In diesem Herbst wird Oscar Bronners künstlerisches Werk in einer großen Ausstellung gewürdigt. Der Maler, der gerne im Zweitberuf Zeitungsherausgeber wäre, spazierte mit NU ins Kunsthistorische Museum und zeigte uns seine liebsten Alten Meister.
Von Rainer Nowak (Text) und Jacqueline Godany (Fotos)
Eigentlich sollten wir beide gerade nicht da sein. Die Interviewpartner sollten nicht durch die Eingangshalle des altehrwürdigen Kunsthistorischen Museums gehen und den Weg zu den Alten Meistern einschlagen. Sie sollten eigentlich Zeitung machen. Doch andererseits?
Was gibt es denn Sinnvolleres und vor allem Schöneres, als an einem späten Vormittag die Werke von Cranach, Breughel und Rubens zu besuchen? Kaum etwas. Oscar Bronner wäre eigentlich gerne Maler geworden, ist häufig zu lesen. Das stimmt so nicht. Denn Bronner wurde Maler. Er hatte dabei das Pech oder Glück, mit seinem anderen Beruf bekannt und erfolgreich zu werden. Er begann als Autodidakt zu malen, nach dem Verkauf von profil und trend wechselte er zur Bildhauerei, zeigte Fritz Wotruba seine Arbeiten und fragte, ob er bei ihm studieren dürfe. Wotruba antwortete, dass die Akademie für die jungen Studenten primär als Arbeitsplatz diene. Wenn er den nicht brauche, möge er in seinem Atelier arbeiten und Wotruba erklärte sich bereit, mit ihm über die Werke zu diskutieren. Einmal fand ein solches Treffen statt, dann starb der Bildhauer. Bronner schlug sich weiter als Autodidakt durch, ging später nach New York, kehrte wieder zur Malerei zurück. Dort traf er ebenfalls auf viele Künstler, die ihn beeinflussten. Wie schon in Wien – in der Zeit der legendären Hawelka-Blase – kannte er die Szene, ohne wirklich Teil von ihr zu sein. Damals in Wien war Kurt Moldovan sein „informeller Lehrer“, erzählt der Zeitungsgründer, mit Attersee war er bereits befreundet. „Der Vorteil vom Hawelka war: Man musste sich dort kein Rendezvous vereinbaren, es war immer jemand dort.“ In der Künstlergruppe gab es klare Hierarchien, an der Spitze stand – selbsternannt – Walter Pichler. „Pichler musste man sich unterwerfen. Wenn man das – wie ich – nicht tat, musste man mit Missbilligung rechnen und leben.“ Dennoch hält Bronner den kürzlich verstorbenen Künstler und Theoretiker für jemanden, der Maßstäbe gesetzt hat.
Später in New York lebte Bronner in SoHo, als es noch SoHo war. Dort wollte er mit dem alten Leben nichts mehr zu tun haben, wollte also keine Kontakte zu Journalisten mehr pflegen. Kann man sagen, es gebe zwei Bronner-Leben? „Naturgemäß ist Zeitungsmachen eine Arbeit und Tätigkeit, bei der man mit anderen zusammenarbeiten muss. In der man, wie Sie genau wissen, auch unpopuläre Entscheidungen fällen muss. Man muss auch den Markt beobachten, man muss mit Konkurrenz umgehen. Malen ist dagegen eine sehr intime Sache. In der Zeitung findet natürlich auch eine Entfremdung an der Spitze statt. Man wählt Leute aus, die dann Entscheidungen fällen, das ist sehr mittelbar. Wenn das Bild gelingt, weiß ich, das war niemand anderer als ich. Wenn es misslingt, kann man sich nicht auf jemanden anderen ausreden. Bei einem Bild geht es das nicht.“ Was sind das für Kriterien, die über Erfolg oder Misserfolg eines Bildes entscheiden? Bronner fast ein wenig verblüfft über die komische Frage: „Na ob es mir gefällt. Ob ich es als stimmig finde. Ich schmeiße auch viele weg.“ Seine an die Aquarelltechnik angelehnte Arbeitsweise mache eine schnelle Entscheidung notwendig: gut oder schlecht. Er legt die Leinwand auf den Tisch, vermischt die Farben mit den Fingern, solange sie feucht sind.
Mittlerweile sind wir fast achtlos an Tizian vorbeigegangen: „Ich bin kein Kunsthistoriker, ich halte jetzt sicher keine Vorträge.“ Was macht die Alten Meister aus? „Die Kunstgeschichte ist kein Patentamt, das festlegt, wer was eingebracht hat.“ Gibt es Kunst, die Sie gar nicht mögen? „Es gibt Kunst, die mich langweilt.“ Impressionismus? „Über eine ganze Kunstrichtung könnte ich so etwas nie sagen. Monet schuf ein großartiges Werk, Renoir langweilt mich weitgehend.“ Gibt es falsche Abzweigungen in der Moderne? „Nicht wirklich. Aber wenn man durch die Biennale geht und beim x-ten Bild vom Kurator hört, dass das Werk Kritik an der Globalisierung ausdrückt, wird es redundant.“ Vom Dogma, dass Kunst immer politisch sein muss, hält Bronner nicht viel, aber: „Kunst ist sehr oft politisch. Gerade wenn man sich mit einzelnen Karrieren von Künstlern beschäftigt, ist das politisch. Manche mussten sich verbiegen; manche, wie Goya, ließen sich nicht verbiegen. Aber Bilder sind keine politischen Pamphlete.“
Tizian ist ebenso vorbeigezogen wie Cranach – „Interessant, dass sich Menschen so uneitel malen ließen“ –, nun suchen wir Rembrandt. Sich für ein Foto hinzusetzen, verweigert Bronner nach kurzem Nachdenken: „Ich sitze hier nie.“
An das kulturpessimistische Diktum, dass in der Malerei nichts Neues mehr möglich sei, glaubt Bronner überhaupt nicht. Dass Richtungen oder Gattungen totgesagt wurden, habe es immer gegeben, etwas Neues sei immer nachgekommen, aber sehr, sehr vieles – auch Banales – sei vergessen worden. Ein Bild wirke jedenfalls immer allein durch sein Stärke. Eine Madonna von Raffael – „da kann man sich nur niederknien“.
Teil des Kunstmarktes zu sein, sei ihm schlicht nie passiert, aber er habe eine Zeitlang vom Malen leben können, sagt er. Ob er – zurückgekehrt nach New York oder gar nie weggegangen – vielleicht als Künstler größeren Erfolg gehabt hätte, wenn er auf die Zeitungen verzichtet hätte? „Was wäre wenn?“
Dass die Wahl für einen gemeinsamen Museumsbesuch auf das Kunsthistorische Museum fiel, war nicht Bronners Idee gewesen – und doch ein bisschen historisch: Genau dort feierte er vor 25 Jahren die Gründung seines Standard. Die Presse wurde an diesem Abend dann vor der Tür verteilt, Guerillamarketing, das er nicht so charmant fand. Ebenso wenig wie die Werbelinie des künftigen Hauptkonkurrenten: „Das Vorbild“.
Aber zurück zur Kunst – die Medien und ihre aktuellen Sorgen waren thematisch bei dem Rundgang explizit ausgeklammert. Und jammern soll man vor solchen Werken ohnehin nicht.
„Die Rembrandts haben wir jetzt nicht gesehen.“ Zu konzentriert war das Gespräch. Und zu rasch müssen wir beide in die Zeitungen zurück.