„Woher ich komme und wohin ich gehe“

Arik Brauer 1929 – 2021 ©Jonathan Meiri

Die Kunstwelt trauert um einen großen Maler, Grafiker, Bühnenbildner und Liedermacher: Arik Brauer, Mitbegründer der Wiener Schule des Phantastischen Realismus, ist am 24. Jannuar, drei Wochen nach seinem 92. Geburtstag, im Kreise seiner Familie  gestorben.

von Andrea Schurian

„Ich war so glücklich mit meiner Frau, mit meiner Familie, mit meiner Kunst und meinem Wienerwald. Aber es gibt eine Zeit, da lebt man, und es gibt zwei Ewigkeiten, da existiert man nicht“: Mit diesen Worten verabschiedete sich der dreifache Familien- und vielfache Großvater von seiner Familie. Arik Brauer, einer der wichtigsten Vertreter der Wiener Schule des Phantastischen Realismus ging, wie er gelebt hatte: klarsichtig, mutig, voller Liebe.

So, als wäre Kunst nur ein anderes Wort für Leben und Leben wiederum die Summe aller Träume, schaurig wie die Hakenkreuzigung. Schön wie die Baumseele. Poetisch wie der Spaziergang mit Enkelin: „Natürlich ist das erzählerische Malerei“, sagte er, als ich ihn in seinem Atelier besuchte: „Aber wenn jemand sagt, das ist Illustration, bin ich auch nicht traurig. Es sind ja Milliarden von unsichtbaren Lebewesen hier im Raum. Diese ganze Welt male ich, meine Phantasie entzündet sich erst, wenn alles da ist.“ Und, ja, tatsächlich alles da: Paradiesische Landschaften, Pflanzen, Tiere, Lebenslüste. Schöpfungsphantasien, Fabelwesen. „Mir geht es um die Komposition. Die ist im Grunde abstrakt.“ Letztlich ging es also um die Farbe. Nicht nur auf dem Bild.

Die Farben meines Lebens heißt denn auch Brauers 2005 im Amalthea-Verlag erschienene Autobiographie, 2014 wurde das berührende Puzzle aus Erlebtem und Erdachtem neu aufgelegt. Über seine Wanderjahre schreibt er da, als er mit dem Rad halb Europa und Israel erstrampelte; über die Studienzeit, über seine geliebte Frau Naomi, seine Töchter, über die Pariser Zeit, seine kommunistische Begeisterung und spätere herbe Ernüchterung; den Stalinismus empfand er schlimmer als das Hitlerregime. Und gemessen an der Zahl der Opfer verlieh er in seinen Erinnerungen den „ersten Preis der Hölle an Mao Tse Tung“.

Judenbengel

Er schildert in seinen Memoiren, wie man ihn 1939 als „Judenbengel“ beschimpfte und in eine der Judenschulen steckte, bis 1942 auch die letzte geschlossen wurde. Sein Vater, ein aus Litauen stammender jüdischer Schuhmacher, wurde im KZ ermordet, er selbst überlebte zunächst als Tischlergehilfe im Ältestenrat der Kultusgemeinde, zuletzt in einem Versteck. Seine Beziehung zu Österreich habe das nicht verändert, denn „ich habe ein Verhältnis zu Menschen, nicht zu Ländern. Und ich habe gelernt, dass das Paketeschnüren – die Araber, die Österreicher, die Deutschen – das Leben zwar einfacher macht, aber der Wahrheit noch weniger nahekommt, als wenn man Menschen einzeln beurteilt. Schon im Talmud steht: Jeder Mensch ist eine ganze Welt. Und wer einen Menschen rettet, rettet die ganze Welt.“

Nein, es war keine gute Zeit, in die er hineingeboren wurde. Der New Yorker Börsenkrach 1929 wirkte bis nach Österreich, die faschistische Heimwehr lehrte die junge Demokratie das Fürchten. Es herrschte sibirische Kälte bis zu minus 30 Grad, Menschen erfroren auf der Straße, als am 4. Jänner 1929 der kleine Erich Bauer das Licht der Welt erblickte: „Wir lebten in einer Zimmer-Kuchl-Wohnung in Ottakring. Heute würde man das als tiefstes Elend bezeichnen. Aber damals waren wir wohlsituiert. Wir konnten im Sommer sogar aufs Land fahren. Im Zimmer stand ein Stutzflügel, wir haben viel musiziert, gesungen, Gedichte gelesen. Nur gemalt hat niemand – außer mir. Ich konnte mit sieben, acht Jahren schon Porträts zeichnen. Bei manchen Besuchen fiel das Wort Wunderkind. Das habe ich mir natürlich sofort gemerkt. Ich hatte selber von Anfang an das Gefühl, dass ich das gut kann.“

