Wenn das Essen zur Regel wird

Abgrenzung der Kulturen und ihrer Speisen: Pietro Peruginos Fresko "Wanderung des Mose nach Ägypten"

Der jüdische Tag ist vom Aufstehen bis zum Schlafengehen durch religiöse Vorschriften strukturiert. Bei allem, was gläubige Juden zu sich nehmen, gelten aus der Bibel abgeleitete Gesetze, die Kaschrut-Regeln. Sie teilen das Essen in „koscher“ (rein, erlaubt) und „trefe“ (unrein, verboten).

Glaubt man der Bibel, waren Adam und Eva Veganer. Im 1. Buch Mose 1,29 heißt es: „Und Gott sprach: Siehe, ich gebe euch alles Kraut, Samen tragend, das auf der Fläche der ganzen Erde, und jeglichen Baum an welchem. Baumfrucht, Samen tragend, euer sei es zum Essen.“ Den Menschen wurde also lediglich gestattet, Pflanzliches zu essen. Erst nach der Sintflut wurde den Überlebenden, den Nachkommen Noahs, Fleisch gestattet: „Alles was sich regt, was da lebet, euer sei es zum Essen; wie das grüne Kraut gebe ich euch alles. Doch Fleisch mit seinem Leben, seinem Blute, sollt ihr nicht essen.“ (1. Buch Mose, 9,3-4).

Nach dem Auszug der Israeliten aus Ägypten unter Führung von Moses musste der Glaube an einen einzigen Gott, den man nicht sehen kann, in Abgrenzung zu den umliegenden Kulturen und Traditionen besonders geschützt und gefestigt werden. Durch das Verbot, Speisen von Nichtjuden zu essen, wurde das Volk Israel von den umliegenden Völkern kulturell getrennt, eine Vermischung verhindert.

Kaschrut

Prinzipiell ist im Judentum jeder Tag vom Aufstehen bis zum Schlafengehen durch religiöse Vorschriften strukturiert. Die Kaschrut, die jüdischen Speisegesetze, sind fixer Bestandteil jüdischer Lebenspraxis. Dazu zählt das Gebot, Milch und Fleisch zu trennen. Oder das Verbot, Mischgewebe aus Wolle und Leinen zu tragen. In jeder auch noch so kleinen Alltagshandlung haben gläubige Jüdinnen und Juden die Möglichkeit, ihr Leben zu heiligen, indem sie sich an das halten, was Gott vorgegeben hat.

Kaschrut-Regeln teilen das Essen in koscher (rein, erlaubt) und trefe (unrein, verboten). Die Bibel bezeichnet Beutetiere, die von wilden Tieren gerissen wurden, auf Hebräisch als „trefa“. Später wurde der Begriff generell auf Speisen angewandt, die nach der Halacha (dem jüdischen Religionsgesetz) verboten sind.

Eines der Grundprinzipien der Koscher-Gesetze ist das Trennen von Fleisch- und Milchprodukten, sie dürfen nicht gemeinsam gekocht und gegessen werden, für die beiden Speisearten wird getrenntes Geschirr benutzt, das auch in verschiedenen Spülbecken abgewaschen werden muss. Im Kühlschrank oder in Vorratsschränken dürfen Milch- und Fleischprodukte nicht gemeinsam aufbewahrt werden. Auch für die dritte Kategorie von Speisen, die weder „fleischig“ noch „milchig“ sind und „parve“ genannt werden, gibt es eigene Kochutensilien.

Fleischig: Fleisch und Knochen von Säugetieren und Geflügel, daraus hergestellte Suppen, Bratensoßen und jede Speise, die selbst eine kleine Quantität davon enthält. All diese Produkte müssen von koscheren Tieren stammen, richtig geschlachtet und nach den Kaschrut-Gesetzen zubereitet sein. Im 3. Buch Mose werden die Tiere aufgelistet, deren Fleisch zum Verzehr erlaubt ist. Unter den Säugetieren: Paarhufer mit ganz durchgespaltenen Klauen, die gleichzeitig Wiederkäuer sind; unter den Vögeln: Huhn, Truthahn, Ente, Gans, Tauben und seit einer rabbinischen Entscheidung von vor ca. vierzig Jahren auch Wachteln; unter den Fischen alle Süßwasser- und Meeresfische, die Flossen und Schuppen haben, wie Kabeljau, Flunder, Heilbutt, Hering, Makrele, Lachs, Forelle und Karpfen, während Meeresfrüchte und Krustentiere verboten sind. Sushi gilt als koscher, solange es nicht Meeresfrüchte beinhaltet.

Im 5. Buch Mose werden die zum Verzehr erlaubten Säugetiere namentlich aufgezählt: Ochs, Schaf und Ziege, Reh, Hirsch und Damhirsch, Steinbock, Gämse, Büffelochs und Antilope.

