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Kurzzeitige Rückkehr zu den Wurzeln als Stand-up-Comedian: US-Regisseur Judd Apatow in „The Return“. ©Netflix/Mark Selinger

Judd Apatow hat als Autor, Regisseur und Produzent den jüdischen Humor der US-Filmkomödie vom Staub des vorigen Jahrhunderts befreit – und ihm zu einer neuen Selbstverständlichkeit verholfen.

Von Michael Pekler

Als Judd Apatow im Dezember 2017 nach mehr als zwanzig Jahren im Filmgeschäft auf die Bühne zurückkehrte, war die Erwartungshaltung entsprechend hoch. Es war ein Abend im renommierten Place des Arts in Montréal, die Show mit dem Titel The Return wurde von Netflix produziert – sie ist dort nach wie vor zu sehen –, und das Publikum erfreute sich an einer satirisch aufbereiteten Autobiografie, einer gehörigen Portion Selbstironie und politischen Witzen über einen Rechtspopulisten als Präsident im eigenen Land.

Zwischendurch zeigte Apatow Fotos von sich mit diversen Prominenten, die ihn allesamt nicht besonders gut aussehen ließen: von Paul McCartney, der sich als Apatow-Fan outet, ihm aber seine persönliche Email-Adresse nicht geben will, bis Barack Obama, den Apatow für einen Schnappschuss unbedingt zum Lachen bringen möchte – was ihm natürlich nicht gelingt. Stattdessen sieht man ein Foto, auf dem sich Apatow selbst über einen Witz Obamas zerkugelt, während sich seine Frau, die Schauspielerin Leslie Mann, strahlend an des Ex-Präsidenten Schulter schmiegt. Nach zwanzig Jahren ist also klar: Apatow hat es geschafft, der ehemalige Stand-up-Underdog ist im Establishment angekommen.

Zoten am Fließband

Ersichtlich war an diesem Abend aber auch, dass die Kunstfigur, mit der Apatow auf die Bühne zurückkehrte, direkt einer seiner Erfolgskomödien entsprungen sein könnte. Es ist eine Figur, die den verschwurbelten jüdischen Loser, wie Woody Allen ihn über Jahrzehnte hinweg prägte, regelrecht vorführt und dorthin zurückverweist, woher er kommt – ins vergangene Jahrhundert. Denn tatsächlich ist die US-amerikanische Filmkomödie längst nicht mehr vorstellbar ohne den gebürtigen New Yorker Apatow, der als Autor, Regisseur und Produzent – oft in Personalunion – das Genre mit Filmen wie Jungfrau (40), männlich, sucht (The-40-Year-Old Virgin, 2005) oder Beim ersten Mal (Knocked Up, 2007) nachhaltig prägte. Und der mit seinen Filmen ein völlig neues Bild von Jewishness etablierte, das sich nicht an einem intellektuellen Minderheitenpublikum orientiert, sondern für den breiten Mainstream zugänglich ist.

Das wiederum war nur möglich, indem Apatow Ende der neunziger Jahre ein gleichgesinntes, zunächst rein männliches Starensemble um sich scharte und dieses in seiner mittlerweile legendären „Apatow Factory“ versammelte. Es war eine aus Seth Rogen, Jason Segal, Paul Rudd und Jonah Hill bestehende Stammformation, „Jewish schlubby comedy stars“, wie Apatow sie bezeichnet, erweitert durch freundschaftliche Kooperationen mit jüdischen Schauspielern wie James Franco und Adam Sandler (der in der von Apatow geschriebenen Mossad-Frisör-Komödie You Don’t Mess With the Zohan die jüdische Filmkomik auf die anarchische Spitze treibt).

Entstanden ist im Laufe der Jahre eine ganze Reihe von Filmen, die jede(r) irgendwie kennt und von denen man sich zwar hauptsächlich einzelne Gags und zotige Witze gemerkt hat, deren Markennamen allerdings – oder gerade deshalb – unverwechselbar geworden sind („From the guys who brought you The 40-Year-Old Virgin and Superbad!“, oder hierzulande „Von dem Macher von Brautalarm“). Es sind Filme, die nicht auf den elitären Filmfestivals reüssieren, sondern typische Hollywoodgeschichten, vor allem die romantische Komödie, gegen den Strich bürsten. „Apatow-Filme sind dezidiert middle-brow“, beschreibt sie der Filmwissenschaftler Daniel Eschkötter, „amerikanische Mittelklasse in mittlerer Einstellungslänge, meist mittlerer Brennweite und Einstellungsgröße; mit einer moderaten Anzahl an Körperkomödien- und Gross-out-Szenen, moderierend zwischen Massengeschmack und popkulturellen Expertisen.“ Soll heißen: Komödien aus dem Hause Apatow schaden höchstens dem guten Geschmack von Menschen, die meinen, zu höherem Filmgenuss berufen zu sein. 

