Maßstab für das Zusammenleben

Die Zehn Gebote auf einer Holztafel. © DANIELLE SPERA

Die Zehn Gebote nehmen im Judentum wie im Christentum einen zentralen Stellenwert ein. Sie bilden die Grundprinzipien ethischen Handelns.

Von Danielle Spera

Sie sind in jeder Synagoge, in jeder Kirche zu finden. Allerdings weichen die Zehn Gebote im Judentum und im Christentum voneinander ab. Das Judentum kennt 613 Gebote, die nach der Überlieferung Moses am Berg Sinai mitgeteilt wurden, davon sind 365 Verbote (die Tage des Jahres) und 248 Gebote (entsprechen den Gliedern des menschlichen Körpers). Die Zehn Gebote sind die ersten dieser 613 und werden in der Thora als „zehn Worte“ (Asseret ha Dibrot), im Griechischen als Dekalog bezeichnet.

Die ersten fünf Gebote im Judentum beginnen mit „Du sollst“ und sind Regeln zwischen Mensch und Gott, die zweiten fünf Gebote beginnen mit „Du sollst nicht“ und gelten als Regeln zwischen den Menschen.

  1. Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat.
  2. Du sollst keine anderen Götter haben. Du sollst dir kein Bildnis machen.
  3. Du sollst den Namen Gottes nicht missbrauchen.
  4. Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligst.
  5. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.
  6. Du sollst nicht töten.
  7. Du sollst nicht ehebrechen.
  8. Du sollst nicht stehlen.
  9. Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.
  10. Du sollst nicht begehren, was dein Nächster hat.

 

In der Thora kommen die Zehn Gebote zweimal vor (im zweiten und im fünften Buch Mose), allerdings in etwas unterschiedlichen Fassungen und ohne Nummerierung. Die Gebote gelten sowohl für Juden als auch für Christen, werden im Christentum aber anders gezählt.

Das erste Gebot setzt voraus, dass man die Geschichte des Judentums und die Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei kennt: Wir sollen immer daran erinnert werden, dass ein Leben in Freiheit nicht selbstverständlich ist. Das zweite Gebot existiert im Christentum in dieser Form nicht, denn hier gibt es im Gegensatz zum Judentum kein Bilderverbot, weshalb man in Synagogen – abgesehen von wenigen Ausnahmen, etwa dem Wilshire Boulevard Temple in Los Angeles – keine Bilder findet. Die Gründerväter von Hollywood haben diese Synagoge von Filmausstattern mit großflächigen Bibelszenen bemalen lassen.

Das dritte Gebot bedeutet im Judentum, dass man den Namen Gottes nicht unnötig gebrauchen soll. Schriftstücke, auf denen der Name Gottes vorkommt, dürfen im Judentum nicht weggeworfen werden. Das vierte Gebot im Judentum geht weit über die Einhaltung eines Ruhetages hinaus. Der Schabbat soll als etwas ganz Besonderes, als ein heiliger Tag angesehen und vor allem eingehalten werden. Im fünften Gebot heißt es: Wer Vater und Mutter ehrt, dem wird ein langes Leben versprochen. Hier geht es auch um Respekt vor der Schöpfung des Menschen. Vater und Mutter werden gleichermaßen genannt und es wird auf die Wichtigkeit aufmerksam gemacht, dass man über Generationen füreinander sorgen soll, um eine fruchtbare, gut funktionierende Gesellschaft aufrecht zu erhalten.

Auch wenn die Zehn Gebote auf dem Berg Sinai dem jüdischen Volk übergeben wurden, gelten sie heute als normative Lehrsätze der Menschenrechte, denn sie können eigentlich als universales Gesetz gelten, das das Zusammenleben zwischen den Menschen regelt.

Die Tafeln, die am Sinai übergeben wurden, sind zunächst in der Bundeslade und später im Tempel aufbewahrt worden. Die Zehn Gebote finden sich nicht nur als Gesetzestafeln in den Synagogen, sondern sie scheinen auch auf Judaika, zum Beispiel auf Thoraschilden, auf. Auch in den Kirchen sind sie sichtbar angebracht. Vor allem sollten sie uns als ethische Maßstäbe für unsere Handlungen und damit für das Zusammenleben dienen: So wäre eine friedliche Welt nicht mehr nur eine Utopie.

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