Die Bahá’í sind in Israel willkommen“

Bahá´í Gärten in Haifa ©Danielle Spera

Israel ist nicht nur für drei Weltreligionen das Heilige Land. Auch die Bahá’í-Religion hat eine besondere Beziehung zu Israel. Anja Spengler ist Medienvertreterin der mehr als 1300 Mitglieder zählenden österreichischen Gemeinde.

Von Theresa Absolon

Bahá’u’lláh (1817–1892), der Stifter der Bahá’í-Religion, wurde Mitte des 19. Jahrhunderts durch die persische Regierung ins Exil geschickt, zunächst nach Bagdad, danach nach Istanbul und Edirne. 1868 wurde er auf Befehl der osmanischen Behörden über Gallipoli nach Ägypten transportiert und von Alexandria schließlich nach Akko gebracht, einer von Mauern umgebenen Gefängnisstadt für politische Gefangene in der osmanischen Provinz Syria. Die letzten Jahre vor seinem Tod lebte Bahá’u’lláh, umgeben von wenigen Mitgliedern seiner Familie, im Landhaus Bahji in der Nähe von Akko, der heute drittgrößten Stadt Israels. Hier wurde er auch beigesetzt, der Schrein Bahá’u’lláhs in Bahji ist für Bahá’í der heiligste Ort und Teil ihres spirituellen Erbes. Die Bahá’í wenden sich jeden Tag im Gebet diesem Ort zu. „Die Praxis der Pilgerfahrt in das Gebiet von Haifa-Akko hat sich fortgesetzt“, sagt Anja Spengler, Medienvertreterin der Bahá’í in Wien: „Heute beten und meditieren die Bahá’í-Pilger am Schrein von Bahá’u’lláh und am Schrein des Báb in Haifa sowie in den Gärten, die sie umgeben.“

In Israel liegen nicht nur die heiligen Stätten dreier Weltreligionen, auch wichtige Orte der Baha’í befinden sich hier. Was verbindet die Baha’í mit Israel? Und welche heiligen Stätten gibt es?

Die Verbindung der Bahá’í zum heutigen Israel hat einen historischen Hintergrund: der Stifter der Bahá’í-Religion, Bahá’u’lláh wurde Mitte des 19. Jahrhunderts durch die persische Regierung ins Exil verbannt. Zunächst verbrachte er das Exil in Baghdad, danach in Istanbul und Edirne. Schließlich wurde Er 1868 auf Befehl der osmanischen Behörden über Gallipoli nach Ägypten verbannt. Von Alexandria wurde er schließlich über die Bucht nach Akka gerudert – der Ort, der im Erlass des Sultans zum Ort der Gefangenschaft bestimmt war. Akka war damals eine von Mauern umgebene Stadt in der osmanischen Provinz Syrien, eine Gefängnisstadt für politische Gefangene des Osmanischen Reiches. Bis zu Seinem Tod im Jahr 1892 verblieb Bahá’u’lláh in Akka und Bahji, umgeben von wenigen Mitgliedern Seiner Familie. Er verstarb in Bahji und ist dort bestattet. Für die Bahá’í ist das Grab Bahá’u’lláhs ein Schrein, ein verehrter Ort und ein Teil ihres spirituellen Erbes. Die Bahá’í wenden sich jeden Tag im Gebet diesem Ort zu. Die Praxis der Pilgerfahrt in das Gebiet von Haifa-‚Akká hat sich fortgesetzt. Heute beten und meditieren die Bahá’í-Pilger am Schrein von Bahá’u’lláh und am Schrein des Báb in Haifa sowie in den Gärten, die sie umgeben. Der physische Akt der Pilgerreise dient als Ausdruck der Hingabe und als äußere Darstellung der spirituellen Reise, auf die der Pilger sich begibt.

Die Baha’í Gemeinde ist aber trotz der Heiligen Orte in Israel relativ klein. Warum?

Die Praxis, den Glauben in Israel nicht aktiv zu lehren, geht auf die Tage Bahá’u’lláhs selbst zurück. Schon zu seinen Lebzeiten wies Bahá’u’lláh die Gläubigen, die Ihn ins Exil begleiteten oder Ihm folgten, an, seine Lehren nicht in dieser Region zu verbreiten. Im Einklang mit dieser Praxis verbreiten die Bahá’í den Glauben in diesem Land nicht, und infolgedessen gibt es keine lokale Bahá’í-Gemeinde in Israel.

