Mit Wirken und Vermögen

Friedrich Schey von Koromla, Bankier, Großgrundbesitzer und Direktor der Österreichischen Nationalbank, galt in den 1860er und 1870er Jahren als eine der einflussreichsten Personen des Wirtschaftslebens Österreichs (Lithografie von Adolf Dauthage, 1870). Bild: WIKIMEDIA COMMONS

Die aus Ungarn stammende Familie Schey hob maßgeblich das gesellschaftliche Ansehen von Juden in der Habsburgermonarchie. Philipp Schey Freiherr von Koromla war der erste ungarische Jude, der in den österreichischen Adelsstand erhoben wurde.

VON GEORG GAUGUSCH

Moses Schey, auf seinem Grabstein nach seinem Wohnort als Moses Güns bezeichnet, gelang es, tradierte religiöse Gelehrtheit mit den Anforderungen des Geschäftslebens zu verbinden. Die Familie hatte, auch wenn sie immer in Güns blieb, engste Verbindungen zu den großen Handelshäusern der Residenz. Zu überregionaler Bedeutung gelangte sie mit dem 1798 geborenen Philipp Schey, Moses‘ drittem Sohn, der zwischen 1830 und 1850 vor allem mit dem Handel von Agrarprodukten zu einem der vermögendsten Kaufleute Österreichs aufstieg. Da seine 1816 geschlossene Ehe mit Franziska Lackenbacher kinderlos geblieben war, widmete er große Teile seines Vermögens schon Zeitlebens der Wohltätigkeit. Er ließ in seiner Heimatstadt Güns ein Siechenhaus und Altersheim sowie eine Synagoge errichten.

Nach seiner Ungarnreise 1857 zeichnete Kaiser Franz Joseph mehrere ungarische Staatsbürger aus, darunter auch Philipp Schey, dem bei diesem Anlass das Goldene Verdienstkreuz verliehen wurde. Bereits ein Jahr später suchte Philipp Schey für sich und seinen Neffen Friedrich um Erhebung in den Adelstand an:

„Nunmehr haben Seine kais. Hoheit das vorliegende Gesuch des Philipp Schey an den Minister des Inneren geleitet. Der Bittsteller beruft sich darin auf seine, bereits a. h. Orts anerkannten gemeinnützigen Leistungen, und auf die, wie er glaubt, nicht mindere Würdigkeit seines genannten Neffen… Auch nach dem Erachten des Ministers des Inneren stellen sich sowohl Philipp als auch Friedrich Schey als Männer dar, welche in Rücksicht ihres ersprießlichen gemeinnützigen Wirkens und ihrer bewährten Loyalität, dann ihres bedeutenden Vermögens und ihrer sozialen Stellung geeignet sein dürften, mit der a. g. Erhebung in den Adelstand beglückt zu werden. Ihr mosaisches Glaubensbekenntniß bildet diesfalls kein Hinderniß“.

Im Gegensatz zu ähnlichen Auszeichnungen dauerte die Beschlussfassung verhältnismäßig lang, denn erst am 5. März 1859 wurde Philipp Schey in den Adelstand „von Koromla“ erhoben. Der Kaiser dehnte diesen zugleich auf Scheys Neffen Friedrich aus, der seit den frühen 1840er Jahren im Schutze seines Schwiegervaters Joseph Landauer in Wien lebte und bereits ein Vermögen von über 100.000 Gulden besaß. Mit diesem Grundvermögen begann Friedrich Scheys Aufstieg zu einem der wesentlichen Akteure der Wiener Finanzwelt, eine Position, die er bis zum Börsenkrach von 1873 innehaben sollte.

