Norwegische Kollaboration

Entlang der tragischen Lebensgeschichte der fünfzehnjährigen Kathe Lasnik rekonstruiert Espen Søbye die Nazi-Herrschaft in Norwegen. Ein lesenswertes Buch.
Von Thomas Schmiedinger

Akribisch recherchiert und zugleich einfühlsam nacherzählt präsentiert Espen Søbye das Leben der fünfzehnjährigen norwegischen Jüdin Kathe Lasnik, die nach ihrer Verhaftung am 26. November 1942 von Oslo nach Auschwitz deportiert wurde. Fünf Tage später wurde sie dort ermordet. Søbye gibt damit nicht nur einer von den Nazis ermordeten jungen Jüdin wieder ihre Biographie zurück, sondern thematisiert auch die Verstrickung großer Teile der norwegischen Bevölkerung in die Politik der deutschen Besatzungsmacht. Sein Buch erregte in Norwegen Aufmerksamkeit. Der verdienstvolle Kleinverlag Assoziation A hat es nun in einer deutschen Übersetzung von Uwe Englert herausgebracht.

Søbye berichtet über den Weg der aus Litauen stammenden Familie Kathe Lasniks nach Norwegen, über die Gründung und Etablierung jüdischer Gemeinden und Organisationen in Oslo, über die Integration dieser Gemeinden in die norwegische Gesellschaft, aber auch über den wachsenden Antisemitismus. Dieser kommt schließlich mit der deutschen Besetzung Norwegens und dem Staatsstreich Vidkun Quislings vom 9. April 1940 endgültig an die Macht. Quisling, dessen Name seither in vielen Sprachen als Synonym für einen von ausländischen Besatzern abhängigen Despoten und Erfüllungsgehilfen steht, half mit seinen norwegischen AnhängerInnen bei der Deportation und Vernichtung der jüdischen Gemeinden.

Søbye zeigt dies anhand einer einzelnen Biographie eindrucksvoll auf. Er beschreibt, wie die norwegischen Behörden, allen voran die Polizei, zu Erfüllungsgehilfen der deutschen Besatzer mutieren. Mitte Mai 1940 erhielten schließlich die jüdischen Gemeinden in Oslo und Trondheim „die Anweisung, Listen anzufertigen, die alle Mitglieder samt Namen, Geburtsdatum, Beruf und Adresse aufführten. Die Listen verlangte die norwegische Polizei auf Wunsch der deutschen Besatzer.“ Søbye schildert die schrittweise Ausgrenzung und Erfassung der jüdischen Gemeinden Norwegens, die schließlich zur Verhaftung, Deportation und Ermordung führte.

Kathe Lasnik wurde mit dem Schiff Donau nach Stettin deportiert. Von dort wurde sie mit den anderen an Bord befindlichen norwegischen Juden mit dem Zug nach Auschwitz gebracht. „Im Herbst 1942 waren in Birkenau zwei so genannte provisorische Gaskammern in Betrieb; die eine lag in der nordwestlichen Ecke des Lagers, die andere an dessen westlichem Rand. Sie bestanden aus Baracken, in denen sich die Gefangenen umzogen und einem Haus, in dem die eigentliche Gaskammer war. Die Leichen der Ermordeten wurden in Massengräbern in unmittelbarer Nähe verscharrt.“

Espen Søbye ist mit der Rekonstruktion des Lebens und Sterbens von Kathe Lasnik ein beeindruckendes Buch über die Verfolgung der norwegischen Juden gelungen, das zugleich einer von ihnen wieder ihre ganz persönliche Geschichte zurückgibt. Ein umfangreicher Bildteil ergänzt diesen Bericht, der nicht nur eine Anklage an die Täter, sondern auch ihre norwegischen Helfer darstellt.

Espen Søbye:
Kathe. Deportiert aus Norwegen.
Assoziation A. Berlin/Hamburg, 2008
ISBN 978-3-935936-70-5
Preis: 18,50 Euro

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