Dennoch ist die Religionsgemeinschaft in Israel nicht unsichtbar. Im Gegenteil, besonders in Haifa ist die Religion sehr präsent. So werden beispielsweise auf Touristenführer die Heiligen Gärten der Baha’í beworben. Wie ist das Verhältnis zwischen Baha’í und der örtlichen Bevölkerung in Israel?

Soweit wir als Bahá’í Gemeinde in Österreich unterrichtet sind ist das Verhältnis zur örtlichen Bevölkerung in Israel sehr gut. Ganz abgesehen von der Bedeutung der Bahá’í Gärten in Haifa als Touristenattraktion hatte ich persönlich bei meinen eigenen Aufenthalten in Haifa den Eindruck, dass sich Menschen aus der örtlichen Bevölkerung grundsätzlich freuen, mit Bahá’í Pilgern ins Gespräch zu kommen.

Die Geschichte des Judentums ist u.a. geprägt von Antisemitismus. Der Iran, in dem der Baha’í Glaube entstand, sieht Israel als Feind. Auch die Baha’í blicken auf eine Verfolgungsgeschichte zurück. Wie steht insbesondere der Iran dazu, dass die heiligen Stätten der Baha’í in Israel liegen?

Im heutigen Iran sind die dort lebenden Bahá’í nach wie vor extremen Diskriminierungen und Schikanen ausgesetzt. Anhaltend werden iranische Bahá’í grundlos festgenommen und – mit Hinweis auf die Lage der heiligen Stätten der Bahá’í in Israel – wird der Vorwurf der „Spionage für Israel“ seit mehr als einem Dreivierteljahrhundert als Vorwand für diese Verfolgung der Bahá’í vorgeschoben. Seit den Anfängen haben die Gegner des Bahá’í-Glaubens im Iran die neue Religion als eine politische Sekte dargestellt, die von imperialistischen Regierungen geschaffen wurde, um den Islam zu schwächen. Die Bahá’í wurden beschuldigt, Werkzeuge des russischen Imperialismus, des britischen Kolonialismus, des amerikanischen Expansionismus und in jüngster Zeit des Zionismus zu sein. All diese Vorwürfe werden aber (und das zeigt, wie konstruiert der Vorwurf letztendlich ist) prompt fallen gelassen, sobald die Bahá’í ihren Glauben abschwören.

Die Baha’í entstanden in der Tradition des abrahamitischen Monotheismus, in dem auch das Judentum zu verorten ist. Wie ist das Verhältnis zwischen Baha’í und dem Judentum? Gibt es Traditionen, die man mit jüdischen Traditionen vergleichen kann?

Die Bahá’í haben sich dem Grundsatz verschrieben, dass das geistige Leben eine grenzenlose, jedermann gleichermaßen zugängliche Wirklichkeit ist und dass es eine praktische Bedeutung jener umfassenden Wahrheit gibt, welche zB. auch den interreligiösen Dialog entstehen ließ: dass es nur einen Gott gibt, und dass, jenseits aller Unterschiede in kultureller Ausprägung und menschlicher Interpretation, auch die Religion nur eine ist. Die Bahá’í betrachten das Judentum als eine Offenbarung derselben letzten Wirklichkeit. In den Schriften drückt für mich diese Passage die mystische Einheit der Religionen sehr gut aus: „Fürwahr, Wir sprachen mit Gottes Erlaubnis aus dem Brennenden Busch am Sinai mit Moses und offenbarten einen unendlich feinen Schimmer Deines Lichts über dem Mystischen Berge und seinen Bewohnern…“ Im Geist der Einheit wird auch in den weltweiten Häusern der Andacht aus allen Heiligen Schriften gelesen – auch aus den jüdischen Schriften. Das tägliche Beten und Meditieren, eine 19tägige Fastenzeit, der Verzicht auf Drogen und Alkohol sowie das Gebot der Mäßigung in allen Dingen ist auch der jüdischen Tradition teilweise vertraut.

Nach außen hin gibt sich die Religion konfliktscheu. Zwar möchte man die Welt zum Besseren machen, dies soll aber ohne jegliche politische Einmischung funktionieren. Gelingt das?