Trotzdem findet sich auf den Speiseplänen religiöser Juden kein Wild, obwohl das Fleisch von Hirsch und Reh gemäß der Tora ausdrücklich erlaubt ist, weil selbst Fleisch von erlaubten Tieren, um koscher zu bleiben, noch bestimmte Kriterien erfüllen muss: etwa, dass das Tier beim Vorgang des Tötens völlig ausbluten muss, damit sein Fleisch koscher ist. Auf der Jagd erlegtes Wild erfüllt dieses Gebot nicht. Um die Eignung des Fleisches zum koscheren Verzehr zu gewährleisten, gibt es den rituellen Schächter, den „Schochet“, und den Lebensmittelkontrolleur, den „Maschgiach“. Beide müssen fromme Juden sein und nach den Geboten der Tora leben, sonst dürfen sie dieses Amt nicht ausüben. Mit dem so genannten „Hechscher“ in Form einer Plombe oder eines Stempels werden koschere Lebensmittel gekennzeichnet.

Milchig: Milch von koscheren Tieren, alle Milchprodukte, wie Butter, Käse, Eis und jede Speise, die selbst eine kleine Quantität davon enthält.

Parve: Dazu zählen beispielsweise Eier, so sie nicht Spuren von Blut beinhalten, alle Früchte, Gemüse und Getreidearten, Erfrischungsgetränke, Kaffee, Tee, Knabberzeug, sie können entweder mit fleischigen oder milchigen Speisen verarbeitet und gegessen werden.

Schon der geringste Rest oder „Geschmack“ von nicht koscherer Substanz macht eine Speise unkoscher. Die Küche selbst muss koscher gemacht werden, alle Küchengeräte und Arbeitsplatten dürfen ausschließlich für koschere Speisen verwendet, Öfen, Töpfe, Besteck, Geschirr, Arbeitsplatten, Tischdecken getrennt für fleischig und milchig benutzt werden. Koschere Speisen werden automatisch unkoscher, wenn sie räumlich zusammen mit nicht koscheren Speisen produziert werden. Wurden aber vor dem Kochen alle Gerätschaften „gekaschert“, sind natürlich die in diesem Raum hergestellten Speisen koscher.

Der Schochet und das Schächten

Wichtig ist, dass das Tier von einem Schochet fachgerecht getötet wird. Das Schächten (die Schechtia) muss ohne Betäubung erfolgen, da nach jüdischer Auffassung das Tier durch die Narkose verletzt wird, aber nur Fleisch unversehrter Tiere gegessen werden darf. Vor ein paar Jahren flammte auch in Österreich eine – von einem niederösterreichischen FP-Landesrat forcierte –Diskussion über ein Schächtverbot auf; auch Tierschützer wollten ein Schächtverbot erwirken. Doch sowohl der Oberste Gerichtshof als auch der Verfassungsgerichtshof haben festgestellt, dass „dem Tierschutz gegenüber dem Recht auf Freiheit der Religionsausübung kein durchschlagendes Gewicht“ zukomme. Laut einer EU-Richtlinie muss Tierleid – Schmerzen, Stress, Angst – möglichst vermieden werden, das Schlachten ohne vorherige Betäubung aus religiösen Gründen ist ausdrücklich erlaubt.

In der Schweiz allerdings ist Schächten seit 1893 verboten. Schächtverbote gelten außerdem in den Niederlanden, in Liechtenstein, Island, Slowenien, Norwegen, Schweden, Dänemark und, seit 2019, auch in Belgien. In Finnland ist eine gleichzeitige Betäubung, in Estland, Lettland, Griechenland und der Slowakei so wie in Österreich eine Nachschnittbetäubung erforderlich.

Ebenso wichtig wie das korrekte Schlachten ist das völlige Ausbluten des Tieres: „Wenn der Herr, dein Gott, dein Gebiet vergrößert, wie er es dir zugesagt hat, und du, weil du Appetit auf Fleisch hast, sagst: Ich möchte gerne Fleisch essen, dann darfst du so viel Fleisch essen, wie du möchtest … Dann schlachte, so wie ich es dir erlaubt habe, Rinder, Schafe oder Ziegen, die der Herr dir geschenkt hat … Doch beherrsche dich und genieße kein Blut; denn Blut ist Lebenskraft und du sollst nicht zusammen mit dem Fleisch die Lebenskraft verzehren“, heißt es im 5. Buch Mose.

Koscherer Wein

Eine zentrale Rolle im orthodoxen Judentum nimmt der koschere Wein ein. Er wird für Segenssprüche, Hochzeiten und auch für den Gottesdienst verwendet. Jeder koschere Wein, Portwein, Sherry, Traubensaft oder jedes sonstige Produkt, das Traubensaft oder Wein enthält, muss ausschließlich von frommen Juden geerntet und verarbeitet werden. Um sicherzustellen, dass seine Herstellung alle halachischen (also dem jüdischen Gesetz entsprechenden) Anforderungen erfüllt, wird der Wein abschließend koscher versiegelt.

Der koschere Wein begleitet den Segensspruch (Kiddusch) am Schabbat und beinahe jedem jüdischen Feiertag.

Ausstellung Kosher for
Mit der Ausstellung „Kosher for“ widmete sich das Jüdische Museum bereits dem Thema Essen und Tradition im Judentum. Bild: ©JMW
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