Die Kritik am neu gegründeten Dialogzentrum für Weltreligionen mehrt sich. Im Außenministerium will man dennoch am saudi-arabischen Prestigeprojekt festhalten – nicht nur aus religiösen Gründen.
Von David Rennert
Am 13. Oktober wurde in Wien von den Außenministern Österreichs, Spaniens und Saudi-Arabiens feierlich der Gründungsvertrag für das von Saudi-Arabien finanzierte „King Abdullah Bin Abdulaziz International Center for Interreligious and Intercultural Dialogue“ unterzeichnet. Dass die Auftaktveranstaltung dieser Initiative zu Sukkot, dem jüdischen Laubhüttenfest, stattfand, schien keinen der Veranstalter zu stören. Auch dass aus diesem Grund kein jüdischer Vertreter anwesend sein konnte, tat den Feierlichkeiten keinen Abbruch. Auf Nachfrage erklärte ein Sprecher des Außenministeriums, man habe leider zu keinem anderen Termin alle Politiker zusammenbringen können. Was für ein Signal sendet ein Dialogzentrum der Weltreligionen aus, an dessen erstem offiziellen Festakt Angehörige einer Religion – aus religiösen Gründen – nicht teilnehmen können? Hier scheint nicht der religiöse Dialog im Vordergrund zu stehen, sondern Politik.
Der Vertragsunterzeichnung ging einige mediale Aufmerksamkeit voraus. Die Idee für das interreligiöse Zentrum entstand nach einem Treffen Papst Benedikts XVI. mit dem saudischen König Abdullah. Bereits 2007 gab es ein erstes Zusammentreffen zwischen den saudischen Initiatoren und interessierten Partnern in Madrid. Auf saudisches Betreiben hin sollte das Zentrum – bestehend aus drei Repräsentanten des Islam, drei christlichen und je einem jüdischen, buddhistischen und hinduistischen Vertreter – den Status einer internationalen Organisation erhalten. In dieser Institution solle dann ein Dialog über religiöse Fragen geführt werden, um Respekt, Toleranz und Frieden nachhaltig zu fördern. Als Sitz bewarben sich neben Wien angeblich auch London, Madrid und Genf.
Der Zuschlag für Wien erfolgte nach eifrigen Bemühungen des österreichischen ÖVP-Außenministers Michael Spindelegger. Prompt warnte Ahmed al-Tayeb, Großscheich der Al-Azhar Universität in Kairo – der höchsten theologischen Instanz im sunnitischen Islam – den österreichischen Außenminister davor, dem saudischen Wahhabismus eine Plattform zu bieten. Spindelegger zeigte sich unbeeindruckt. Kritik ließ nicht lange auf sich warten.
Dass ausgerechnet unter der Ägide Saudi-Arabiens, das Religionsfreiheit systematisch einschränkt wie kaum ein anderes Land der Welt, ein Religionsdialog geführt werden soll, verblüfft. Das fundamentalistisch- islamische Land hat den Wahhabismus zur Staatsdoktrin erhoben. Freie Religionsausübung ist verboten, der „Abfall vom Islam“ ist mit der Todesstrafe bedroht und die Gesetzgebung dogmatisch nach der Scharia auslegt – mit allen Konsequenzen, insbesondere für Frauen. Nun geriert ausgerechnet dieses Land sich als Repräsentant des Islam und als Dialogpartner für andere Religionen. Während die saudische Staatsführung also nach innen freie Religionsausübung verbietet, initiiert sie nach außen einen interreligiösen und interkulturellen Dialog.
Sitz des Zentrums in Wien ist das Palais Sturany am Schottenring 21. Der saudische König habe es „aus seiner Privatschatulle“ gekauft, heißt es seitens des Außenministeriums. Wie „Die Presse“ berichtete, wurden 13,4 Millionen Euro an die Bundesimmobiliengesellschaft bezahlt – der Ausschreibungspreis lag bei 8,5 Millionen Euro. Die saudische Botschaft sei für den Kauf von der Umsatzsteuer und der Grunderwerbssteuer befreit worden und müsse auch die jährliche Grundsteuer nicht entrichten. Der quasi-diplomatische Status des Vorstands, der Mitglieder des Beratungsforums und der sonstigen Mitarbeiter ist im Gründungsvertrag unter dem Punkt „Privileges and Immunities“ dezidiert festgeschrieben.
