinrich Neisser, ehemals zweiter Nationalratspräsident und Klubobmann der ÖVP, Lehrender an der Universität Innsbruck und als kritischer Geist seiner Partei gerne von den Medien befragt. Er feierte gerade seinen 75. Geburtstag, ein paar Tage bevor Erhard Busek mit seinem 70er dran ist. Die alten ÖVP-Veteranen sind dieser Tage aber nicht nur am Feiern, sondern emsig damit beschäftigt, mehr oder weniger ehrenamtlich etwas für die politische Kultur in Österreich zu unternehmen.
Busek gibt Interviews und Tipps, wie sein Nach-Nachfolger mit der aktuellen ÖVP-Krise umgehen soll – Regierungsteam umbilden! – und gibt den Elder Statesman. Neisser und Hösele kämpfen für die Einführung eines neuen Mehrheitswahlrechts. Der 58–Jährige führt seit kurzem vor allem aber den Zukunftsfonds, der aus dem einstigen Entschädigungsfonds für ehemalige Zwangsarbeiter entstanden ist.
Geleitet hatte den Zukunftsfonds, der historische Projekte der Vergangenheitsbewältigung (und auch solche für Toleranz in der Gesellschaft) fördert, vor wenigen Jahren Waltraud Klasnic, die frühere steirische Landeshauptfrau. Mit der hatte Hösele als Sekretär und erster Berater Jahre lang zusammengearbeitet, sie war nach Josef Krainer seine Mentorin gewesen. Mit ihrem Rücktritt im Zuge der Herberstein- Affäre musste dann auch Hösele Abschied aus dem Landhaus in Graz nehmen, seine Funktion als medial gut vernetzter Vor- und Nachdenker Klasnics war nicht mehr gefragt.
Dass er auf deren Intervention in seine neue Funktion gekommen sei, bestreitet Hösele im Gespräch mit „NU“ vehement. Dass er in der Öffentlichkeit bisher nicht als Spezialist für den Umgang mit der NS-Zeit galt, wisse er zwar auch, aber: „Mein Interesse an sensiblem und sorgfältigem Umgang mit der Vergangenheit und mein unbedingtes Eintreten für Menschenrechte wurden schon durch die beginnende Schülerbewegung als kleiner Ausläufer der 1968er-Bewegung geprägt – ich war als Jahrgang 1953 einer der Exponenten in der Steiermark.“ 1970 habe dann ein Alpbach- Seminar zum Umgang Österreichs mit der NS-Zeit, das die Historiker Erika Weinzierl und Gerhard Jagschitz hielten, endgültig sein Interesse geweckt. Nun wird er den jährlich mit zwei Millionen dotierten Fonds leiten und weiterhin Forschungsarbeiten zur Aufarbeitung des Holocausts und der NSZeit in Österreich finanzieren. Acht weitere Jahre hat der Fonds noch finanzielle Ressourcen, um so zu arbeiten. Seit 2006 wurden weit über 500 Projekte gefördert, sagt Hösele, der um Verständnis bittet, nach ein paar Tagen Einarbeitungszeit noch kein echtes Arbeitsprogramm nennen zu können. Derzeit lese er etwa gerade den „beklemmenden“ Bericht „Die Akten der Klienten/Klientinnen der Kanzlei Dr. Michael Stern 1938-1945“.
Wie schon bisher werden aber weiterhin Projekte zur Versöhnung wie „Letter to the Stars“ unterstützt, aber auch Forschungen zu anderen totalitären Regimen wie dem Dritten Reich. Selbst tagespolitische Aktionen finden hier Förderung, etwa eine Untersuchung, wie Menschenrechts-konform oder nicht die Schubhaft nun tatsächlich sei. Dass solche wissenschaftlichen Untersuchungen eigentlich nichts mit der ursprünglichen Idee des Entschädigungsfonds für NS-Opfer zu tun haben, sieht Hösele nicht als Problem. „Ich nehme das „Niewieder!“ sehr ernst: Intoleranz kommt in verschiedenen Mänteln. Das muss man daher auch breit untersuchen.“
Infos unter
www.zukunftsfonds-austria.at