Lokalaugenschein in Israel: Wunderbare Hummus-Läden in Jerusalem und das beste jüdische Fischlokal des Landes in Akko erzählen von kultureller und kulinarischer Vielfalt.
Der Oktober hat gerade begonnen. Die Schofarklänge des gestrigen Abends an der Kotel, der „Klagemauer“, tönen mir noch in den Ohren. Es ist sommerlich warm in Jerusalem, die Sonne blendet. Ich sitze mit Allan, einem israelischen Freund, auf der Terrasse des YMCA an der King David Street und erzähle ihm vom meinem gestrigen kulinarisch-soziologischen Erlebnis im christlichen Viertel der Altstadt: Lina, an der Khalka Street, ein typisch arabischer Hummusladen, beste Küche, Multikulti vom Feinsten. Neben mir zwei muslimische Frauen, verschleiert, Mutter und Tochter mit Kleinkind. Meinen Wunsch, es möge munden, ignorieren sie, es schickt sich nicht, darauf zu reagieren.
Am Tisch daneben eine Gruppe junger Israeli in den Dreißigern, sich fröhlich unterhaltend. Leider verstehe ich nicht Hebräisch, welche Geschichten sie einander wohl erzählen? Der Wirt schon, er bedient seine Gäste auf Arabisch und Hebräisch, die Touristen auf Englisch. Dreisprachig ist auch die Speisekarte. Aber die braucht man eigentlich nicht, es genügt dem Wirt zuzusehen, wie er den Hummus („the best in town“, sagt Allan) aus einem großen Plastikgefäß schöpft. Serviert mit Bohnen, Hammelfleisch oder nur mit Tahine-Sauce, dazu Falafel, Salat, Zwiebel, Grünzeug, Oliven.
Eine schwedische Reisegruppe betritt das kleine Lokal. Der israelische Reiseleiter teilt die Leute auf die verfügbaren Plätze auf, versichert ihnen in einem authentischen, vielleicht dem besten, Hummusladen der Jerusalemer Altstadt gelandet zu sein. „He is absolutely right“, pflichte ich meinen neuen Nachbarn aus Stockholm bei; den Reiseleiter freut’s – sein „Todà“ ist leise hingehaucht und geht im Durcheinander arabischer und hebräischer Zurufe der Kellner unter.
Philosoph am Herd
Doch gäb’s nur Hummus in allen Varianten, Israel wäre arm. Die Vielfalt macht es aus, gerade in Israel. Die Küche dieses Landes ist so bunt wie das israelische Leben selbst. Und ein besonderes Erlebnis ist Uri Buri, das vielleicht beste Fischlokal des Landes in der Kreuzfahrerstadt Akko.
„Ihr müsst unbedingt zum Uri Buri“, hatten mir Freunde in Israel ans Herz gelegt, als ich im vergangenen Herbst die Israel-Reise meines Rotary-Clubs vorbereitete: Meeresfrüchte, frischer Fisch in allen Variationen, flauschiger Krabben-Cappuccino mit Birne und Mascarpone, Shrimps, Kaviar – die Speisekarte liest sich wie ein Gedicht. Das jüdische Restaurant in der arabischen Altstadt von Akko selbst ist ein Erlebnis. Seine moslemischen und jüdischen Mitarbeiter haben Bedienung und Küche fest im Griff, hebräische und arabische Stimmen wechseln sich ab. Uri Jeremias, wie der aus Naharija stammende 70-jährige Philosoph am Herd mit bürgerlichem Namen heißt, pendelt ständig zwischen der Küche und seinen Gästen hin und her. Zur Gaumenfreude gesellt sich hier eine beachtenswerte humanitäre Grundüberzeugung. Uri will sich die Zeit nehmen, klarzumachen, worauf es ihm ankommt: „In unserer Stadt leben Juden und Araber zusammen. Friedlich. Voraussetzung dafür ist gegenseitiger Respekt und Achtung voreinander.“
Uri Buri, dessen weißer Rauschebart in ganz Israel bekannt ist, fiel das Restaurant-Business nicht in den Schoß, er genoss auch keine professionelle Ausbildung. Kochen gelernt hat er in den 1970er Jahren auf VW-Bus-Touren bis nach Afghanistan und Indien: Mit lokal gekauften Zutaten bereitete er für seine Hippiefreunde spontan kreierte Mahlzeiten zu. Noch heute benütze er keine Kochbücher, erklärt er unserer Gruppe, auch von seinen Mitarbeitern verlange er keine formelle Ausbildung – dass sie „etwas aus ihrem Leben machen wollen“, ist ihm deutlich wichtiger.
„Wir sind wie eine große Familie hier. Ich bin überzeugt, dass jeder Mensch Liebe und ein würdiges Leben braucht und verdient.“ Sagt’s, eilt in die Küche und lässt die Gäste bei Jakobsmuscheln mit Algen und Lachs-Sashimi mit Wasabi-Eis seine Kochkunst genießen, die erst eine Gault-Millau-Haube hat, aber mindestens einen, wenn nicht zwei Michelin-Sterne verdient. Und eine Auszeichnung für humanitäres Engagement und Verständigung zwischen Juden und Arabern dazu.