Inszenierung Leopoldskron

Schloss Leopoldskron mit dem Leopoldskroner Weiher. Im Hintergrund die Festung Hohensalzburg. ©CREATIVE COMMONS/Simon Bernd Kranzer

Die Ausstellung „Jedermanns Juden“ im Jüdischen Museum Wien blickt auf mehr als 100 Jahre Salzburger Festspiele zurück. Als im August 1920 am Domplatz die erste Inszenierung des „Jedermann“ über die Bühne ging, war Festspiel-Gründer Max Reinhardt mitten in der Revitalisierung von Schloss Leopoldskron. 

Von Johannes Hofinger

Es waren schlechte Zeiten, als Max Reinhardt im Frühjahr 1918 Schloss Leopoldskron bei Salzburg erwarb. Der Weltkrieg – noch ahnte niemand, dass er später der Erste genannt werden sollte – ging in seine entscheidende Phase, die Monarchien Preußens und Österreich-Ungarns lagen in den letzten Zügen. Reinhardt suchte den langsamen Abschied aus Berlin, wo er in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zum führenden Mann des deutschsprachigen Theaters aufgestiegen war. Leopoldskron versinnbildlichte nunmehr die Rückkehr Reinhardts zu seinen österreichischen Wurzeln. Dass noch im Krieg die Pläne für ein Sommerfestival in Salzburg konkrete Formen annahmen, tat ein Übriges.

Als die Salzburger Festspiele im August 1920 mit dem Jedermann ihre ersten zaghaften Schritte machten, war Reinhardt mitten in der Revitalisierung von Schloss Leopoldskron, das Fürsterzbischof Leopold Anton Firmian in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erbauen hatte lassen. Das prachtvolle Gebäude hatte Höhen und Tiefen erlebt, ehe es von Reinhardt wieder instandgesetzt und mit neuem Leben erfüllt wurde. Der Regisseur machte Leopoldskron zu einer seiner wichtigsten Inszenierungen, auf ihn geht die bis heute bestehende Verbindung zwischen dem Schloss und den Festspielen zurück. Legendär sind die Erinnerungen vieler Prominenter der Zwischenkriegszeit an die Empfänge auf Leopoldskron, darunter Künstler und Künstlerinnen, Adelige, Politiker und Mäzene.

Abgeschottet vom Alltag

Die Gründungsväter Max Reinhardt und Hugo von Hofmannsthal auf der Terrasse von Schloss Leopoldskron.

Für die Antisemiten war Max Reinhardt seit den 1920er Jahren die Verkörperung des „jüdischen Theaters“, das sie mit agitatorischem Furor anprangerten. Dass Reinhardt gleichzeitig auch noch ein Schloss in Salzburg besaß, in dem er Nichtjuden als seine Diener und Köchinnen beschäftigte, ließ ihnen Schaum vor den Mund treten. Den Theatermann schien dies zunächst kaum zu berühren: Abgeschottet vom alltäglichen Leben Salzburgs bekam der die Anfeindungen nicht körperlich zu spüren. Als jedoch Salzburger Nationalsozialisten im Frühjahr 1934 – die NSDAP war in Österreich seit knapp einem Jahr verboten – über die Schlossmauer kletterten und einen Böller in die Halle warfen, der dort leichte Schäden anrichtete, begann für Reinhardt neuerlich ein langsamer Abschied, diesmal aus Salzburg. Dessen ungeachtet waren gerade die Festspiele der Jahre 1934 bis 1937 ein künstlerischer Höhenflug, unterstützt von der österreichischen und internationalen Politik, die in Salzburg das kultivierte Pendant zu den nationalsozialistisch durchwirkten Bayreuther Festspielen sah.

Mit dem „Anschluss“ wurde aber auch in Salzburg alles anders. Reinhardt war zu diesem Zeitpunkt in den USA. Wer ihm die Nachricht überbrachte, dass unmittelbar nach der NS-Machtübernahme in Österreich die Gestapo seine Salzburger Besitzungen beschlagnahmt hatte, ist nicht bekannt. Schloss Leopoldskron, der Maierhof, landwirtschaftliche Flächen, der Weiher und natürlich sämtliche privaten Mobilien, darunter tausende Bücher in der Bibliothek des Schlosses sowie die gesamte Korrespondenz Reinhardts, wurden „arisiert“. Die für die Nationalsozialisten wertlosen persönlichen Gegenstände sollte Reinhardt schließlich in die USA nachgeschickt bekommen. Für die neuen Herren stellten diese kulturhistorisch einmaligen Dokumente keinen Wert dar. Ganz anders die Immobilien, die sie auf über 700.000 Reichsmark schätzten.

Glamour für den Geldadel

Während für den Bestohlenen die USA nunmehr zum Exilland wurden, hatten die Nationalsozialisten mit Schloss Leopoldskron große Pläne. Unterschiedliche Parteistellen ritterten darum, das Zugriffsrecht auf den ehemaligen Besitz Max Reinhardts zu bekommen. Zunächst sollte sich jedoch Hermann Göring durchsetzen, der die glamouröse Prinzessin Stephanie von Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst als Gesellschafterin nach Leopoldskron setzte. Sie sollte die internationale Aristokratie und den Geldadel in luxuriöser Atmosphäre umgarnen und für den Nationalsozialismus gewinnen, insbesondere jene der britischen Inseln. Ihre Dienste für das Regime währten jedoch nur kurz, sie stolperte über die Liebesbeziehung mit Hitlers verheiratetem Adjutanten Fritz Wiedemann und musste selbst nach Großbritannien, später in die USA gehen.

In dieser Situation schlug die Stunde des Salzburger Gauleiters Friedrich Rainer. Zugute kam ihm, dass durch das Ostmarkgesetz Neuregelungen über die Aufteilung der beschlagnahmten Güter in Kraft traten. Ab 1940 war Schloss Leopoldskron unter seiner Verfügungsgewalt, er nutzte Schloss und Maierhof als „Künstlerbezirk“, wo unter anderem der geschäftsführende Direktor der Hochschule Mozarteum, Eberhard Preussner, und das Musikerehepaar Steiner-Richter Quartier bezogen. 1942 erhielt der neu designierte Generalintendant der Salzburger Festspiele, Clemens Krauss, im Schloss eine Dienstwohnung. Und auch Reichsminister Bernhard Rust, zuständig für nationalsozialistische Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, fühlte sich in Leopoldskron wohl, er mietete mit seiner Familie ab 1941 mehrere Zimmer im Schloss, um hier die Sommerwochen zu verbringen.

Max Reinhardt sollte das Kriegsende und die Rückgabe seiner Salzburger Besitzungen nicht mehr erleben, er starb 1943 in den USA. Seine Witwe Helene Thimig, Spross der bekannten Wiener Schauspielerdynastie, trat gemeinsam mit Reinhardts Söhnen aus erster Ehe das Erbe an und beantragte 1947 die Restitution der Liegenschaften. 13 Jahre nach dem Raub ging im April 1951 Schloss Leopoldskron an die Erbengemeinschaft zurück, sie verkauften es nach wenigen Jahren. Der heutige Besitzer, das Salzburg Global Seminar, sieht sich dem Vermächtnis Max Reinhardts in Leopoldskron verpflichtet.

Die Ausstellung „Jedermanns Juden“ im Jüdischen Museum ist noch bis 21. November zu sehen.

Johannes Hofinger
Die Akte Leopoldskron
Aktualisierte und erweiterte Neuauflage
Anton Pustet, 2020
216 S., EUR 24,-

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