Wir haben vier Geschirre

Der Präsidentschaftskandidat der Grünen, Ulrich Habsburg, spricht über sein Amtsverständnis und seine Beziehung zum Judentum, seitdem seine Frau übergetreten ist.
Interview von Martin Engelberg

Warum kandidieren Sie? Ich kandidiere, damit die Sippenhaftung, die es bei uns bei der Wahl zum Bundespräsidenten gibt, abgeschafft wird. Das betrifft nicht nur die Habsburger, sondern ungefähr 80 Familien in Mitteleuropa. Das hat jetzt in einer Republik, die gesichert dasteht, nichts mehr zu suchen.

Hätten Sie, abgesehen von diesem Ziel, auch Interesse am Amt des Bundespräsidenten? Man wächst hinein. Komischerweise habe ich sehr viele positive Zuschriften bekommen. Dann hat ja der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass ich kandidieren müsse, um das Habsburger-Gesetz anfechten zu können. Jetzt habe ich mich also zur Kandidatur entschieden.

Wie viele Stimmen würden Sie sich erwarten, wenn Sie kandidieren könnten? Na, so 15 % hielte ich schon für realistisch.

Unterscheiden Sie sich in Ihrem Amtsverständnis von jenem des amtierenden Bundespräsidenten? Ich habe gefunden, Fischer mangelt es an pointierter Aussagekraft zu allen Sachen. Ich bin nicht so verschwommen wie er und ich erwarte, gerade in der jetzigen Zeit, dass er aufzeigt, wo es hingeht, dass er ethische Werte aufzeigt.

Wieder ein Habsburger in der Hofburg, und das mit einem neuen Amtsverständnis? Ich habe das gleiche republikanische Staatsverständnis wie Fischer. Unterstützungen der monarchistischen Seite brauche ich genauso wenig wie jene, die mir Strache angeboten hat.

Was halten Sie von Barbara Rosenkranz? Sie ist halt das Kind der Familie, aus der sie stammt. Sie hat im Prinzip nichts dazugelernt. In Deutschland ist die Geschichte viel besser aufgearbeitet. Bei uns ist das alles so verschwommen. Wir haben mit den Nazis einen unkorrekten Umgang, da gibt es keine klare Abgrenzung.

Ihre Frau ist zum Judentum übergetreten. Wie war das für Sie? Das Interesse fürs Judentum hatten wir beide, das hat so kurz vor der Waldheim-Zeit begonnen. Am Anfang haben wir beide bei Prof. Schubert (langjähriger Ordinarius des Instituts für Judaistik) Vorlesungen besucht – dass sie dann so konsequent den Weg weitergeht, war schon überraschend für mich. Prof. Schubert hat die Interessen des Judentums weitgehend vertreten, ist aber noch immer Christ geblieben. Er hat auch gesagt, er kann in seiner Position mehr für das Judentum tun. Das habe ich auch gefunden. Bei meiner Frau ist es ja auch so, dass sie in der Familie jüdische Vorfahren hat, eine Tante war mit einem Juden verheiratet, eine Urgroßmutter war jüdisch.

Sie wirken aber tatsächlich beide sehr integriert in der jüdischen Gemeinde, Sie haben Ihren eigenen Platz im Stadttempel. Ja, das genieße ich jetzt sehr, ich komme in den Stadttempel, wir haben Freunde hier, man tratscht mit dem Nachbarn, das gibt es bei uns ja alles nicht. Es ist eine nette Gemeinde und ich freue mich jedes Mal, wenn wir herkommen, zum Kiddusch gehen usw.

Ihre Frau praktiziert ja ein sehr traditionelles jüdisches Leben. Ja, mitgefangen, mitgehangen. Wir haben vier Geschirre: Ein christliches, ein milchiges, ein fleischiges und eines für Pessach. Wir haben brav die Kühlschränke getrennt, am Schabbes ist meine Frau besonders streng. Da darf niemand anderer in die Küche, am Freitagabend haben alle eine Kippa auf, auch die Kinder und Enkelkinder. Eigentlich sind wir jetzt viel religiöser als noch in der christlichen Zeit.

Ihre Kinder waren ja schon erwachsen, als Ihre Frau übergetreten ist. Die Kinder sind nicht übergetreten. Wie ist das für sie? Die Kinder haben das zur Kenntnis genommen, längst akzeptiert. Manchmal passiert es halt noch immer, dass jemand das falsche Besteck nimmt, aber im Prinzip klappt das bestens. Einmal im Monat sind wir in Wien, da verbringen wir den Schabbes in Wien, gehen in den Tempel, dann zu Fuß nach Hause, halten also alles streng ein.

Ulrich Habsburg-Lothringen, geb. 3.10.1941 in St. Michael bei Wolfsberg, entstammt der „Toskana-Linie“ der Habsburger. Er ist der Urenkel von Ferdinand IV., dem letzten Großherzog von Toskana, und ein Neffe dritten Grades von Otto Habsburg, dem Sohn des letzten Kaisers Karl I., und dessen Frau Zita. Ulrich Habsburg ist Forstwirt und Gemeinderat der Grünen. Er ist mit seiner Frau Friederika seit 1964 verheiratet und hat drei Söhne. Friederika Habsburg, geb. von Klinkowström, ist zum Judentum übergetreten.

Die mobile Version verlassen