Auch sein Onkel Philipp, der hauptsächlich in Güns lebte, hatte sich nach seiner Adelung 1859 weitere Verdienste erworben. Obwohl er 1861 den „Orden der Eisernen Krone Dritter Klasse“ erhielt, gelang es ihm nicht, den Ritterstand auf seine beiden Neffen Anton und Karl Schey übertragen zu lassen: Wie nicht anders zu erwarten wurde das Gesuch abgewiesen. Doch Philipp Schey von Koromla ließ sich durch diese Zurückweisung nicht von seinem Ziel abbringen. 1866 versuchte er erneut, die Übertragung des Ritterstands zu erwirken, diesmal aber nur für seinen Neffen Karl. Das Urteil fiel diesmal bedeutend günstiger aus. Kaiser Franz Joseph schien schnell überzeugt gewesen zu sein und willigte im April 1866 ein.

War schon die Übertragung des Ritterstands auf Karl Schey im Wesentlichen politischen Überlegungen geschuldet, so war dies noch viel stärker bei der Verleihung des „Ordens der Eisernen Krone Zweiter Klasse“ an Friedrich Schey der Fall, die ihm am 18. Oktober 1869 verliehen wurde. Mit Diplom vom 25. Dezember desselben Jahres folgte seine Erhebung in den österreichischen Freiherrenstand. Bezüglich dieses Ordens und des mit ihm damals noch verbundenen Rechts auf Erhebung in den Freiherrenstand kam er seinem Onkel Philipp zuvor, doch letztlich gelang es auch diesem, den hohen Orden zu erlangen.

Schon hochbetagt versuchte der kinderlose Philipp Schey 1874 noch seinen Freiherrenstand auf seinen ebenfalls kinderlosen Neffen Karl übertragen zu lassen, doch dieses Vorhaben scheiterte am Einspruch des Innenministers, der anführte, dass Karl Ritter Schey von Koromla „seinen dermaligen Adelsgrad ohnehin schon einem Akte besonderer ah. Gnade verdankt, und der gegenwärtig keine derart hervorragenden Verdienste, oder sonstige besonders zu berücksichtigende Umstände auf Seite des Carl Ritters v. Schey obwalten, welche die Befürwortung eines neuerlichen Aktes der Ah. Gnade, wie jenes der dermal erbetenen Freiherrnstands-Übertragung, gerechtfertigt erscheinen ließen.“

Der Börsenkrach von 1873 hatte auch dem Haus Schey stark zugesetzt, nicht so sehr dem weniger an der Börse aktiven Philipp als dem Großhandlungshaus Friedrichs, das fast um sein ganzes Vermögen kam. Beim Ableben ihres Gründers 1881 wies die Firma zwar immer noch eine beachtliche Bilanzsumme von rund 1,8 Millionen Gulden aus, verfügte aber nur über ein Reinvermögen von rund 200.000 Gulden. Wenige Monate nach dem Tod Friedrich Scheys wurde seine Firma über Geschäftsrücklegung aus dem Wiener Handelsregister gelöscht.

Auch wenn mit dem Börsenkrach die ökonomische Grundlage der Familie Schey stark geschmälert wurde, blieb sie dank des Adelstitels und der internationalen familiären Verbindungen Teil des Wiener Großbürgertums. Anstelle der ökonomischen Relevanz trat eine gesellschaftlich-soziale: So war der zweite Ehemann von Friedrich Scheys ältester Tochter Emma, Joseph Unger, als Präsident des Reichsgerichts und lebenslängliches Mitglied des Herrenhauses einer der wichtigsten Repräsentanten Österreich-Ungarns.

Ähnliche Bedeutung für das Rechtsleben hatte Josef Schey von Koromla, der Sohn Friedrichs. Joseph lehrte lange an der Universität Graz und übernahm dort den Lehrstuhl für österreichisches Zivilrecht. Als er im Jänner 1938 starb, würdigten alle Zeitungen, sogar die betont katholische und latent antisemitisch auftretende Reichspost den Dahingegangenen mit einem Nachruf – als einzige Zeitung wies die von Irene Harand herausgegebene Gerechtigkeit darauf hin, dass Joseph Schey Jude gewesen ist. Er war der Letzte, der in der monumentalen Gruft der Familie auf der israelitischen Abteilung des Wiener Zentralfriedhofs beigesetzt wurde.

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