Von Martin Engelberg
Demnächst endet in der IKG die Präsidentschaft Muzicant. Warum tritt er nicht mehr an? Wie geht’s weiter? Der Versuch einer Bestandsaufnahme nach zahlreichen Gesprächen in den letzten Monaten.
Schon vor einem Jahr hat Ariel Muzicant in diversen Interviews angekündigt, bei der nächsten IKG-Wahl nicht mehr antreten zu wollen. Das ist seine freiwillige Entscheidung – laut IKGStatut könnte er beliebig oft wiedergewählt werden. Gekürt wird der Präsident vom 24-köpfigen Kultusvorstand aus seinen eigenen Reihen.
Die nächste Wahl des Kultusvorstandes steht im November 2012 an. Das wäre eigentlich der Zeitpunkt, zu dem die Präsidentschaft Muzicants endete und ein neuer Präsident (oder vielleicht erstmalig gar eine Präsidentin) gewählt werden sollte. Es ist jedoch paktiert, dass Muzicant bereits im Februar 2012 zurücktritt und sodann der von ihm als Nachfolger favorisierte Ossi Deutsch, ohne Neuwahl des Kultusvorstandes, zum Präsidenten gewählt wird. Die Idee dahinter: Deutsch könnte dann bereits als Präsident, quasi mit einem Amtsbonus, bei den Kultusvorstandswahlen im November 2012 antreten.
Warum tritt Muzicant nicht mehr an? Als Grund nannte er seine bereits 12-jährige Amtszeit. Er wolle, so Muzicant, seinen, 2012 anstehenden 60. Geburtstag zum Anlass nehmen, um sich zurückzuziehen. Gibt es noch andere Gründe? Ja, bereits seit einiger Zeit wirkt Muzicant amtsmüde und genervt von zunehmender Kritik an ihm. Während viele Gemeindemitglieder durchaus seine Leistungen würdigen, stieß er im Kultusvorstand und seiner eigenen Partei mit seinem persönlichen Stil zunehmend auf Ablehnung. Bis tief in die Reihen seiner eigenen Anhängerschaft werden ihm eine „Bulldozer-Mentalität“, Unwilligkeit, Rat und Kritik anzunehmen, und eine fast ausschließliche Beschäftigung mit immer neuen Immobilienprojekten vorgeworfen.
Muzicants Ankündigung, sich völlig zurückzuziehen, stößt bei vielen Gemeindemitgliedern auf Unglauben. Einige vermuten, dass er sich im letzten Moment vielleicht doch noch umstimmen lassen wird, die Gemeinde – wie es dann immer heißt: in diesen schweren Zeiten – nicht im Stich zu lassen und doch wieder zu kandidieren. Dies könnte vor allem dann der Fall sein, wenn die Stabsübergabe an Ossi Deutsch doch nicht so reibungslos wie geplant über die Bühne gehen sollte. Muzicant hat schon gelegentlich verlauten lassen, dass er sein Werk nicht durch einen anderen Nachfolger gefährdet sehen möchte.
Wer ist nun der präsumtive Nachfolger Oskar (Ossi) Deutsch? In einer Presseaussendung stellte er sich vor einigen Monaten als Nachfolger Muzicants vor und nannte als sein wichtigstes Ziel Verhandlungen über den Zuzug von Juden nach Österreich. Deutsch (48) ist einer der Erben der Kaffehandelsdynastie „Alvorada“ und in der Firma auch nominell Geschäftsführer, hat sich aber zeitlebens vor allem in der Kultusgemeinde engagiert. Schon seit über zehn Jahren ist Deutsch Vizepräsident der IKG und die rechte Hand Muzicants. Als „Gesellenstück“ für den Beweis seiner erworbenen Fähigkeiten hat er sich die Organisation der Europäischen Makkabi- Spiele auserkoren, die vergangenen Juli, unter großer Beachtung der österreichischen Medien, über die Bühne gingen.
Großen Enthusiasmus für seine Kandidatur konnte Ossi Deutsch jedoch bisher nicht auslösen. Viele Gemeindemitglieder kennen ihn schlichtweg nicht, zumal er sich nie aus dem Schatten Muzicants bewegt hat. Jene, die ihn kennen, sind – vorsichtig gesprochen – reserviert. „Aus Ossi muss zuerst Oskar werden“, war eine der typischen Antworten, in diesem Fall sogar von einem Parteigänger von Muzicant und Deutsch, womit gemeint war, dass man Deutsch die Führung der Gemeinde und vor allem die Vertretung nach außen nicht zutraut.
Darauf angesprochen, verteidigt Muzicant zwar seinen Schützling, lässt aber dann gleich anklingen, dass er ohnehin vorhabe, die Zügel nicht ganz aus der Hand zu geben. So will sich Muzicant einige Vorstands- und Aufsichtsratsmandate in IKG- bzw. Kultusgemeinde-nahen Institutionen behalten (z. B. Wiesenthal-Institut, Jüdisches Museum, Projekt Morzinplatz usw.) und auch weiterhin der österreichischen Politik als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. IKG-Insider sprechen bereits von einer „Putin- Medwedew“-Konstellation, die der Kultusgemeinde bevorstünde.