© Jonathan Meiri

Die phantastischen Fünf

Sofort nach Kriegsende bewarb er sich, gerade 16 Jahre alt geworden, an der Wiener Akademie der bildenden Künste, studierte zunächst bei Robin Ch. Andersen, später bei Albert Paris Gütersloh. Seine Studienkollegen: Anton Lehmden, Ernst Fuchs, Rudolf Hausner, Wolfgang Hutter, eine verschworene Fünferbande, deren Wiener Schule des Phantastischen Realismus zur ersten erfolgreichen Kunst-Trademark im Nachkriegsösterreich wurde.

Vom Publikum wurden die phantastischen Fünf wie Popstars verehrt, ihre Gruppenausstellung beispielsweise wanderte von 1953 bis 1964 als Blockbuster rund um die Welt. „Nur die österreichische Kritik hat uns jahrzehntelang geradezu mit Hass verfolgt – oder besser gesagt: gar nicht wahrgenommen. Ich weiß natürlich, warum man uns hier ignorierte: Die österreichischen Kultureliten wollten nach dem Krieg weg vom Image des Zurückgewandtseins, wollten modern sein. Wir aber bezogen uns auf die Renaissance, auf Hieronymus Bosch, auf den Jugendstil, waren also ein Hemmschuh. Manchmal werden Berechnungen aufgestellt: Wie viele Bilder sind in wie vielen Museen? Da schneiden wir Phantasten schlecht ab. Natürlich gibt es Museen, die Bilder von uns haben – aber verglichen beispielsweise mit Arnulf Rainer, ist das gar nichts. Aber ich habe in meinem Leben etwa 1300 Bilder verkauft. Wenn man sagt, das waren lauter Kitschkäufer, dann ist das natürlich bedeutungslos. Aber wenn man davon ausgeht, dass es Angehörige der europäischen Kulturelite sind, dann kann ich schon ertragen, dass ich nicht im Centre Pompidou hänge.“

Arik Brauer, Friedensaktivist in Israel; Baukünstler, der sich mit einem Wohnhaus in der Wiener Gumpendorfer Straße einen Wunschtraum erfüllte; Sänger der mit seinen Dialektsongs den Austropop mitbegründete, ohne sich je zu den Austropoppern gezählt zu haben; ein ebenso fantasievolle wie umfassend gebildete Geschichtenerzähler in Wort und Bild. Erst im Oktober vergangenen Jahres erschien im Amalthea Verlag Brauers Buch Wienerisch für Fortgeschrittene, eine mit zahlreichen Originalzeichnungen veredelte , höchst vergnügliche Reise durch die Wiener Sprachlandschaften, voller humoristischer Aphorismen, herzerwärmender Geschichten und kluger Gedanken.

Luxus der eigenen Meinung

Nein, man möchte nicht glauben, dass die Stimme dieses so redegewandten, klugen, malfreudigen, humorvollen Künstlers für immer verstummt ist. Auseinandersetzungen ging Arik Brauer nicht aus dem Weg, künstlerischen ebensowenig wie politischen, Früher nicht, und in seinen letzten Lebensjahren erst recht nicht. Er leistete sich den größten Luxus: den der eigenen Meinung, auch wenn ihm dafür viel Gegenwind ins Gesicht bließ. So warnte er eindringlich vor den des muslimischen Judenhasses, den er als virulenter erachtete als den rechten Antisemitismus. Als 2019 anlässlich der Holocaust-Gedenkveranstaltungen heftig darüber gestritten wurde, ob FPÖ-Politiker in Mauthausen dabei sein sollten oder nicht, sprach er sich in Diskussionsveranstaltungen und Interviews stets explizit für deren Teilnahme aus: Denn „die Juden wissen ja, was passiert ist. Man macht solche Veranstaltungen doch, damit die Geschichte nicht in Vergessenheit gerät oder abgestritten und verharmlost wird. Und genau diejenigen, die das immer wieder betrieben, schließt man aus?“ Das sei blanker Unfug. „Die Demokratie ist eine zarte Pflanze, das wissen wir, und man muss sie ununterbrochen pflegen und gießen. Denn die Demokratie zeigt die unterschiedlichen Interessen, die unterschiedlichen Denkweisen und die unterschiedlichen Gefühle der Bevölkerung und das ist sehr kompliziert, und das ist sehr mühsam und vielen Menschen geht das auf die Nerven“, sagte er in seiner Festrede bei der Gedenkveranstaltung zum Ende des zweiten Weltkriegs im Bundeskanzleramt. Auch, als im November vergangenen Jahres ein islamistischer Gotteskrieger in der Wiener Innenstadt vier Menschen tötete und zahlreiche Passanten teils schwer verletzte, wurde der große österreichische Künstler um seine Meinung befragt. Brauer zog Parallelen zum Bombardement der Alliierten und sah die Werte der freien Gesellschaft in großer Gefahr, die zu verteidigen ihm lebenslanges Anliegen war.