Die Frage ist insofern interessant für mich, als ich selbst die Bahá’í nicht als konfliktscheu einstufen würde. Ich kann mir aber vorstellen, wie es quasi aus der Ferne zu dieser Wahrnehmung kommt: alle Aktivitäten, die die Bahá’í setzen und auch das persönliche Leben eines Bahá’í zielt darauf ab, eine zweifache Möglichkeit in diesem Dasein zu erfüllen: zum einen die Verantwortung für die eigene geistige Entwicklung zu übernehmen und unser Bewusstsein zu schärfen für geistige Prinzipien, die im persönlichen Leben zum Ausdruck kommen dürfen. Aber die Bahá’í Lehren sind gleichzeitig sehr explizit, dass eine innere Einkehr alleine nicht ausreicht in der heutigen Zeit. Diese von Nöten geplagte Welt braucht Taten. Daher ist der „Dienst“ am anderen und an der Gesellschaft der untrennbar verbundene und notwendige zweite Teil jedes persönlichen Lebens. Da dieser Dienst die der Menschheit zugrundeliegende Einheit zu Tage befördern soll sind die Aktivitäten der Bahá’í immer FÜR etwas ausgerichtet, und nie GEGEN etwas. Und in diesem Sinne handeln die Bahá’í auch „politisch“, verstanden als gesellschaftsbildend und Einfluss nehmend auf die Gesellschaft. Was allerdings durch die Natur des einheitsstiftenden Anliegens ausgeschlossen wird, ist eine parteipolitische Aktion, da Parteipolitik immanent immer auch eine Abgrenzung zu anderen vornimmt.

Eines der grundlegenden Prinzipien des Baha’ítums ist die Gleichstellung der Geschlechter, dennoch ist es Frauen nicht erlaubt Mitglieder im Universalen Haus der Gerechtigkeit, dem neunköpfigen obersten Regierungsorgan des Baháʼí-Glaubens, zu werden. Steht dies nicht im Widerspruch zueinander?

Das ist eine oft gestellte Frage, da es tatsächlich unvereinbar scheint. Ich würde dazu gerne kurz erklären, was die Funktion des Universalen Hauses der Gerechtigkeit ist und wie diese Institution ins Leben gerufen wurde. In der Bahá’í Gemeinde gibt es keinen Klerus. Wie oben schon erwähnt – jeder Mensch verantwortet seine eigene geistig-spirituelle Entwicklung ab einem gewissen Punkt nur für sich selbst. Der Glaube ist noch jung und das von Bahá’u’lláh in seinen Schriften vorgezeichnete System enthält ein sehr interessantes dynamisches Element. Er hat vorgesehen, dass die in den Schriften aufgezeichneten Gebote gelten, dass aber alles, was nicht explizit in den Schriften zu finden ist, von einer alle fünf Jahre demokratisch zu wählenden Institution bestimmt werden kann (und somit an die Erfordernisse der Zeit oder an neue wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst werden kann). Das Universale Haus der Gerechtigkeit wurde erstmals 1963 gewählt und die zur Leitung der Wahl eingesetzten Personen mussten sich die Frage stellen, ob und welche Vorkehrungen in den Schriften selbst zu finden sind – diese sind wie gesagt nicht abänderbar. Ein Merkmal, welches von Bahá’u’lláh selbst in den Schriften dazu bestimmt wurde, ist, dass in diese Institution Männer zu wählen sind. Das Universale Haus der Gerechtigkeit musste sich daher an dieses Erfordernis halten. Die Frage nach dem „Warum“ kann ich leider nicht erklären. Ich würde aber gerne hier die Worte des Universalen Hauses der Gerechtigkeit selbst dazu wiedergeben: „Die Mitgliedschaft im Universalen Haus der Gerechtigkeit ist auf Männer beschränkt. Dies mag überraschen, ist aber eine Bestimmung, die von Bahá’u’lláh selbst angeordnet wurde. ‚Abdu’l-Bahá hat erklärt, dass ihre Weisheit in der Zukunft klar verstanden werden wird. Da die Bahá’í-Schriften voll von eindeutigen Aussagen über die Gleichheit von Männern und Frauen sind, kann die Frage der männlichen Mitgliedschaft im Universalen Haus der Gerechtigkeit jedoch keinesfalls als Zeichen der Überlegenheit von Männern gegenüber Frauen angesehen werden. Abdu’l-Bahá schreibt, dass die Gleichheit von Männern und Frauen eine „feststehende Tatsache“ ist. Das Universale Haus der Gerechtigkeit ist voll und ganz der Förderung dieses Grundsatzes verpflichtet – durch seine Anleitung der Bahá’í-Gemeinden in aller Welt, durch die Mittel, die für die Entwicklung und Bildung insbesondere von Frauen und Mädchen bereitgestellt werden, durch Erklärungen, die die Internationale Bahá’í-Gemeinde bei den Vereinten Nationen abgibt, und durch die Teilnahme der Bahá’í an Konferenzen, Seminaren und anderen Veranstaltungen.“