Während Struktur und organisatorischer Aufbau des „King Abdullah Centers“ im Gründungsvertrag fixiert sind, herrscht noch einige Unklarheit über die personelle Zusammensetzung und die Leitung des Zentrums. Definitiv werden je drei Vertreter des Islam und des Christentums, aber nur jeweils ein jüdischer, buddhistischer und hinduistischer Vertreter im Aufsichtsrat sitzen. Soweit bis jetzt bekannt wurde, soll der Islam durch einen saudischen Imam und den libanesischen Generalsekretär des „Spirituellen islamischen Gipfels“ repräsentiert werden. Die christlichen Vertreter werden vom Vatikan, der anglikanischen sowie der griechisch-orthodoxen Kirche entsandt.
Für das Judentum wird Rabbiner David Rosen, Leiter des American Jewish Committee’s Department of Interreligious Affairs, sprechen. Dass er als Jude und Israeli gar nicht nach Saudi-Arabien einreisen darf, bereitet ihm in einem Interview mit dem Standard kein Kopfzerbrechen: „An meinem Beispiel können die Saudis beweisen, dass sie es ernst meinen – schließlich müssen sie mich in Saudi-Arabien angemessen unterbringen.“ Die Kritik, er diene nur als Feigenblatt des saudischen Projektes, kann er zwar nachvollziehen, hält sie aber für kurzsichtig: „Wenn Sie sich weigern, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der sich in die richtige Richtung bewegt, auch wenn es dabei problematische Aspekte gibt, dann tun Sie sich selbst keinen Gefallen.“ Die interimistische Leitung des Zentrums durch ein saudisches Regierungsmitglied, Vize-Minister Faisal bin Muammar, sieht Rabbiner Rosen aber kritisch. „Sollte es dabei bleiben, dann wäre das wirklich ein Grund zur Sorge“, sagt er dem Standard. In einer parlamentarischen Anfrage an Außenminister Spindelegger teilen die Grünen diese Bedenken und fragen unter anderem, weshalb ein „Vizeminister eines Staates, der andere Religionen als den Wahhabismus im Land verbietet, interimistisch das Zentrum für interreligiösen Dialog“ leitet.
Vor diesem Hintergrund ist man auch seitens der Israelitischen Kultusgemeinde abwartend. „Als friedensbewegter Mensch begrüße ich die Möglichkeit zu einem multireligiösen Dialog im Prinzip“, sagt Oberrabbiner Chaim Eisenberg dem NU. „Wir werden die Entwicklung dieser Institution sehr aufmerksam beobachten.“
Amer Albayati, Sprecher der Initiative Liberaler Muslime Österreich (ILMÖ), äußert sich im Gespräch mit NU ebenfalls besorgt: „Der Wahhabismus ist eine Minderheit – eine kleine Minderheit – und kann nicht im Namen aller Muslime in einen solchen Dialog treten. Diese ultrakonservative Sekte versucht, alle Muslime zu vereinnahmen. Seit Jahren versuchen wir, uns von solchen postkolonialen Einflüssen zu befreien, so ein saudisches Zentrum wird diesen Einfluss aber wieder erhöhen.“ Ein Religionsdialog solle wenn, dann in Saudi-Arabien stattfinden, aber nicht in Österreich, meint Albayati. „Der Wahhabismus betrachtet (die meisten) Muslime als ehrwürdig, Juden und Christen aber als Ungläubige. Hindus und Buddhisten sind, da sie nicht monotheistischen Religionen angehören, aus dieser Sicht das Allerletzte. Wären die Saudis wirklich an einem Dialog interessiert, hätten sie zum Beispiel den Bau von Kirchen erlaubt und christlichen Gastarbeitern ermöglicht, ihre Gebete auszuüben – ganz zu schweigen von anderen Religionsangehörigen. Es ist verwunderlich, dass Österreich und Spanien diesen Spagat machen, der ein Dauerbrenner und Imageverlust in der Zukunft sein wird.“ Albayati hält politisches und wirtschaftliches Kalkül für den eigentlichen Grund der österreichischen Unterstützung, denn so unwissend und schlecht informiert sei man im Außenministerium sicher nicht. „Aber dieses Kalkül wird mehr kosten, als der wirtschaftliche und politische Gewinn ist, denn Saudi-Arabien will Einfluss nehmen auf die europäischen Muslime.“