Gewalt der hebräischen Sprache

Immer wieder beschäftigt er, der Agnostiker, sich in seinem Bildwelten mit dem Alten Testament. Fasziniert von der „Gewalt der hebräischen Sprache, von der Poesie der Schilderungen und Vergleiche, vom plastischen Realismus in der Balance zwischen Historie und Erfindung“ illustrierte er die Haggada schel Pessach, 1979 das erste und 2014 ein zweites Mal. Es sind Geschichten von Plagen und Seuchen, Hoffnung und Gottvertrauen, vom Tod zum Leben, von der Sklaverei in die Freiheit, die Brauer auf Karton gemalt hat, gütige (Groß-)Väter unter Sternenhimmeln, weise Rabbiner, furchterregende Götzen, unter gleißender Sonne und der Last der Knechtschaft gebückte Sklaven, brotbackende Frauen, Menschen, die sich durch das geteilte Meer ins rettende, gelobte Land retten konnten. „. Die kommentierenden Anmerkungen zu den biblischen Texten stammen von Oberrabiner Paul Chaim Eisenberg, dem israelischen Schriftsteller Joshua Sobol und von Erwin Javor. Javor, Herausgeber von Brauers auf deutsch und hebräisch erscheindender Haggada (mit einer Brauer-CD mit Pessaschliedern) hat die Illustrationen als Dauerleihgabe dem Jüdischen Museum Wien übergeben, dem Brauer besonders innig verbunden war. Unter dem Titel „Alle meine Künste“. würdigte das JMW anlässlich seines neunzigsten Geburtstags Brauers vielfältiges Werk in einer fulminanten, von JMW-Direktorin Danielle Spera kuratierten, Festausstellung.

Eine Frage seiner damals zehnjährigen Enkelin, was denn eigentlich vor dem Urknall war, beantwortete der große österreichische Künstler, fasziniert vom Ringen der Menschen und ihrer Sehnsucht nach einer gerechten Welt, mit seinem Buch Das Alte Testament: Erzählt von Arik Brauer. Das Alte Testament, sagte er einmal, sei ein “Jahrtausendkunstwerk“ über menschliche Weisheit und Irrtümer.

Aber, nein, religiös sei er aber nicht und Mitglied der Israelitischen Kultusgemeinde eher aus Tradition und Konvention – und weil sie über den religiösen Aspekt hinaus eine Bedeutung habe als Vereinigung einer Minderheit. „Aber Gott? Das ist nichts. Vielleicht sagt man wie ein Kind: Gott ist ein Mann. Daran glaube ich nicht, dass wir sein Ebenbild sind, schon gar nicht. Das wäre traurig. Ich sehe zwischen Materie und Geist keinen Unterschied. Ein Atom ist kein kleines Körnderl, sondern ein Prinzip. Ich bin Agnostiker, ich habe mich damit abgefunden, dass ich nicht herausfinden werde, woher ich komme und wohin ich gehe.“


Danielle Spera, Direktorin des Jüdischen Museums Wien, betrauert den Verlust eines großen Künstlers – und eines persönlichen Freundes

@ JMW

Das Jüdische Museum Wien trauert um Arik Brauer. Sein Werk ist ursächlich verknüpft mit der Wiener Geschichte, mit der jüdischen Geschichte Wiens und mit dem Judentum per se. Als jüdischer Gassenbub aus Ottakring überlebte er die Shoah, studierte an der Akademie, reiste mit dem Fahrrad durch Europa und Afrika und Israel und eroberte sich von Paris aus seinen Platz in der Kunstwelt.