Nacktes Glück

Apatow-Filme sind solche aus dem täglichen Leben. In der typischen Konstellation, für die Apatow berühmt wurde, finden sich ein paar weiße, jüdische Typen Mitte zwanzig, die nichts zu tun haben außer diversen Suchtmitteln zu frönen, diversen männlichen Trieben nachzugeben und sich gegenüber dem weiblichen Geschlecht maßlos zu überschätzen. Sie haben tolle Ideen für Gelderwerb, indem sie, wie etwa in Beim ersten Mal, eine Website eröffnen, in der man die exakte Dauer von Nacktszenen in Hollywoodfilmen nachschlagen kann. Natürlich ist ihr Scheitern vorprogrammiert – wenn man es denn als Scheitern betrachtet, wenn jemand die Norm nicht erfüllt. Ist es etwa normal, dass man mit vierzig noch männliche Jungfrau ist? Für die Freunde von Andy (Steve Carrell) in Jungfrau (40), männlich, sucht kann es das unmöglich sein, weshalb der biedere Verkäufer zu seinem Glück gezwungen wird. Doch die wahre Liebe kann – so viel Kinoglück muss auch bei Apatow sein – nur finden, wer an sie glaubt.

So wie sein weibliches Gegenstück Amy in Dating Queen (Trainwreck, 2015), in dem Amy Schumer als Redakteurin eines Männermagazins das Leben als Dauerparty betrachtet, bis sie mit Hilfe eines prominenten, aber langweiligen Sportchirurgen, über den sie einen Artikel schreiben soll, ihre Bindungsängste überwindet. Natürlich nur, weil sie sich in ihn verliebt. Schumer, die wie Apatow ihre Karriere als Stand-up-Comedian begann und das Drehbuch schrieb, gehört seither zu den wichtigsten jüdischen Komödiendarstellerinnen Hollywoods.

Selbstverständlich jüdisch

Er habe sich entschlossen, Komiker zu werden, so Apatow in The Return, als sich seine Eltern scheiden ließen. Damals habe er ein Gedicht im Stil von Dr. Seuss geschrieben: „I spend my weeks at home, weekends at work. / I watched other people get paid for acting like jerks. / I can do that pretty well, too. In my opinion, I’m one funny Jew.“ Wenn also andere dafür Geld bekommen, dass sie sich wie Vollidioten benehmen, dann könne er das als komischer Jude mindestens so gut. Mehr Understatement geht nicht.

Dass Apatows Witze über die eigene Jewishness und die jüdische Religion mit voller Wucht ins Schwarze treffen, hat aber natürlich einen anderen Grund: Er betrachtet sie bloß als einen Teil einer völlig konfusen Identität. Vor allem aber als selbstverständlich. Die Charaktere seiner Filme sind Jüdinnen und Juden – unter anderem. Sie halten es nicht so streng mit den Feiertagen, versäumen Bar-Mizwa-Feiern, machen sich über sich selbst lustig und sind politisch so liberal, dass man Bernie Sanders für einen Republikaner halten könnte. Also normal durchgeknallte Menschen, die überwiegend mit sich selbst beschäftigt sind.

„We’re pretty cool as a religion“, so Apatow. „We don’t mind if you draw our God. You can draw us. And we shouldn’t want you to draw us, because any accurate drawing of a Jewish person is inherently anti-Semitic. Like a perfect drawing of me is like Nazi propaganda.“ Wer so entspannt ist, der hat auch keine Rekrutierungsabsichten, sondern ganz anderes im Sinn. Weshalb dem Judentum auch der Ehrgeiz fehle, andere vom eigenen Glauben überzeugen zu wollen: „If we want more Jews, we will fuck each other and make a Jew.“ Dagegen ist nun wirklich nichts zu sagen.

Weil Männer („Jungfrau (40), männlich, sucht“) und Frauen („Dating Queen“) nie unter sich bleiben, gibt es Judd-Apatow-Komödien. ©Universal Pictures
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