Auch der Bundesratsabgeordnete der Grünen, Efgani Dönmez, übt massiv Kritik: „Es ist zu begrüßen, wenn der (interreligiöse) Dialog gesucht wird, jedoch wenn man es halbwegs ernst meint, dann sollte man den Dialog mit jenen suchen, welche in Österreich wohnen und ihren Lebensmittelpunkt haben. Es gibt keine nennenswerten Zahlen über Einwanderer in Österreich aus Saudi-Arabien. Wir wissen, welche Form des Islam dort vorherrscht und welche religiöse und gesellschaftliche Geisteshaltung gelebt wird. Hier der fundamentalistischsten Strömung innerhalb des Islam in Österreich und in weiterer Folge als Sprungbrett in anderen europäischen Ländern eine Bühne zu bieten, ist grob fahrlässig und gefährlich.“
Zum Argument von Befürwortern des Religionszentrums, die Initiative könnte Reformkräfte in Saudi- Arabien stärken und zu einer Öffnung beitragen, meint Dönmez: „Da bekomme ich feuchte Augen bei so viel Empathie für Reformbewegungen in Saudi-Arabien, dann sollten wir auch Al Kaida aus Afghanistan ein Palais im 1. Bezirk zu günstigen Konditionen anbieten, um sie von den Vorzügen des demokratischen Systems zu überzeugen. Oder den Neonazi Gottfried Küssel, den Holocaustleugner David Irving und andere rechte Spinner ins Jüdische Museum einladen, damit man mit ihnen in Dialog treten kann. Für wie blöd hält man die Bevölkerung?“
Außenminister Spindelegger entgegnet der Kritik, es sei keine „Einrichtung von Saudi-Arabien, sondern es handelt sich um ein Zentrum, das zum religiösen Dialog entstehen soll. Und dieses Zentrum wird nicht nur von Saudi-Arabien, sondern auch vom Vatikan und auch von Spanien und Österreich betrieben.“ Eine Aussage, die nicht nur durch die einseitige Finanzierung durch Saudi-Arabien und der interimistischen Leitung durch einen saudischen Regierungsangehörigen konterkariert wird – von der Namensgebung „King Abdulaziz- Center“ einmal abgesehen.
Der grüne Bundesrat Dönmez vergleicht die Chancen auf ein tatsächlich unabhängiges Zentrum mit jenen beim Lotteriespiel. Neben der Hoffnung auf Machtgewinn und bessere Geschäfte gehe es Österreich bei der Unterstützung der saudischen Initiative auch darum, „dass man bewusst derartigen fundamentalistischen Strömungen eine Bühne bietet, um dann wieder die Bestätigung zu erhalten, dass der Islam mit der Moderne und den europäischen Grundwerten nicht vereinbar ist. Bei dem Versuch, diese Strömung in Europa und Österreich zu etablieren, werden die Gemäßigten zu Verlierern und die konservativen und radikalen Kräfte auf allen Seiten erhalten Rückenwind – im Namen des interreligiösen Dialogs.“
Dass eine Sprecherin des Außenministeriums vor versammelten Journalisten auf die vielen Fragen bezüglich der Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien sichtlich gereizt antwortet, „die Kritik an der Menschenrechtssituation in Saudi- Arabien hat hier nichts verloren! Hier geht’s um ein interreligiöses Zentrum, hier geht’s um Dialog“, lässt erahnen, wie man sich im österreichischen Außenministerium einen Religionsdialog vorstellt. Als ihr ein Kollege zu Hilfe eilt und anmerkt, Religionsfreiheit sei keine Frage, die Religionen diskutieren sollen, sondern Staaten, und damit stehe sie auch nicht im Vordergrund des Dialogzentrums, denkt er nur konsequent weiter.
Wie sollen aber die erklärten Ziele dieser Institution erreicht werden, wie kann ein – zweifellos wichtiger – Dialog der Religionen geführt werden, wenn Menschenrechtsfragen darin keinen Platz haben? Noch dazu, wenn jener Dialogpartner, der das gesamte Projekt finanziert und nach dem die Initiative sogar benannt ist, notorisch und systematisch Menschenrechte verletzt? Und ist es nicht ein falscher Schritt, mit einer fundamentalistischen Strömung des Islam Dialog zu führen, die im Namen aller Muslime auftritt? Die Vorgangsweise der ÖVP und des österreichischen Außenministeriums, von Toleranz, Integration, Verständigung und Chancen auf Reformen zu sprechen, aber die für Saudi-Arabien unangenehmen Aspekte aus der Diskussion herauszuhalten, ist für einen echten Dialog jedenfalls fatal.