Ich verstehe, dass dieses Thema für viele leicht befremdlich ist. Ich kann es nur aus persönlicher Wahrnehmung für mich selbst einordnen und für mich ist sehr wichtig, dass kein einzelnes Mitglied des Universalen Hauses der Gerechtigkeit eine wie auch immer geartete Macht oder Autorität innehat. Es ist ein Kollektivorgan und tritt auch nur als ein solches nach außen.

Als jüngste Religion der Geschichte, die nach dem Humanismus entstanden ist, finden sich durchaus moderne Ansätze in der Baha‘i Religion. Dies betrifft aber nicht jeden Lebensbereich, beispielsweise sind Homosexualität und gleichgeschlechtliche Ehen verpönt. Wie stehst du als Bahai zu Homosexualität?

Auch diese Frage wird natürlich oft gestellt, weil das Thema in der Gesellschaft so extrem emotional geführt wird und komplett unvereinbar mit einem „modernen“ Leben scheint. Da wir Bahá’í aufgefordert sind, die Lehren von Bahá’ú’lláh auch immer tiefer zu verstehen und zu begreifen stellen sich natürlich auch die Bahá’i die Frage, warum die Sexualethik in den Bahá’í Lehren auf der einen Seite den Wert des Sexualtriebs anerkennt und sexuellen Puritanismus ablehnt, gleichzeitig aber die Notwendigkeit eines angemessenen Ausdrucks und der Selbstbeherrschung vorsieht. Bahá’u’lláh bekräftigt, dass die Familie die Grundlage der Gesellschaft und der Zivilisation ist, dass die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau besteht. Es würde denke ich den Rahmen diese Interviews sprengen, wenn ich versuchen würde, dieses Thema eingehender zu beleuchten. Sehr gerne würde ich aber in diesem Zusammenhang auf eine Zusammenstellung zu diesem Thema verweisen https://www.bahai.us/bahai-teachings-homosexuality/ Aus meiner Sicht wird dort das Bahá’ì Verständnis zu dem Thema gut wiedergegeben.

Da Sie fragen, warum es „verpönt“ sei, würde ich aber gerne noch folgendes klarstellen: Bahá’u’lláh betont die essenzielle spirituelle Würde und Freiheit einer jeden Seele und bekräftigt, dass „der Glaube eines jeden Menschen von niemandem außer von ihm selbst abhängig gemacht werden kann“. Unsere Herausforderung besteht also darin, zu lernen, zusammenzuleben und die verschiedenen Individuen und Gruppen zu respektieren, von denen jede ihre eigene Sichtweise der Realität hat, und gleichzeitig eine Einheit in der Vielfalt des Denkens und Handelns zu kultivieren, durch die Fortschritt und eine friedliche soziale Ordnung gefördert werden können.

Eine der grundlegenden Wahrheiten des Bahá’í-Glaubens ist, dass das Gewissen nicht gezwungen werden kann. Jedes menschliche Wesen hat das Recht auf Gewissens- und Glaubensfreiheit. Jeder ist letztlich vor Gott für seine Entscheidungen verantwortlich. Daher sind die Bahá’í angehalten, trotz ihrer eigenen Überzeugungen tolerant und respektvoll gegenüber denjenigen zu sein, deren Ansichten von ihren eigenen abweichen, andere nicht nach Bahá’í-Maßstäben zu beurteilen und nicht zu versuchen, diese Maßstäbe der Gesellschaft aufzuzwingen. Vorurteile jeglicher Art sind völlig gegen den Geist des Glaubens. Ich würde mir daher nie anmaßen, eine homosexuelle Liebe oder Ehe zu verpönen oder irgendwie zu bewerten. Ein religiöses Gebot stellt ja immer nur für das Individuum, welches sich aus freien Stücken daran halten möchte, eine persönliche Herausforderung dar. Es dient keineswegs dazu, Menschen zu diskriminieren oder abzuwerten, die anders leben.

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