„Alle meine Künste“ war exakt der passende Titel für die Ausstellung von Arik Brauer, die wir 2019 im Jüdischen Museum aus Anlass seines 90. Geburtstags gezeigt haben.

Man kann Arik Brauer zu Recht als künstlerisches Universalgenie bezeichnen: Er war Maler, Grafiker, Keramiker, Architekt, Musiker, Sänger, Tänzer, Komponist, Texter, Bühnenbildner und vieles andere mehr. Schon als Kind hatte Arik Brauer außergewöhnlich gezeichnet und wurde als besonderes Talent gehandelt. Er zeichnete, was er sah, auf der Straße, im Wienerwald, im Schrebergarten, oder Figuren aus Büchern, die er las. Dann kam bald die Tora, das Alte Testament, ins Spiel – Geschichten, die ihn beflügelten, in seinen Bildern eigene Geschichten zu erzählen. Sein Freund Ernst Fuchs bezeichnete Brauer als Mystiker, als Romantiker, dessen Erfahrungsbereich durch Annäherung an Naturerlebnisse entstanden sei. Arik Brauer zauberte Bilder aus seiner Weltschau – entstanden auch aus seinem Hunger nach Naturerlebnissen. Tatsächlich war der verantwortungsvolle Umgang mit der Natur und Atmosphäre ein wesentlicher Bestandteil seiner Reflexionen.

Ich persönlich bin unendlich dankbar für die vielen wunderbaren Begegnungen mit Arik über Jahrzehnte hinweg. Ich habe einen Freund, einen Lebensmenschen verloren, der in seiner Familie immer weiterleben wird und dessen Erinnerung wir immer aufrechterhalten werden.

Nach der Schließung der „Judenschulen“ beginnt Erich als Lehrling in der Tischlerei des „Ältestenrates der Juden“ in der Tempelgasse zu arbeiten. Aus den Ruinen des gegenüber liegenden zerstörten Leopoldstädter Tempels besorgt er sich ein großes Stück eines Holzbalkens, aus dem er ein Schaukelpferd für seinen kleinen Cousin Karli anfertigt. Karli ist der Sohn seines Onkel Max, der Erichs Vater bis zu dessen Abreise nach Riga in seiner Wohnung vor den Nationalsozialisten versteckt hielt. Das Pferd verbleibt in der Familie und wird bis heute von Arik Brauers Enkelkindern benützt.


Reaktionen

Bundespräsident Alexander Van der Bellen würdigt Arik Brauer als großen Künstler und kritischen Citoyen: Österreich wird diese Stimme, die so sanft und klar war, vermissen. Und sich dankbar dessen erinnern, was Arik Brauer unserem Land geschenkt hat.“

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka trauert um „einen vielseitigen Künstler, einen wichtigen Zeitzeugen und eine bedeutende Stimme des öffentlichen Lebens.“

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zeigt sich vom Ableben Arik Brauers tief betroffen: „Meine Gedanken sind in dieser schweren Zeit der Trauer bei seiner Familie und seinen Angehörigen! Möge er in Frieden ruhen!“

Vizekanzler Werner Kogler (Die Grünen) twittert: „Seine Lieder, seine Bilder und sein Gesamtwerk waren geprägt von ungeheurer Lebenskraft. Er war aber auch ein beeindruckender Kämpfer für Demokratie & Menschlichkeit. Arik Brauer zeigte die Schrecken des Nazi-Terrors bereits zu einer Zeit auf, als in Österreich noch niemand darüber sprechen wollte. Er wird fehlen“

Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), schreibt in einer Aussendung: „Arik Brauer lebt durch seine Kunst und die Erinnerung an seine humorvolle und wortgewaltige Persönlichkeit im Herzen der Kultusgemeinde für immer weiter.“

Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer würdigt das Lebenswerk des Verstorbenen, der das Fenster zur Fantasie geöffnet habe: „Arik Brauers Verdienste gehen weit über die österreichische Kunst hinaus, die er in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stark beeinflusst und geprägt hat.“ „

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) nennt Arik Brauer „einen Mahner, aber auch einen Verbinder zwischen den Generationen….Sein Einsatz für Demokratie und nicht zuletzt seine Gedenkrede am 8. Mai 2018 zum Kriegsende in Europa werden mir unvergessen bleiben.“

