Warten bis Israel den Job erledigt

Das iranische Atomprogramm sorgt in Israel und in den jüdischen Gemeinden in aller Welt für Beunruhigung und Sorge. Simone Dinah Hartmann, Mitbegründerin von „Stop the Bomb“, hat sich dem Einsatz gegen eine iranische Atombombe verschrieben.
Das Gespräch führte Danielle Spera, Fotos: Peter Rigaud

NU: Sie stammen aus einer jüdischen Familie, ist das politische Interesse durch die Eltern entstanden?
Hartmann:
Meine Eltern haben zwar beruflich mit Textilhandel zu tun gehabt, Politik hat aber dennoch in unserer Familie eine große Rolle gespielt. Es war klar, wir leben zwar in Österreich, werden aber als Juden hier nur geduldet. Mein Großvater, Siegfried Diamant, war Direktor der zionistischen Föderation. Der Nationalsozialismus war bei uns immer ein großes Diskussionsthema, auch in unserer Familie sind Verwandte in der Shoah umgekommen.

Sie haben eine österreichische Schule besucht?
Ja, eine öffentliche Schule in der Zirkusgasse. Wir hatten die finanziellen Möglichkeiten zum Besuch einer Privatschule nicht. Und da habe ich hautnah mitbekommen, was Antisemitismus heißt. Meine Mitschüler hatten großen Spaß daran, in meiner Gegenwart Auschwitz-Witze zu erzählen. 1988 gab es große Diskussionen, als man eine Gedenktafel für die ermordeten jüdischen Schüler anbringen wollte. All diese Dinge haben mich bestärkt, politisch aktiv zu werden.

Woher ist das Interesse für den Iran gekommen?
Ich habe mich schon in meiner Studentenzeit politisch engagiert, ich war in der Studierendenvertretung auf der Informatik tätig und Mandatarin der GRAS in der Bundes-ÖH. Dort war ich an antifaschistischen Aktivitäten beteiligt. Und dann war ja schon bald klar, dass eine mögliche iranische Bombe die größte Gefahr für Israel darstellen würde. Da wollte ich aktiv werden.

Wie ist die Idee entstanden, STOP THE BOMB zu gründen?
Die Initialzündung ist durch die Bekanntgabe des OMV-Deals mit dem Iran gekommen. Damit war klar, dass man auch in Österreich etwas tun muss, um die iranische Bombe zu verhindern. 2007 haben wir eine Konferenz zum Thema „Keine Geschäfte mit den iranischen Mullahs“ organisiert und realisiert, dass viele Leute etwas tun wollen. Bei STOP THE BOMB sind die unterschiedlichsten Leute dabei. Der engste Kern sind 25 Aktivisten. Was uns alle vereint, ist die Sorge, dass der Iran die Bombe bekommt.

Kommt da nicht Resignation hoch, denn es scheint ja ein aussichtsloser Kampf, die Zeit läuft davon.
Es ist ein gehöriges Maß an Frustration dabei. Wir erleben aber auch immer wieder Erfolge. Die OMV hat noch immer nicht mit dem Iran abgeschlossen und das ist schon auch auf unsere Arbeit zurückzuführen.

Aber selbst wenn österreichische Firmen nicht mehr mit dem Iran handeln, es gibt so viele andere Länder, vor allem große und wichtige Länder, wie Russland oder China.
Weder Russland noch China haben das technologische Know-how, um den Energiesektor im Iran effizient aufzubauen. Das heißt die Iraner brauchen Technologie aus dem Westen. Das ist nur eine billige Ausrede, mit der österreichische Firmen argumentieren. Es geht darum, ob die Firmen diese Geschäfte mit ihrem Image vereinbaren können oder nicht.

Wie weit der Iran von der Bombe tatsächlich entfernt ist, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen.
Es gibt verschiedenste Spekulationen, die von einem Jahr bis 2015 reichen. Angesichts dessen, was sich jetzt im Iran abspielt, muss man davon ausgehen, dass das Atomprogramm beschleunigt wird. Die Kräfte, die einen aggressiven Kurs nach außen fahren, haben derzeit die Oberhand. Sie halten sich auch nicht zurück, was die eigene Bevölkerung anlangt.

Welche Rolle spielt – Ihrer Meinung nach – die IAEA?
Unserer Einschätzung nach hat der scheidende Chef der Atombehörde, Mohammed el-Baradei, ein gewisses politisches Interesse vertreten. Wir sehen seine Rolle durchaus kritisch. Seine Aussagen haben sich oft nicht mit den Untersuchungsergebnissen der Atombehörde gedeckt.

Die Sanktionen scheinen bisher wirkungslos. Welche Möglichkeiten gibt es, den Iran beim Bau der Bombe zu stoppen?
Die Sanktionen sind bisher nicht in dem Umfang durchgeführt worden, wie es notwendig wäre. Vor allem müssten sie gezielter eingesetzt werden, besonders was die Infrastruktur für den Energiesektor betrifft, oder beim Benzinimport. 40 Prozent der iranischen Importe kommen aus Europa, da gebe es konkrete Möglichkeiten, Druck auf das Regime auszuüben und ihm den wirtschaftlichen Boden zu entziehen.

