Nicht nur sieben Tage

Das dritte Buch Mose berichtet im Kapitel über rituelle Reinheitsgebote unter anderem über die Menstruation. Über ein auch im Judentum diskutiertes Tabu.

Das deutsche Wort Tabu leitet sich ursprünglich vom Polynesischen („tapu“) ab, wo es etwas Heiliges oder Geweihtes bezeichnet. Wie kam es also dazu, dass Menstruation in der westlichen Kultur tabuisiert und als unrein betrachtet wurde? 

Dabei galt in der Steinzeit die Menstruation noch als etwas Göttliches, wie Bilder in der prähistorischen Kulturstätte Göbekli Tepe (Türkei) zeigen. Heute wird in der Werbung blaue Flüssigkeit verwendet, um zu nachzuweisen, wie saugstark Binden und Tampons sind. Werbeslogans wollen Frauen ständig suggerieren, dass sie sich während ihrer Periode unrein und unsicher fühlen. Und tatsächlich fürchten sich viele Frauen davor, andere könnten merken, dass sie gerade ihre Tage haben. Firmen werben mit Tampons, die so klein sind, dass sie diskret in der Hosentasche versteckt werden können. Warum dieses Geheimnis? Auch ohne Blutfleck auf der Hose oder einen hervorblitzenden Hygieneartikel weiß man, dass eine gesunde Frau, wenn sie nicht gerade schwanger ist, zwischen Menarche und Menopause monatlich ihre Blutungen hat.

Im dritten Buch Mose (15, 19) wird im Kapitel über die rituellen Reinheitsgebote auch über die Menstruation geschrieben: Eine blutende Frau („Nidda“) gilt demnach als unrein und bleibt es sieben Tage lang. Worauf sie sich in dieser Zeit legt oder setzt, wird unrein. Wer eine blutende Frau berührt oder sich auf etwas legt oder setzt, auf dem auch sie gelegen oder gesessen ist, gilt selbst als unrein und muss die Kleider und sich selbst waschen. Deshalb gibt es die Mikwe, das rituelle Tauchbad: Männern wird empfohlen die Mikwe vor dem Sabbat und vor dem Versöhnungstag Jom Kippur zu besuchen. Frauen hingegen sollen die Mikwe vor der Hochzeit, nach der Menstruation und einer Geburt besuchen.

Das Papsttum nahm diese „Reinheitsgebote“ auf: Für Innozenz VIII. (1432–1492) waren menstruierende Frauen Hexen, die schuld waren, wenn die Felder zu wenig Frucht trugen. Er war überzeugt, dass Frauen während ihrer Tage Krankheiten verbreiteten. Einige abergläubische Fantasien basieren auf diesem Menstruationshass: Der Aberglaube, dass man nicht unter einer Leiter hindurchgehen darf, rührt beispielsweise von der Angst, vom Blut der auf der Leiter stehenden Frauen befleckt zu werden. 

Hass und Neid

Obwohl die Regelblutung einerseits stark tabuisiert ist, gibt es gleichzeitig die Theorie vom Menstruationsneid. So stellte der jüdische Psychoanalytiker Bruno Bettelheim (1903–1990) eine Analogie zum Penisneid her. Er spricht bei der Brit Mila von einer Art Menstruationsneid: Buben, die beschnitten werden, bluten – eine Imitation der Menstruationsblutung. Viele Urvölker, etwa in Australien, auf Hawaii oder in Kenia, spalten den Penis an der Unterseite entlang der Harnröhre. Dieses Ritual bringt Blutungen mit sich und wird als Wunsch gedeutet, dass der Penis einer Vulva ähneln soll.

Zahlreiche Theorien erklären den verbreiteten Menstruationshass dahingehend, dass die patriarchalischen, monotheistischen Religionen nicht wollten, dass Frauen etwas Heiliges besitzen, auf das Männer keinen Einfluss haben. Also war es das Einfachste, die Menses als unrein zu bezeichnen und ebenso jeden, der damit in Berührung kommt bzw. alles, was die blutende Frau angreift – ein Zugang, den jede moderne Gesellschaft überdenken sollte.  Tatsächlich beschäftigen sich nur wenige der zahlreichen jüdischen Feminstinnen mit dem Zyklus der Frau. Die heute 82-jährige Judy Blume war eine der ersten, die in ihrem Jugendbuch Bist du da, Gott? Ich bin’s, Margaret (1970) den Monatszyklus thematisierte. Das Buch handelt von einem Mädchen in der Pubertät, das zwischen zwei Religionen aufwächst. Die junge Autorin Deborah Feldman wiederum erinnert sich in ihrer Autobiografie Unorthodox (2016) an ihr Aufwachsen in einer New Yorker jüdisch-orthodoxen Familie, an die Einschränkungen, die strikten Verbote. Rot als die Farbe des Blutes galt, so Feldman, als jene des Teufels und durfte deshalb nicht getragen werden. Bis sie eines Tages auch das zu hinterfragen begann – und ausbrach.

Die mobile Version verlassen