SPÖ-Chefin Pamela Rendi Wagner schreibt via Twitter : „Wir verlieren mit Arik Brauer einen der prägendsten und vielfältigsten Künstler des Landes. Er und unsere gemeinsame Zeit in Israel werden mir und meiner Familie immer in schöner Erinnerung bleiben“,

Eva Blimlinger, Kultursprecherin der Grünen, kondoliert namens des Grünen Parlamentsklubs: „Sowohl als Sänger als auch als Maler war er in Wien stets präsent. Seine Lieder werden bis heute gesungen.“

Thomas Drozda, SPÖ-Kultursprecher verabschiedet sich von einem großen Universalkünstler, „der Österreich und besonders seiner Heimatstadt Wien unschätzbar viel gegeben hat. Unser Mitgefühl gehört seiner Familie, die im Zentrum seines Lebens stand und die sein Vermächtnis weitertragen wird.“

Sepp Schellhorn, Neos-Kultursprecher Sepp Schellhorn, betrauert einen großen Verlust: „Österreich und die Welt haben einen großen künstlerischen Geist und die Gesellschaft einen wachen, aufmerksamen und ständigen Mahner verloren. Die Erde möge diesem großen Künstler und Menschen leicht sein, und mögen wir alle weniger unser Köpferl in den Sand stecken, wenn der Wind weht.“

Finanzminister Gernot Blümel, Landesparteiobmann der neuen ÖVP, würdigt gemeinsam Bernadette Arnoldner das große Lebenswerk, das es sorgfältig zu wahren gälte: „Trotz aller schrecklicher Erfahrungen hat er die Liebe zu seiner Heimatstadt nie verloren. Unsere Stadt verliert einen großen Wiener und ein unverkennbares Wiener Urgestein. Unser herzliches Beileid gilt Familie, Freunden und Wegbegleitern.“

Bürgermeister Michael Ludwig und Kulturstadträtin Veronika Kaup-Hasler (beide SPÖ) schreiben in einer gemeinsamen Aussendung: „Mit Arik Brauer verlieren wir einen Universalkünstler, Humanisten und großen Menschenfreund. Es war seine ungebrochene Geisteshaltung als Humanist und großer Menschenfreund, die ihn auszeichnete. Als Holocaust-Überlebender war er immer um Aufklärung und Versöhnung bemüht. Seine Hände waren in alle Richtungen ausgestreckt, wie zuletzt seine kontrovers diskutierte Festrede anlässlich des Kriegsendes in Europa zeigte. Wir sind stolz darauf, dass sich Werke von Arik Brauer in der zeitgenössischen Kunstsammlung der Stadt Wien befinden.“


Ein Gedicht von Arik Brauer

Schwarz und Weiß

Er schaut ganz kurz nur deine Hand an
Und denkt, die Haut ist viel zu braun
Er will nicht wissen, was du noch kannst Er schenkt nur hellen Händen Vertrau’n Es könnt sein, dass gerade diese Hand Heute Abend Geige spielt Es könnte sein, dass gerade dieser Klang Sein laues Herz aufwühlt

Er sieht nur Schwarz und Weiß die ganze Welt Die Zwischentöne sieht er nicht Weil ihm das Schwarz und Weiß viel leichter fällt Er hat zu wenig Licht

Er schaut ganz kurz nur dein Gesicht an
Und denkt, die Nase ist viel zu krumm
Er will nicht wissen, was du alles weißt Er schaut sich nicht einmal nach dir um Es könnte sein, dass gerade das Die Nase von dem Doktor ist Der heute Nacht die erste Hilfe bringt Wenn er unterm Auto liegt

Er sieht nur Schwarz und Weiß die ganze Welt Die Zwischentöne sieht er nicht Weil ihm das Schwarz und Weiß viel leichter fällt Er hat zu wenig Licht

Er schaut ganz kurz nur deinen Kopf an
Und denkt, der Schopf ist viel zu lang
Er will nicht wissen, wer du bist
Und denkt, du hast zum Bösen einen Hang
Es könnt sein, dass gerade diesen Schopf Morgen früh die Muse küsst Es könnte sein, dass gerade das der Kopf Vom Messias ist

Er sieht nur Schwarz und Weiß die ganze Welt Die Zwischentöne sieht er nicht Weil ihm das Schwarz und Weiß viel leichter fällt Er hat zu wenig Licht

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