Zum Überblick in die Garden Shul

Das im Dezember 2000 vom ehemaligen südafrikanischen Präsidenten und Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela eröffnete Museum bietet einen guten Überblick über die Geschichte der jüdischen Gemeinden Südafrikas.
Museumskritik: Thomas Schmidinger

Die Geschichte des südafrikanischen Judentums, wie sie im South African Jewish Museum geschildert wird, beginnt mit der Einwanderung europäischer Jüdinnen und Juden nach Südafrika im 19. Jahrhundert. Die große Mehrheit davon stammte aus dem heutigen Litauen. Zwar kamen auch schon früher, trotz Restriktionen gegen „nichtchristliche“ Einwanderer, Juden in die niederländische Kap-Kolonie, Religionsfreiheit wurde jedoch erst Anfang des 19. Jahrhunderts zugestanden. Die erste jüdische Gemeinde wurde nicht vor 1841 gegründet, die erste Synagoge erst 1849 errichtet. Diese wurde 1863 durch einen Neubau abgelöst, der heute die älteste noch existierende Synagoge Südafrikas darstellt. Genau diese fungiert nun zugleich als Eingangsbereich für das South African Jewish Museum. Das Gebäude ist an sich noch als vollwertige Synagoge erhalten, dient jedoch zugleich als Schauraum für jüdische sakrale Kunst. In ersten Schautafeln wird die Geschichte der jüdischen Einwanderung nach Südafrika im Kontext der Einwanderung von afrikanischen und europäischen SüdafrikanerInnen dargestellt. Als Synagoge dient heute die 1905 direkt neben dem Museum errichtete neue Große Synagoge, die aufgrund der angrenzenden Parkanlagen auch Garden Shul genannt wird.

Die alte Synagoge, als Eingangsbereich des Museums, ist mit einem Gang über einem kleinen Gewässer – dies hat symbolische Bedeutung – mit dem Neubau des Museums verbunden. Wie die jüdischen Einwanderer des 19. Jahrhunderts müssen die gegenwärtigen BesucherInnen zunächst über das Wasser, ehe sie sich mit der Geschichte der südafrikanischen Jüdinnen und Juden auseinandersetzen können. Für die MuseumsmacherInnen beginnt diese damit auch erst mit der Einwanderung europäischer Jüdinnen und Juden. Die Debatte um die jüdische Herkunft der afrikanischen Lemba wird ausgeblendet. Die Lemba, eine im Nordosten Südafrikas und in Zimbabwe lebende afrikanische Bevölkerungsgruppe, beanspruchen für sich, jüdischer Abstammung zu sein, und haben auch gewisse jüdische Rituale wie die Trennung von Fleisch und Milch, das Einhalten des Schabbat oder die Beschneidung von Knaben bewahrt. Jüngere genetische Untersuchungen legen sogar eine Abstammung von den Kohanim nahe. Trotzdem ist der jüdische Charakter der Lemba stark umstritten. Diese möglicherweise ersten Jüdinnen und Juden Südafrikas werden von der Mehrheit der weißen jüdischen Gemeinden jedenfalls nicht als jüdisch gesehen. Im Museum in Cape Town finden sie keine Erwähnung. Hier beginnt die jüdische Präsenz in Südafrika mit der Einwanderung im 19. Jahrhundert und den Schiffen, die Tausende verarmte und vor den Pogromen im zaristischen Russland fliehende Jüdinnen und Juden nach Südafrika brachten.

Im Hauptausstellungsraum wird zunächst der Beginn der ersten jüdischen Kongregationen in Cape Town und schließlich in der Diamantenstadt Kimberly dargestellt. Ein originaler Pferdewagen erinnert an die jüdischen Händler, die weit entlegene Farmen der Buren mit Waren versorgten. Einer der älteren Herren, die als freiwillige Helfer des Museums an der Kassa sitzen, betont das gute Verhältnis dieser fahrenden jüdischen Händler zu den afrikaanssprachigen Bauern, die für ihre Händler teilweise sogar koschere Speisen zubereitet hätten. Schließlich stellten diese Händler oft über Monate hinweg die einzigen Kontakte zur Außenwelt dar. Viele ließen die Bauern in Krisenzeiten auch anschreiben. Modelle der Synagogen von Kimberly, Port Elizabeth oder Johannesburg zeigen schließlich die Etablierung jüdischer Gemeinden in den südafrikanischen Städten. In Schautafeln wird auch der zunehmende Antisemitismus der 1930er Jahre geschildert, als sich der afrikaanische Nationalismus ideologisch immer deutlicher an Nazideutschland anlehnte, was sich allerdings nach der Machtergreifung in Form der Nationalen Partei (NP) 1948 nicht in einer offen antisemitischen Politik oder gar antisemitischen Gesetzen niederschlug. Unmittelbar nach der Shoah wäre dies wohl selbst für die NP nicht mehr denkbar gewesen. Die neue Regierung beschäftigte sich zudem primär mit der Einführung der Apartheid, die Jüdinnen und Juden als Weiße klassifizierte. Das Museum verschweigt nicht, dass Jüdinnen und Juden auch zu den Profiteuren der Apartheid gehörten und durchaus auch mit dem Apartheid-Regime kollaborierten. Zugleich wird ein Fokus auf jene zahlreichen jüdischen Intellektuellen, Arbeiter und AktivistInnen gelenkt, die sich aktiv gegen das Apartheid-Regime stellten. 1987 erklärte schließlich das höchste Gremium der jüdischen Gemeinden Südafrikas, der South African Jewish Board of Deputies (SAJBD), dass die Apartheid gegen die jüdische Moral verstoße und stellte sich damit offen gegen das Regime. Stark betont wird auch die Rolle Israels und des Zionismus für die südafrikanischen Jüdinnen und Juden, wobei heikle politische Fragen, wie das Naheverhältnis Israels zum Apartheid-Regime, das sich u.a. in israelischen Waffenlieferungen unter Umgehung des Waffenembargos niedergeschlagen hatte, ausgespart bleiben. Umso deutlicher werden die Beiträge jüdischer SüdafrikanerInnen zum kulturellen, sportlichen und intellektuellen Leben des Landes herausgestrichen. Über eine ganze Seitenwand hinweg werden bedeutende Persönlichkeiten aus den jüdischen Gemeinden Südafrikas wie der Paläoanthropologe Philip Tobias, die Anti-Apartheid- Aktivistin und Abgeordnete der Progressive Party Helen Suzman, die Schriftstellerin Nadine Gordimer, die Künstlerin Irma Stern oder der Musiker Johnny Clegg vorgestellt. Im Keller des Gebäudes findet sich schließlich ein nachgebautes litauisches Schtetl, der Herkunftsumgebung der Vorfahren der meisten südafrikanischen Jüdinnen und Juden, sowie Raum für Wechselausstellungen, deren Themen von japanischer Kunst über jüdische Rugby-Spieler bis zum Leben und Schaffen wichtiger jüdischer Persönlichkeiten reichen.