Es gibt aber auch das Argument, dass die Sanktionen die Bevölkerung treffen.
Ausschließen lässt sich das leider nie, aber es geht zum einen darum zu versuchen, gezielt das Regime zu treffen; zum anderen richtet sich auch heute angesichts bestehender Sanktionen der Unmut vieler Menschen im Iran gegen die eigene Führung, nicht gegen den Westen. Ein Großteil der Wirtschaft im Iran wird von den Revolutionsgarden kontrolliert, sie betreiben selber Firmen und sind ein wesentlicher Faktor der Wirtschaft. Gerade ihnen müsste man diese Grundlage entziehen. Da ist leider viel zu wenig passiert. Österreichische Firmen handeln nach wie vor mit diesen Firmen. Das müsste abgestellt werden. Außerdem muss es auch politische Sanktionen geben. Ahmadinejad reist ja immer wieder zur UNO nach New York, warum bekommt er kein Einreiseverbot? Weiters könnte man Botschafter ausweisen. Warum passiert das nicht? Nach all den Menschenrechtsverletzungen oder den Drohungen gegen Israel, der Verfolgung von Homosexuellen, Unterdrückung der Minderheiten. Warum werden diese Schritte nicht gesetzt? Da kommt dann immer die Begründung, man wolle sich nicht einmischen.

Und welche Rolle spielen da die Medien?
Es fehlt sicher auch der Druck der Medien. Leider verharmlosen die meisten österreichischen Zeitungen die Vorgänge im Iran. Man fragt sich, was noch alles passieren muss, damit endlich von Seiten der Politik gehandelt wird.

STOP THE BOMB unterstützt die Opposition im Iran. Wer sagt, dass sie nicht das Atomprogramm weiterführt, wenn sie an der Macht ist?
Mussawi z. B. hat es ja überhaupt initiiert. Wir zählen Mussawi nicht zur Opposition, er ist Teil des Regimes, das gerade kaltgestellt worden ist. Er stellt weder das Atomprogramm in Frage noch die Politik gegenüber Israel. Von ihm kann man in diesen Fragen nichts erwarten. Wir haben es im Iran mit zwei Phänomenen zu tun: Auf der einen Seite gibt es den Machtkampf zwischen den verschiedenen Flügeln des Regimes und auf der anderen Seite gibt es die Menschen, die auf die Straße gehen, die Freiheit wollen, die auch die Abschaffung der islamischen Republik wollen. Mussawi hat da nur als Vehikel gedient.

Man hört sehr oft das Argument, auch Israel habe die Bombe, daher sei es nur opportun, wenn der Iran sie auch hat.
Israel ist ein demokratischer Staat und droht keinem anderen Land mit der Vernichtung. Also hier muss man schon blind sein oder vollkommen naiv, wenn man diesen Unterschied nicht feststellen kann. Der Iran wird die Bombe dazu nutzen, seinen Einflussbereich im gesamten Nahen Osten auszubauen.

Immer wieder gibt es Spekulationen über einen eventuellen israelischen Militärschlag gegen den Iran.
Ich hoffe, dass sich ein Militärschlag verhindern lässt. Daher ist der Einsatz von nichtmilitärischen Mitteln umso notwendiger, um so ein Szenario gar nicht hochkommen zu lassen. Ein israelischer Militärschlag hätte für Israel gravierende Folgen. Der Iran, die Hamas und die Hisbollah würden da nicht zuschauen, Israel wäre möglicherweise in einen Drei-Fronten-Krieg verwickelt. Israel soll keinesfalls in die Position gebracht werden, dass es keine andere Möglichkeit mehr gibt, außer einem Militärschlag. Die Welt muss endlich handeln und nicht das kleine Land Israel in dieser Situation alleine lassen.

Man hat den Eindruck, dass Europa die Drohungen nicht ernst nimmt.
Vielleicht hofft man hier darauf, dass Israel „den Job erledigt …“ Man versucht mit einer Politik des „Appeasement“, d. h. wir sind gut Freund mit unserem Feind, durchzukommen. Dabei schaut man – vielleicht sogar gern – darüber hinweg, was die Bedrohung für Israel bedeutet, da es in Europa wenig Sympathie für Israel gibt.

Was passiert, wenn der Iran die Bombe hat?
Darüber möchte ich am liebsten gar nicht nachdenken, weil ich hoffe, dass das nicht passieren wird. Es hätte gravierende und fürchterliche Auswirkungen auch auf Europa und die USA – vor allem aber auf Israel. Ein nuklearer Iran würde auch eine Aufwertung für Hamas und Hisbollah bedeuten, die ja vom Iran finanziert werden. Wird Israel so überhaupt überleben können? Damit wäre auch der Nahost-Friedensprozess für immer gestorben, kein Regime hätte mehr die Chance mit Israel Frieden zu schließen. Man muss damit rechnen, dass ein nukleares Wettrüsten in der Region beginnen wird, und was das bei den dortigen Diktaturen bedeutet, möchte ich mir nicht einmal ausmalen. Die Welt würde jedenfalls anders ausschauen.

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