Wer nach der Ausstellung wieder auf dem Platz vor dem jüdischen Museum steht, befindet sich zugleich im Herzen der jüdischen Gemeinde von Kapstadt. Rund 16.000 Jüdinnen und Juden leben heute in Cape Town, das damit die zweitgrößte jüdische Gemeinde Südafrikas darstellt. Den Platz vor dem Museum, der bereits hinter einer Sicherheitsschleuse am Eingang zum gesamten Komplex liegt, umranden neben dem Museum und der großen Synagoge noch weitere Gemeindeeinrichtungen, wie eine Bibliothek, ein Museumsshop, das Cape Town Holocaust Center mit einer eigenen Ausstellung zur Shoah und ein sehr nettes Kaffeehaus. Hier kann Kaffee getrunken oder eine Kleinigkeit gegessen werden. Auch junge MuseumsbesucherInnen aus anderen Teilen Südafrikas genießen hier die Sonnenstrahlen des Frühlings.

Sophie und Eva Kirsch etwa kommen aus Johannesburg. Mit dem Goldrausch im damaligen Transvaal zogen viele Jüdinnen und Juden in die am raschesten expandierende Stadt Südafrikas. Noch heute beherbergt die größte Stadt des Landes die größte jüdische Gemeinde, wenn diese auch – so gut wie alle Weißen – längst das Stadtzentrum verlassen haben. In den als sicherer geltenden Vierteln in und um die Stadt leben heute über 80% der jüdischen Bevölkerung Südafrikas. Die ehemalige Große Synagoge beherbergt heute zwar eine Fast- Food-Chicken-Filiale, im gesamten Stadtgebiet existieren jedoch immer noch über 30 Synagogen und Yeshivot und im Sheffield House in der Nähe des Carlton Centers befindet sich das zweite jüdische Museum Südafrikas. Außer den BesucherInnen aus Johannesburg weiß jedoch kaum jemand hier überhaupt von der Existenz dieses Museums. Ein drittes jüdisches Museum ist mit dem Jewish Pioneers Memorial Museum in einer 1912 errichteten Synagoge in Port Elizabeth zu finden.

Das South African Jewish Museum gibt einen breiten Überblick über die Geschichte des südafrikanischen Judentums, konzentriert sich aber mit Sicherheit auf die großen Gemeinden. Wer Genaueres über die Gemeinden in Johannesburg oder Port Elizabeth erfahren will, sollte die dortigen Museen besuchen. In den anderen jüdischen Gemeinden in Durban, Pretoria, East London, Bloemfontein, Pietermaritzburg, Stellenbosch und einer Reihe kleinerer Städte existieren zwar Synagogen und andere jüdische Einrichtungen, aber keine eigenen Museen. Den einfachsten und museumsdidaktisch durchaus gut aufbereiteten Gesamteindruck der Geschichte des südafrikanischen Judentums erhält man mit Sicherheit im neuesten und damit auch modernsten jüdischen Museum in Kapstadt.

SOUTH AFRICAN JEWISH MUSEUM:
88 Hatfield Street, Gardens, Cape Town,
So.–Do. 10:00–17:00 und
Fr. 10:00–14:00 Uhr
Eintritt: Erwachsene R 50,– /
Ermäßigungen für Gruppen, Kinder und
südafrikanische PensionistInnen. Tel.:
+27/21-465-1546 Fax: +27/21-465-0284
www.sajewishmuseum.co.za

CAPE TOWN HOLOCAUST CENTER:
88 Hatfield Street, Gardens, Cape
Town, erster Stock Albow Centre,
So.–Do. 10:00–17:00 und
Fr. 10:00–13:00 Uhr

JEWISH MUSEUM JOHANNESBURG:
29 Kruis Street, Johannesburg,
Mo.–Do. 9:00–13:00 und 14:00–17:00 Uhr

JEWISH PIONEERS MEMORIAL MUSEUM:
Raleigth Street, Port Elizabeth,
So. 10:00–12:00 Uhr

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